Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.da genoß auch ein gutes Ohr von diesem wie von allen übrigen Vortragen Daß die öffentliche Meinung mit Politikern von der Gattung des Herrn Nicht mit Unrecht, wenn auch leider in übler Stilisirung, hob ein Flug¬ da genoß auch ein gutes Ohr von diesem wie von allen übrigen Vortragen Daß die öffentliche Meinung mit Politikern von der Gattung des Herrn Nicht mit Unrecht, wenn auch leider in übler Stilisirung, hob ein Flug¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115608"/> <p xml:id="ID_581" prev="#ID_580"> da genoß auch ein gutes Ohr von diesem wie von allen übrigen Vortragen<lb/> und Toasten absolut nichts, da man an einen akustischen Bau der Halle nicht<lb/> wohl hatte denken können. Unersetzliche Verluste wird das deutsche Volk da¬<lb/> durch nicht gerade erlitten haben. Man kennt das Vocabular und die Gram¬<lb/> matik, aus denen patriotische Festreden gemeinhin genommen werden, und gibt<lb/> es einmal was ungewöhnlich Gutes, so fixirt der Stenograph das geflügelte<lb/> Wort für den Druck. Was Herr v. Beust den tafelnden Turnern gesagt hat, wird<lb/> wahrscheinlich der Form nach zu der letztern Gattung von Reden gehört haben.<lb/> Ueber den Inhalt wissen wir nichts zu berichten als daß darin die Freiheit ge¬<lb/> priesen worden sein soll, welche das Wort in Sachsen genieße. Auch soll der Herr<lb/> Minister von deutscher Einigkeit und ähnlichen guten D.lügen mit gewohnter An¬<lb/> muth und Ausführlichkeit gesprochen haben. Der Erfolg endlich soll zwar nicht<lb/> bedeutend, aber doch auch nicht ganz Null gewesen sein. Schon die Artigkeit<lb/> gebot, den Toast durch Anstoßen zu ehren, und als dieser Pflicht Genüge ge¬<lb/> schehen, unterlagen — so wird uns erzählt — verschiedene Anwesende Anfällen<lb/> von Bewunderung und Dankgefühl gegen den hohen Redner, die in Thätlich¬<lb/> keiten, biedere Händedrücke und Umarmungen ausarteten. Und weshalb auch nicht?<lb/> Wir sehen davon ab, daß der Festwein gut, aber nicht leicht war, und daß jene ge¬<lb/> rührten Zuhörer zu der Classe gehört haben können, die es für Schuldigkeit eines<lb/> rechtschaffenen Menschen hält, sich Von jeder Rede echauffiren und zu Bravorufen<lb/> bewegen zu lassen. Wir glauben, daß Herr v. Beust der ungeheuren Majorität seiner<lb/> Mitgäste bei weitem weniger willkommen war, als ein liberal und national<lb/> gesinnter Staatsmann, sagen wir Herr v, Noggenbach, gewesen wäre. Dennoch<lb/> freuen wir uns über das Erscheinen des sächsischen Ministers beim Feste auf¬<lb/> richtig, und zwar aus demselben Grunde, aus dem uns auch die deutschen<lb/> Fahnen werthe Zeichen der Zeit waren, welche nicht von Männern unsrer<lb/> Partei und Art aufgesteckt wurden. Herr v. Beust war von Niemand geladen,<lb/> und noch weniger übte jemand Zwang auf ihn aus. Er kam aus freiem Ent¬<lb/> schluß und vermuthlich nicht aus Liebhaberei für nationale Demonstrationen<lb/> von Seiten des Volkes, sondern aus Nützlichkeitsgründen. Er erkannte durch<lb/> sein Kommen die Größe der Bewegung an, er glaubte sich ihr gegenüber nach<lb/> Kräften liberal zeigen zu müssen, er mag gehofft haben, aus der Gelegenheit<lb/> politisches Capital münzen zu können, er mag dabei im Irrthum gewesen sein.<lb/> Gewiß bleibt die Thatsache, daß die alten Gewalten die neuen bereits für so<lb/> mächtig halten, daß sie mit ihnen transigiren zu müssen meinen.</p><lb/> <p xml:id="ID_582"> Daß die öffentliche Meinung mit Politikern von der Gattung des Herrn<lb/> v. Beust sich auf keine Transaction einlassen wird, sehen wir für selbstver¬<lb/> ständlich an.</p><lb/> <p xml:id="ID_583" next="#ID_584"> Nicht mit Unrecht, wenn auch leider in übler Stilisirung, hob ein Flug¬<lb/> blatt, welches von behender Hand während des oratorischen Ergusses Sr.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
da genoß auch ein gutes Ohr von diesem wie von allen übrigen Vortragen
und Toasten absolut nichts, da man an einen akustischen Bau der Halle nicht
wohl hatte denken können. Unersetzliche Verluste wird das deutsche Volk da¬
durch nicht gerade erlitten haben. Man kennt das Vocabular und die Gram¬
matik, aus denen patriotische Festreden gemeinhin genommen werden, und gibt
es einmal was ungewöhnlich Gutes, so fixirt der Stenograph das geflügelte
Wort für den Druck. Was Herr v. Beust den tafelnden Turnern gesagt hat, wird
wahrscheinlich der Form nach zu der letztern Gattung von Reden gehört haben.
Ueber den Inhalt wissen wir nichts zu berichten als daß darin die Freiheit ge¬
priesen worden sein soll, welche das Wort in Sachsen genieße. Auch soll der Herr
Minister von deutscher Einigkeit und ähnlichen guten D.lügen mit gewohnter An¬
muth und Ausführlichkeit gesprochen haben. Der Erfolg endlich soll zwar nicht
bedeutend, aber doch auch nicht ganz Null gewesen sein. Schon die Artigkeit
gebot, den Toast durch Anstoßen zu ehren, und als dieser Pflicht Genüge ge¬
schehen, unterlagen — so wird uns erzählt — verschiedene Anwesende Anfällen
von Bewunderung und Dankgefühl gegen den hohen Redner, die in Thätlich¬
keiten, biedere Händedrücke und Umarmungen ausarteten. Und weshalb auch nicht?
Wir sehen davon ab, daß der Festwein gut, aber nicht leicht war, und daß jene ge¬
rührten Zuhörer zu der Classe gehört haben können, die es für Schuldigkeit eines
rechtschaffenen Menschen hält, sich Von jeder Rede echauffiren und zu Bravorufen
bewegen zu lassen. Wir glauben, daß Herr v. Beust der ungeheuren Majorität seiner
Mitgäste bei weitem weniger willkommen war, als ein liberal und national
gesinnter Staatsmann, sagen wir Herr v, Noggenbach, gewesen wäre. Dennoch
freuen wir uns über das Erscheinen des sächsischen Ministers beim Feste auf¬
richtig, und zwar aus demselben Grunde, aus dem uns auch die deutschen
Fahnen werthe Zeichen der Zeit waren, welche nicht von Männern unsrer
Partei und Art aufgesteckt wurden. Herr v. Beust war von Niemand geladen,
und noch weniger übte jemand Zwang auf ihn aus. Er kam aus freiem Ent¬
schluß und vermuthlich nicht aus Liebhaberei für nationale Demonstrationen
von Seiten des Volkes, sondern aus Nützlichkeitsgründen. Er erkannte durch
sein Kommen die Größe der Bewegung an, er glaubte sich ihr gegenüber nach
Kräften liberal zeigen zu müssen, er mag gehofft haben, aus der Gelegenheit
politisches Capital münzen zu können, er mag dabei im Irrthum gewesen sein.
Gewiß bleibt die Thatsache, daß die alten Gewalten die neuen bereits für so
mächtig halten, daß sie mit ihnen transigiren zu müssen meinen.
Daß die öffentliche Meinung mit Politikern von der Gattung des Herrn
v. Beust sich auf keine Transaction einlassen wird, sehen wir für selbstver¬
ständlich an.
Nicht mit Unrecht, wenn auch leider in übler Stilisirung, hob ein Flug¬
blatt, welches von behender Hand während des oratorischen Ergusses Sr.
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