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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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bürgcr" für diese Tage seinen Polizeistab nieder, indem er die Ueberzeugung
kundgab, jeder Einzelne werde sichs angelegen sein lassen, Störungen der Würde
des Festes fernzuhalten -- eine Erwartung, deren Erfüllung nicht der am
wenigsten erfreuliche von den vielen schönen Zügen war, welche diese denkwür¬
dige Feier zeigte. Das Fest der werdenden Einheit der Deutschen, die^.Ver-
sammlung der Genossenschaft, die vorzugsweise zur Gewöhnung an stramme
Haltung, feste Zucht und strenges Selbstregiment verbunden ist. durften durch
keine Zuchtlosigkeit entweiht werden, und sie sind in der That unentweiht ge¬
blieben. So hoch auch die Wogen gingen, sie haben keinen Schmutz auf¬
gewühlt, und so viele jener praktischen Turnerkrüge auch geleert wurden, so
fleißig auch die großen Trinkhörner kreisten, mit denen die Kellermeister der ein¬
zelnen Turnerfähnlein ihren Kameraden vvranzogen. in keinem scheint eines
jener boshaften Teufelchen gesessen zu haben, welche andere Feste der letzten
Jahre zum Theil verdarben. Es war, als ob der gute Genius der Nation
über der Stadt schwebte, um wie die Wolken des Himmels auch moralische
Verdunklung und Verunzierung von der Feier abzuwehren.

So kam der letzte der Rüsttage heran, wo Alles, was gesäet und gewach¬
sen war, in voller Blüthe stand. Das ganze weite Leipzig bis in seine Vor¬
städte und die umliegenden Dörfer hinein ein hochzeitlich geschmücktes Jubel¬
haus. Beinahe kein Gebäude ohne Kränze, keines ohne Fahnen, die meisten
in der innern Stadt mit mehren von den größten Dimensionen, viele mit
Dutzenden großer und kleiner geziert, das altehrwürdige Rathhaus mit seinem
Thurm, seinen grauen Giebeln, seinen vergitterten Fenstern von oben bis zu
den Kaufläden im Erdgeschoß in grüne Laubgewinde und bunte Farben geklei¬
det. Am Eingange der grimmaischen Straße zwei gewaltige Tannenbäume
mit wehenden Flaggen, dahinter Guirlanden über den Weg gespannt und ein
mächtiges Wappen mit dem deutschen Doppeladler. Noch weiter hinein und die
Häuserzeilen entlang aus allen Fenstern, auf allen Wandvorsprüngen, vielen
Dächern flatternde Banner, Fahnen und Standarten in den deutschen, den leip¬
ziger, den sächsischen und den Turnerfarben. Rechts und links in die Seiten¬
gassen hinein derselbe Reichthum, auf dem Markt, der Hainstraße, der vornehmen
Katharinenstraße, der Petersstraße desgleichen, Fahne an Fahne und Kranz an
Kranz. Selbst in die großen Höfe und Durchgänge war die Lust, sich zu
schmücke", gedrungen. In einem sahen wir vor den Ladenthüren eine seltsame
Art junger Eichen aufgeschossen, die weiße und rothe Georginen als Blüthen
trugen, vermuthlich eine Gattung der Familie ^usi'eus, die Gott eigens für
das Fest erschaffen.

Mehre Häuser zeigten auch fremde Fahnen, so das eidgenössische und das
englische Consulat, von denen ersteres zugleich unter dem rothen Panier mit
dem weißen Kreuz mit den Wappen sämmtlicher Kantone verziert war. Ebenso


bürgcr" für diese Tage seinen Polizeistab nieder, indem er die Ueberzeugung
kundgab, jeder Einzelne werde sichs angelegen sein lassen, Störungen der Würde
des Festes fernzuhalten — eine Erwartung, deren Erfüllung nicht der am
wenigsten erfreuliche von den vielen schönen Zügen war, welche diese denkwür¬
dige Feier zeigte. Das Fest der werdenden Einheit der Deutschen, die^.Ver-
sammlung der Genossenschaft, die vorzugsweise zur Gewöhnung an stramme
Haltung, feste Zucht und strenges Selbstregiment verbunden ist. durften durch
keine Zuchtlosigkeit entweiht werden, und sie sind in der That unentweiht ge¬
blieben. So hoch auch die Wogen gingen, sie haben keinen Schmutz auf¬
gewühlt, und so viele jener praktischen Turnerkrüge auch geleert wurden, so
fleißig auch die großen Trinkhörner kreisten, mit denen die Kellermeister der ein¬
zelnen Turnerfähnlein ihren Kameraden vvranzogen. in keinem scheint eines
jener boshaften Teufelchen gesessen zu haben, welche andere Feste der letzten
Jahre zum Theil verdarben. Es war, als ob der gute Genius der Nation
über der Stadt schwebte, um wie die Wolken des Himmels auch moralische
Verdunklung und Verunzierung von der Feier abzuwehren.

So kam der letzte der Rüsttage heran, wo Alles, was gesäet und gewach¬
sen war, in voller Blüthe stand. Das ganze weite Leipzig bis in seine Vor¬
städte und die umliegenden Dörfer hinein ein hochzeitlich geschmücktes Jubel¬
haus. Beinahe kein Gebäude ohne Kränze, keines ohne Fahnen, die meisten
in der innern Stadt mit mehren von den größten Dimensionen, viele mit
Dutzenden großer und kleiner geziert, das altehrwürdige Rathhaus mit seinem
Thurm, seinen grauen Giebeln, seinen vergitterten Fenstern von oben bis zu
den Kaufläden im Erdgeschoß in grüne Laubgewinde und bunte Farben geklei¬
det. Am Eingange der grimmaischen Straße zwei gewaltige Tannenbäume
mit wehenden Flaggen, dahinter Guirlanden über den Weg gespannt und ein
mächtiges Wappen mit dem deutschen Doppeladler. Noch weiter hinein und die
Häuserzeilen entlang aus allen Fenstern, auf allen Wandvorsprüngen, vielen
Dächern flatternde Banner, Fahnen und Standarten in den deutschen, den leip¬
ziger, den sächsischen und den Turnerfarben. Rechts und links in die Seiten¬
gassen hinein derselbe Reichthum, auf dem Markt, der Hainstraße, der vornehmen
Katharinenstraße, der Petersstraße desgleichen, Fahne an Fahne und Kranz an
Kranz. Selbst in die großen Höfe und Durchgänge war die Lust, sich zu
schmücke», gedrungen. In einem sahen wir vor den Ladenthüren eine seltsame
Art junger Eichen aufgeschossen, die weiße und rothe Georginen als Blüthen
trugen, vermuthlich eine Gattung der Familie ^usi'eus, die Gott eigens für
das Fest erschaffen.

Mehre Häuser zeigten auch fremde Fahnen, so das eidgenössische und das
englische Consulat, von denen ersteres zugleich unter dem rothen Panier mit
dem weißen Kreuz mit den Wappen sämmtlicher Kantone verziert war. Ebenso


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[0213] bürgcr" für diese Tage seinen Polizeistab nieder, indem er die Ueberzeugung kundgab, jeder Einzelne werde sichs angelegen sein lassen, Störungen der Würde des Festes fernzuhalten — eine Erwartung, deren Erfüllung nicht der am wenigsten erfreuliche von den vielen schönen Zügen war, welche diese denkwür¬ dige Feier zeigte. Das Fest der werdenden Einheit der Deutschen, die^.Ver- sammlung der Genossenschaft, die vorzugsweise zur Gewöhnung an stramme Haltung, feste Zucht und strenges Selbstregiment verbunden ist. durften durch keine Zuchtlosigkeit entweiht werden, und sie sind in der That unentweiht ge¬ blieben. So hoch auch die Wogen gingen, sie haben keinen Schmutz auf¬ gewühlt, und so viele jener praktischen Turnerkrüge auch geleert wurden, so fleißig auch die großen Trinkhörner kreisten, mit denen die Kellermeister der ein¬ zelnen Turnerfähnlein ihren Kameraden vvranzogen. in keinem scheint eines jener boshaften Teufelchen gesessen zu haben, welche andere Feste der letzten Jahre zum Theil verdarben. Es war, als ob der gute Genius der Nation über der Stadt schwebte, um wie die Wolken des Himmels auch moralische Verdunklung und Verunzierung von der Feier abzuwehren. So kam der letzte der Rüsttage heran, wo Alles, was gesäet und gewach¬ sen war, in voller Blüthe stand. Das ganze weite Leipzig bis in seine Vor¬ städte und die umliegenden Dörfer hinein ein hochzeitlich geschmücktes Jubel¬ haus. Beinahe kein Gebäude ohne Kränze, keines ohne Fahnen, die meisten in der innern Stadt mit mehren von den größten Dimensionen, viele mit Dutzenden großer und kleiner geziert, das altehrwürdige Rathhaus mit seinem Thurm, seinen grauen Giebeln, seinen vergitterten Fenstern von oben bis zu den Kaufläden im Erdgeschoß in grüne Laubgewinde und bunte Farben geklei¬ det. Am Eingange der grimmaischen Straße zwei gewaltige Tannenbäume mit wehenden Flaggen, dahinter Guirlanden über den Weg gespannt und ein mächtiges Wappen mit dem deutschen Doppeladler. Noch weiter hinein und die Häuserzeilen entlang aus allen Fenstern, auf allen Wandvorsprüngen, vielen Dächern flatternde Banner, Fahnen und Standarten in den deutschen, den leip¬ ziger, den sächsischen und den Turnerfarben. Rechts und links in die Seiten¬ gassen hinein derselbe Reichthum, auf dem Markt, der Hainstraße, der vornehmen Katharinenstraße, der Petersstraße desgleichen, Fahne an Fahne und Kranz an Kranz. Selbst in die großen Höfe und Durchgänge war die Lust, sich zu schmücke», gedrungen. In einem sahen wir vor den Ladenthüren eine seltsame Art junger Eichen aufgeschossen, die weiße und rothe Georginen als Blüthen trugen, vermuthlich eine Gattung der Familie ^usi'eus, die Gott eigens für das Fest erschaffen. Mehre Häuser zeigten auch fremde Fahnen, so das eidgenössische und das englische Consulat, von denen ersteres zugleich unter dem rothen Panier mit dem weißen Kreuz mit den Wappen sämmtlicher Kantone verziert war. Ebenso

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/213>, abgerufen am 28.07.2024.