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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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lerseife) und Turnerbicrkrüge empfohlen, letztere "zum Umhängen eingerichtet,
damit sie stets bei sich getragen werden können, also sehr praktisch," wie der
Verkäufer rühmte. Ja selbst Turnergcist war zu haben --ein "überaus feines Toi¬
lettenwasser" erläuterte in einem allerdings hochnothwcndigen Zusatz die Annonce.
Der Buchbinder machte aufmerksam, daß er deutsche Reichsadler auf Pappe,
als Wappen vor die Häuser zu hängen, feil habe. Der Schnitthändlcr pries
seine Flaggenstoffe an. Der Opticus erinnerte daran, daß zu genauer Be¬
trachtung des Festzugs von hohen Etagen und zu ausreichender Ueberschau
über die auf dem Festplatz turnenden Riegen eine Verstärkung der Sehkraft
nöthig und daß diese in seinem Laden zu gewinnen sei. Zwischen diesen und
andern Anerbietungen sah man Wappen, Kronen, Buchstaben, Kreuze gebildet
aus dem vierfachen ? der Turnerschaft, Festmedaillen, Festcigarren, Papier¬
laternen, Jlluminirlampen, Kokarden, Alles "zum bevorstehenden Feste" die
Spalten des Tageblattes zieren. Die Zahl der zu vermuthenden "Zimmer
für einen Turner" war Legion. Guirlanden von Tannenreißig und Eichenlaub
wurden zu zwei- und dreitausend, einmal sogar zu zehntausend Ellen ausgebo¬
ten, Turnerhüte zu sechstausend Stück von einer Handlung.

Und immer näher rückten die Tage des großen deutschen Festes. Die Ar¬
beit, welche für dasselbe rüstete, trat in ihren Schöpfungen und Ergebnissen
allmälig auf die Straße. Einzelne Häuser hingen Fahnen heraus, zunächst
weniger als Schmuck, wie als Firma. Die Festausschüsse und die Behörden
bedeckten die Ecken mit Placaten, Programmen und Bekanntmachungen. Wagen
mit Festwein, mit Flaggen geziert, rollten hinaus nach den Kellern der großen
Halle. Ganze Wälder von Eichenlaub, Fichtenzweigen und Buchsbaum wur¬
den auf den dazu bestimmten Plätzen abgeladen. Ueberall ein fröhliches Häm¬
mern und Klopfen, ein Aufstecken von bunten Kokarden, ein Klettern auf Sim¬
sen und Dächern. Die Gassen, die Schenken erfüllt von Colporteuren mit
Flugschriften. Denkmünzen und Turnerzeichen. Vor den Hausthüren wachsen
aus dem dürren Trottoir wunderbare Birkenbäumchen mit Kokarden und Schlei¬
fen als Blüthen. Die Wände, die Erker, die Dachstühle bekleiden sich mit
Guirlanden und Kränzen. Jede Stunde steckt Hunderte von neuen Fahnen,
Bannern und Wimpeln heraus. Unaufhörlich schwillt auf den Straßen und
Plätzen die festliche Erregtheit, steigert sich das Schwärmen der Massen, gestal¬
tet sich bunter und reicher die ganze Physiognomie der Stadt, während die
stille Thätigkeit der Ausschüsse und der übrigen Leiter der Vorbereitungen, un¬
gesehen wie die Schöpferkraft in der aufblühenden Blume, fortfährt, für die
würdige Feier des Festes von Seiten der Gemeinde zu denken und zu sorgen.

Die letzten Bekanntmachungen ergingen. Man einigte sich, daß während
der Festtage die Geschäfte geschlossen sein sollten. Der Magistrat legte in einer
poa Geiste echten Selsgovernements eingegebenen Ansprache "An unsre Mit-


lerseife) und Turnerbicrkrüge empfohlen, letztere „zum Umhängen eingerichtet,
damit sie stets bei sich getragen werden können, also sehr praktisch," wie der
Verkäufer rühmte. Ja selbst Turnergcist war zu haben —ein „überaus feines Toi¬
lettenwasser" erläuterte in einem allerdings hochnothwcndigen Zusatz die Annonce.
Der Buchbinder machte aufmerksam, daß er deutsche Reichsadler auf Pappe,
als Wappen vor die Häuser zu hängen, feil habe. Der Schnitthändlcr pries
seine Flaggenstoffe an. Der Opticus erinnerte daran, daß zu genauer Be¬
trachtung des Festzugs von hohen Etagen und zu ausreichender Ueberschau
über die auf dem Festplatz turnenden Riegen eine Verstärkung der Sehkraft
nöthig und daß diese in seinem Laden zu gewinnen sei. Zwischen diesen und
andern Anerbietungen sah man Wappen, Kronen, Buchstaben, Kreuze gebildet
aus dem vierfachen ? der Turnerschaft, Festmedaillen, Festcigarren, Papier¬
laternen, Jlluminirlampen, Kokarden, Alles „zum bevorstehenden Feste" die
Spalten des Tageblattes zieren. Die Zahl der zu vermuthenden „Zimmer
für einen Turner" war Legion. Guirlanden von Tannenreißig und Eichenlaub
wurden zu zwei- und dreitausend, einmal sogar zu zehntausend Ellen ausgebo¬
ten, Turnerhüte zu sechstausend Stück von einer Handlung.

Und immer näher rückten die Tage des großen deutschen Festes. Die Ar¬
beit, welche für dasselbe rüstete, trat in ihren Schöpfungen und Ergebnissen
allmälig auf die Straße. Einzelne Häuser hingen Fahnen heraus, zunächst
weniger als Schmuck, wie als Firma. Die Festausschüsse und die Behörden
bedeckten die Ecken mit Placaten, Programmen und Bekanntmachungen. Wagen
mit Festwein, mit Flaggen geziert, rollten hinaus nach den Kellern der großen
Halle. Ganze Wälder von Eichenlaub, Fichtenzweigen und Buchsbaum wur¬
den auf den dazu bestimmten Plätzen abgeladen. Ueberall ein fröhliches Häm¬
mern und Klopfen, ein Aufstecken von bunten Kokarden, ein Klettern auf Sim¬
sen und Dächern. Die Gassen, die Schenken erfüllt von Colporteuren mit
Flugschriften. Denkmünzen und Turnerzeichen. Vor den Hausthüren wachsen
aus dem dürren Trottoir wunderbare Birkenbäumchen mit Kokarden und Schlei¬
fen als Blüthen. Die Wände, die Erker, die Dachstühle bekleiden sich mit
Guirlanden und Kränzen. Jede Stunde steckt Hunderte von neuen Fahnen,
Bannern und Wimpeln heraus. Unaufhörlich schwillt auf den Straßen und
Plätzen die festliche Erregtheit, steigert sich das Schwärmen der Massen, gestal¬
tet sich bunter und reicher die ganze Physiognomie der Stadt, während die
stille Thätigkeit der Ausschüsse und der übrigen Leiter der Vorbereitungen, un¬
gesehen wie die Schöpferkraft in der aufblühenden Blume, fortfährt, für die
würdige Feier des Festes von Seiten der Gemeinde zu denken und zu sorgen.

Die letzten Bekanntmachungen ergingen. Man einigte sich, daß während
der Festtage die Geschäfte geschlossen sein sollten. Der Magistrat legte in einer
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/212>, abgerufen am 28.07.2024.