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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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ein Privatsiegel, hatte also keiner Censur unterlegen, sei es, daß er sich ihr
entzogen, sei es, daß sie nicht geübt war. Der betreffende Herr lobt seine
Lage. Die Verköstigung durch die Restauration,des Forts hat drei Sätze von
sechs, vier und drei oder zwei polnischen Gulden und ist preiswürdig. Auch
über ihre Behandlung haben die Herren keine Klage, während Nadwislcmin,
Dziennik, Czas nicht aufhören, solche zu erheben. Es wird eben "drauf los"
geschrieben. Auch im Polizeigefängniß soll es den Polen sehr schlecht gehen.
Nun befinden sich aber in diesem gar keine Politischen Verbrecher. Zuzügler
werden dort nur bis zu ihrer gerichtlichen Vernehmung aufgehoben. Diese
geschieht binnen vierundzwanzig Stunden. Von Ausländern sind drei Männer
da, legitimationslos. bettelnd und vagirend aufgegriffen- ein Franzose, ein
Italiener, ein Russe; sie warten auf Mittel, um abreisen zu können, aber so
viele Polen man auch ihretwegen angeht, keiner will, keiner kann für sie et¬
was thun. Da sie selbst, gastfrei genug, nicht das Haupthaar allein zahllosen
Gästen aus aller Herren Reichen preisgegeben hatten, so mußte ihre Aufnahme
in die gewöhnlichen Arrestlocale verfügt werden. Sie gehören dem Arbeiterstande
an. Sonstige Märtyrer gibt es dort nicht.

Dziennik hat eine Verwarnung echalten. Das ist nichts Besonderes; auf¬
fällig ist, daß sie die erste ist. Daran hat wohl die Vorsicht ihres Verlegers
Schuld, des Herrn Merzbach, eines thätigen und nicht ungeschickten Mannes.
Er ist der einzige Buchhändler unserer Stadt, der sich um einen guten Verlag
bemüht, und mancher beachtenswerthe Beitrag zur Geschichte, Geographie u. s. w.
der Provinz ist unter seinen Auspicien erschienen, auch Manches darüber hinaus,
so die vortreffliche von Hase in Breslau und Bökh öffentlich warm empfohlene
Monographie über Demosthenes aus der Feder unseres Mitbürgers, des
Dr. Haupt von der Realschule. Aber Merzbach hat auch den polnischen Ver¬
lag und einen starken Handel nach Polen. Der hat ihm in neuester Zeit erheb¬
liche Verluste zugezogen; will er nicht größere tragen, so muß er viel hin¬
nehmen, selbst Einmischungen in das Geschäft, Annahme von Lehrlingen. Ar¬
beitern, und so kämpft denn auch seine Besonnenheit vergeblich gegen polnischen
Eifer.

Wenn ich meinen vorletzten Brief mit dem Provinzialturnerfest begonnen
habe, so mag ich heute mit der Erwähnung enden, daß in Rawicz das Pro-
vinzialsängerfest stattgefunden hat und sehr angenehm verlaufen ist.




ein Privatsiegel, hatte also keiner Censur unterlegen, sei es, daß er sich ihr
entzogen, sei es, daß sie nicht geübt war. Der betreffende Herr lobt seine
Lage. Die Verköstigung durch die Restauration,des Forts hat drei Sätze von
sechs, vier und drei oder zwei polnischen Gulden und ist preiswürdig. Auch
über ihre Behandlung haben die Herren keine Klage, während Nadwislcmin,
Dziennik, Czas nicht aufhören, solche zu erheben. Es wird eben „drauf los"
geschrieben. Auch im Polizeigefängniß soll es den Polen sehr schlecht gehen.
Nun befinden sich aber in diesem gar keine Politischen Verbrecher. Zuzügler
werden dort nur bis zu ihrer gerichtlichen Vernehmung aufgehoben. Diese
geschieht binnen vierundzwanzig Stunden. Von Ausländern sind drei Männer
da, legitimationslos. bettelnd und vagirend aufgegriffen- ein Franzose, ein
Italiener, ein Russe; sie warten auf Mittel, um abreisen zu können, aber so
viele Polen man auch ihretwegen angeht, keiner will, keiner kann für sie et¬
was thun. Da sie selbst, gastfrei genug, nicht das Haupthaar allein zahllosen
Gästen aus aller Herren Reichen preisgegeben hatten, so mußte ihre Aufnahme
in die gewöhnlichen Arrestlocale verfügt werden. Sie gehören dem Arbeiterstande
an. Sonstige Märtyrer gibt es dort nicht.

Dziennik hat eine Verwarnung echalten. Das ist nichts Besonderes; auf¬
fällig ist, daß sie die erste ist. Daran hat wohl die Vorsicht ihres Verlegers
Schuld, des Herrn Merzbach, eines thätigen und nicht ungeschickten Mannes.
Er ist der einzige Buchhändler unserer Stadt, der sich um einen guten Verlag
bemüht, und mancher beachtenswerthe Beitrag zur Geschichte, Geographie u. s. w.
der Provinz ist unter seinen Auspicien erschienen, auch Manches darüber hinaus,
so die vortreffliche von Hase in Breslau und Bökh öffentlich warm empfohlene
Monographie über Demosthenes aus der Feder unseres Mitbürgers, des
Dr. Haupt von der Realschule. Aber Merzbach hat auch den polnischen Ver¬
lag und einen starken Handel nach Polen. Der hat ihm in neuester Zeit erheb¬
liche Verluste zugezogen; will er nicht größere tragen, so muß er viel hin¬
nehmen, selbst Einmischungen in das Geschäft, Annahme von Lehrlingen. Ar¬
beitern, und so kämpft denn auch seine Besonnenheit vergeblich gegen polnischen
Eifer.

Wenn ich meinen vorletzten Brief mit dem Provinzialturnerfest begonnen
habe, so mag ich heute mit der Erwähnung enden, daß in Rawicz das Pro-
vinzialsängerfest stattgefunden hat und sehr angenehm verlaufen ist.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/200>, abgerufen am 01.09.2024.