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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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derungen, die er an ihre Politik stellte, war auch in den letzten Lebensjahren
nichts von dem Zaudern und der Vedenklichkeit zu erkennen, welche sich dem
höhern Alter häusig anhängen, und was er für sie wollte und riech, war sehr
entschlossen und energisch. In diesem Sinne darf man mit voller Berechtigung
sagen, daß wir in ihm den erfahrensten Staatsmann der Volkspartei verloren
haben.

Aber nx>es größer wird sein Verlust Allen erscheinen, die das vortreffliche
Gefüge seines Geistes aus eigener Beobachtung kennen gelernt haben. Das
einfache, wahrhafte und sichere Wesen, ein Urtheil, das immer sowohl gerecht
als fest war. in Geschäften die unzerstörbare Energie,-Sicherheit und Frische
eines wohlgeordneten Denkens und Wollens.

Geradsinnig, anspruchslos und doch mit Selbstgefühl trat er Fremden
gegenüber. Wo er vertraute, theilte er sich mit herzlicher Offenheit mit. Vor
Allem was Schein hieß und hohler Anspruch, hatte er eine tiefinnere Ab¬
neigung, und davor konnte er wohl einmal seine milde Heiterkeit verlieren
und kurz' und ungeberdig abweisen. Vorzüglich aus diesem Grunde war ihm
Metternich recht von Herzen zuwider; er hatte mit scharfem Blick die innere
Leerheit dieses Mannes "der kleinen Mittel" erkannt, und er einPfand mit pa¬
triotischem Haß die Schmach, welche auf den deutschen Namen dadurch gebracht
wurde, daß ein so beschränkter Geist sich als Leiter der deutschen Politik durch
ein Menschenalter behaupten konnte. Und diese Wahrhaftigkeit war in ihm
mit einer rücksichtslosen Aufrichtigkeit verbunden, welche da, wo es galt, jede
mildernde Hilfe verschmähte, vorzüglich im Verkehr mit den Großen der Erde,
deren Unglück ist, daß ihnen selbst die Wahrheit fast immer mit vorsichtiger
Schonung versetzt wird. Es fehlt nicht an Anekdoten, welche solche Urtheile
von ihm, die von Angesicht zu Angesicht gesagt wurden, aufbewahren. Die
feste und kühle Weise, womit er in diesen Fällen seine Ueberzeugung den An¬
dern entgegenzusetzen wußte, wirkte in der Regel unwiderstehlich; es war gegen
ihn nichts zu machen, auch der Gegner fügte sich der Überlegenheit und Stärke
seines Geistes.

Das letzte Geheimniß seines Werthes aber und des Einflusses, den er auf
Andere erlangte, lag nicht in der vortrefflichen Grundlage, auf welcher seine
politische Praxis beruhte, nicht in der Feinheit und Schärfe seines Blicks, son¬
dern in seinem Gemüth. Daß er ein guter Mensch war mit einem Herzen
voll Liebe, dabei von einer fröhlichen Lebenskraft, welche Anderen sympathe¬
tisch von der eigenen Wärme mitzutheilen wußte, das machte ihn Allen un¬
entbehrlich, mit denen er in nähere Verbindung gekommen war. Klar und
rein spiegelte sich die Welt in seinem Herzen, alles Gute und Tüchtige erfaßte
er mit herzlicher Freude. Die socialen Leiden eines Volkes, die Gefahren,
welche der Seele eines Fürsten drohen und die Sorgen eines kleinen Hand-


derungen, die er an ihre Politik stellte, war auch in den letzten Lebensjahren
nichts von dem Zaudern und der Vedenklichkeit zu erkennen, welche sich dem
höhern Alter häusig anhängen, und was er für sie wollte und riech, war sehr
entschlossen und energisch. In diesem Sinne darf man mit voller Berechtigung
sagen, daß wir in ihm den erfahrensten Staatsmann der Volkspartei verloren
haben.

Aber nx>es größer wird sein Verlust Allen erscheinen, die das vortreffliche
Gefüge seines Geistes aus eigener Beobachtung kennen gelernt haben. Das
einfache, wahrhafte und sichere Wesen, ein Urtheil, das immer sowohl gerecht
als fest war. in Geschäften die unzerstörbare Energie,-Sicherheit und Frische
eines wohlgeordneten Denkens und Wollens.

Geradsinnig, anspruchslos und doch mit Selbstgefühl trat er Fremden
gegenüber. Wo er vertraute, theilte er sich mit herzlicher Offenheit mit. Vor
Allem was Schein hieß und hohler Anspruch, hatte er eine tiefinnere Ab¬
neigung, und davor konnte er wohl einmal seine milde Heiterkeit verlieren
und kurz' und ungeberdig abweisen. Vorzüglich aus diesem Grunde war ihm
Metternich recht von Herzen zuwider; er hatte mit scharfem Blick die innere
Leerheit dieses Mannes „der kleinen Mittel" erkannt, und er einPfand mit pa¬
triotischem Haß die Schmach, welche auf den deutschen Namen dadurch gebracht
wurde, daß ein so beschränkter Geist sich als Leiter der deutschen Politik durch
ein Menschenalter behaupten konnte. Und diese Wahrhaftigkeit war in ihm
mit einer rücksichtslosen Aufrichtigkeit verbunden, welche da, wo es galt, jede
mildernde Hilfe verschmähte, vorzüglich im Verkehr mit den Großen der Erde,
deren Unglück ist, daß ihnen selbst die Wahrheit fast immer mit vorsichtiger
Schonung versetzt wird. Es fehlt nicht an Anekdoten, welche solche Urtheile
von ihm, die von Angesicht zu Angesicht gesagt wurden, aufbewahren. Die
feste und kühle Weise, womit er in diesen Fällen seine Ueberzeugung den An¬
dern entgegenzusetzen wußte, wirkte in der Regel unwiderstehlich; es war gegen
ihn nichts zu machen, auch der Gegner fügte sich der Überlegenheit und Stärke
seines Geistes.

Das letzte Geheimniß seines Werthes aber und des Einflusses, den er auf
Andere erlangte, lag nicht in der vortrefflichen Grundlage, auf welcher seine
politische Praxis beruhte, nicht in der Feinheit und Schärfe seines Blicks, son¬
dern in seinem Gemüth. Daß er ein guter Mensch war mit einem Herzen
voll Liebe, dabei von einer fröhlichen Lebenskraft, welche Anderen sympathe¬
tisch von der eigenen Wärme mitzutheilen wußte, das machte ihn Allen un¬
entbehrlich, mit denen er in nähere Verbindung gekommen war. Klar und
rein spiegelte sich die Welt in seinem Herzen, alles Gute und Tüchtige erfaßte
er mit herzlicher Freude. Die socialen Leiden eines Volkes, die Gefahren,
welche der Seele eines Fürsten drohen und die Sorgen eines kleinen Hand-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/181>, abgerufen am 01.09.2024.