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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Niger als 1000 Rinder und mehr als 10,000 Schweine und Ziegen zusammen¬
zubringen. Ihre Festgcsandten nach Delphi wählten die Athener aus dem Se¬
nate, und, wie Demosthenes in einer Rede andeutet, wurden sie von den sechs
Archonten, die Thesmotheten hießen, begleitet. Die pythischen Gesandtschaften
müssen sehr zahlreiches Personal gehabt haben; denn Herodot erzählt, daß
allein die Chier einst einen Chor von 100 Jünglingen zum Feste schickten.
Plutarch erwähnt des traurigen Schicksals einer nach Delphi bestimmten pe-
loponnesischen Fcstgesandtschaft, die auf megarischen Gebiete mit Weibern und
Kindern in ihren Wagen am Ufer eines Sees übernachteten und von betrunke¬
nen Megarenscrn mit den Geschirren ins Wasser gestürzt wurden, so daß viele
Personen umkamen. Die AmplMyonen bestraften darauf die Verletzer des
Festfricdens mit Tod und Verbannung. Nachdem die Amphiktyonen die Leitung
der pythischen Spiele an sich genommen hatten, bestellten sie jedes Mal, wie es
scheint, aus ihrer Mitte besondere Administratoren und Kampfrichter. Außer--
dem traf auch die Versammlung der amphiktyonischen Gesandten selbst, die jähr¬
lich zweimal gehalten wurde, mit den Pythien zusammen, wie sich schon aus
einer Stelle des Acschines ergibt, wo es heißt: "In wenigen Tagen werden
die pythischen Spiele gehalten werden und der hellenische Congreß zusammen¬
treten." Natürlich wurde auch in Delphi die Einschreibeliste der Agonisten nur
eine bestimmte Zeit offen gelassen, und Plutarch gedenkt in seinen Tischgesprächen
eines Musikers, der zu spät angelangt und deshalb ausgeschlossen worden war.
Die Wettkämpfe begannen mit dem musischen Theile, als dem ältesten. Voran
ging das Kitharspiel mit Gesang. Schönheit der Stimme neben vollkommener
Beherrschung des Instruments wurde hier gleichmäßig verlangt, und Pausanias
erzählt, daß der berühmte Dichter Hesiod nicht zugelassen wurde, weil er nicht
genug des Kitharspiels kundig war. Dagegen kam es weniger auf den Vortrag
eigener Compositionen an; denn Pausanias sagt von dem Sieger Eleuthcr, daß
er mit starker und wohltönender Stimme einen fremden Gesang vorgetragen
habe. Recht veranschaulicht wird das Auftreten der Kitharöden im Theater
durch eine Erzählung, die sich in der dem Lucian beigelegten Schrift gegen einen
wissenschaftliche Bildung affectircnden Gcldbrvzen findet. Euangclos aus Ta-
rent, einen reichen und einfältigen Mann plagte die Ruhmsucht, und da sein
Körper zu den gymnastischen Künsten untauglich war, so ließ er sich von seinen
Speichelleckern überreden, sein Heil mit der Musik zu versuchen. Da die Barden
in besonderer Kleidung und bekränzt aufzutreten pflegten, so ließ er sich einen
goldenen Lorbeerkranz mit Smaragdbeercn fertigen und betrat das' Theater zu
Delphi, eine Laute von reinem Golde und mit Edelsteinen besetzt in der
Linken, mit goldgestickten Purpurgewande, nicht geringe Erwartung bei den
Zuschauern erweckend. Zwei Mitbewerber waren vorhanden, und das Loos wies
ihm die zweite Stelle 'an. Thcspis aus Theben erntete Beifall. Als-aber


Niger als 1000 Rinder und mehr als 10,000 Schweine und Ziegen zusammen¬
zubringen. Ihre Festgcsandten nach Delphi wählten die Athener aus dem Se¬
nate, und, wie Demosthenes in einer Rede andeutet, wurden sie von den sechs
Archonten, die Thesmotheten hießen, begleitet. Die pythischen Gesandtschaften
müssen sehr zahlreiches Personal gehabt haben; denn Herodot erzählt, daß
allein die Chier einst einen Chor von 100 Jünglingen zum Feste schickten.
Plutarch erwähnt des traurigen Schicksals einer nach Delphi bestimmten pe-
loponnesischen Fcstgesandtschaft, die auf megarischen Gebiete mit Weibern und
Kindern in ihren Wagen am Ufer eines Sees übernachteten und von betrunke¬
nen Megarenscrn mit den Geschirren ins Wasser gestürzt wurden, so daß viele
Personen umkamen. Die AmplMyonen bestraften darauf die Verletzer des
Festfricdens mit Tod und Verbannung. Nachdem die Amphiktyonen die Leitung
der pythischen Spiele an sich genommen hatten, bestellten sie jedes Mal, wie es
scheint, aus ihrer Mitte besondere Administratoren und Kampfrichter. Außer--
dem traf auch die Versammlung der amphiktyonischen Gesandten selbst, die jähr¬
lich zweimal gehalten wurde, mit den Pythien zusammen, wie sich schon aus
einer Stelle des Acschines ergibt, wo es heißt: „In wenigen Tagen werden
die pythischen Spiele gehalten werden und der hellenische Congreß zusammen¬
treten." Natürlich wurde auch in Delphi die Einschreibeliste der Agonisten nur
eine bestimmte Zeit offen gelassen, und Plutarch gedenkt in seinen Tischgesprächen
eines Musikers, der zu spät angelangt und deshalb ausgeschlossen worden war.
Die Wettkämpfe begannen mit dem musischen Theile, als dem ältesten. Voran
ging das Kitharspiel mit Gesang. Schönheit der Stimme neben vollkommener
Beherrschung des Instruments wurde hier gleichmäßig verlangt, und Pausanias
erzählt, daß der berühmte Dichter Hesiod nicht zugelassen wurde, weil er nicht
genug des Kitharspiels kundig war. Dagegen kam es weniger auf den Vortrag
eigener Compositionen an; denn Pausanias sagt von dem Sieger Eleuthcr, daß
er mit starker und wohltönender Stimme einen fremden Gesang vorgetragen
habe. Recht veranschaulicht wird das Auftreten der Kitharöden im Theater
durch eine Erzählung, die sich in der dem Lucian beigelegten Schrift gegen einen
wissenschaftliche Bildung affectircnden Gcldbrvzen findet. Euangclos aus Ta-
rent, einen reichen und einfältigen Mann plagte die Ruhmsucht, und da sein
Körper zu den gymnastischen Künsten untauglich war, so ließ er sich von seinen
Speichelleckern überreden, sein Heil mit der Musik zu versuchen. Da die Barden
in besonderer Kleidung und bekränzt aufzutreten pflegten, so ließ er sich einen
goldenen Lorbeerkranz mit Smaragdbeercn fertigen und betrat das' Theater zu
Delphi, eine Laute von reinem Golde und mit Edelsteinen besetzt in der
Linken, mit goldgestickten Purpurgewande, nicht geringe Erwartung bei den
Zuschauern erweckend. Zwei Mitbewerber waren vorhanden, und das Loos wies
ihm die zweite Stelle 'an. Thcspis aus Theben erntete Beifall. Als-aber


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[0151] Niger als 1000 Rinder und mehr als 10,000 Schweine und Ziegen zusammen¬ zubringen. Ihre Festgcsandten nach Delphi wählten die Athener aus dem Se¬ nate, und, wie Demosthenes in einer Rede andeutet, wurden sie von den sechs Archonten, die Thesmotheten hießen, begleitet. Die pythischen Gesandtschaften müssen sehr zahlreiches Personal gehabt haben; denn Herodot erzählt, daß allein die Chier einst einen Chor von 100 Jünglingen zum Feste schickten. Plutarch erwähnt des traurigen Schicksals einer nach Delphi bestimmten pe- loponnesischen Fcstgesandtschaft, die auf megarischen Gebiete mit Weibern und Kindern in ihren Wagen am Ufer eines Sees übernachteten und von betrunke¬ nen Megarenscrn mit den Geschirren ins Wasser gestürzt wurden, so daß viele Personen umkamen. Die AmplMyonen bestraften darauf die Verletzer des Festfricdens mit Tod und Verbannung. Nachdem die Amphiktyonen die Leitung der pythischen Spiele an sich genommen hatten, bestellten sie jedes Mal, wie es scheint, aus ihrer Mitte besondere Administratoren und Kampfrichter. Außer-- dem traf auch die Versammlung der amphiktyonischen Gesandten selbst, die jähr¬ lich zweimal gehalten wurde, mit den Pythien zusammen, wie sich schon aus einer Stelle des Acschines ergibt, wo es heißt: „In wenigen Tagen werden die pythischen Spiele gehalten werden und der hellenische Congreß zusammen¬ treten." Natürlich wurde auch in Delphi die Einschreibeliste der Agonisten nur eine bestimmte Zeit offen gelassen, und Plutarch gedenkt in seinen Tischgesprächen eines Musikers, der zu spät angelangt und deshalb ausgeschlossen worden war. Die Wettkämpfe begannen mit dem musischen Theile, als dem ältesten. Voran ging das Kitharspiel mit Gesang. Schönheit der Stimme neben vollkommener Beherrschung des Instruments wurde hier gleichmäßig verlangt, und Pausanias erzählt, daß der berühmte Dichter Hesiod nicht zugelassen wurde, weil er nicht genug des Kitharspiels kundig war. Dagegen kam es weniger auf den Vortrag eigener Compositionen an; denn Pausanias sagt von dem Sieger Eleuthcr, daß er mit starker und wohltönender Stimme einen fremden Gesang vorgetragen habe. Recht veranschaulicht wird das Auftreten der Kitharöden im Theater durch eine Erzählung, die sich in der dem Lucian beigelegten Schrift gegen einen wissenschaftliche Bildung affectircnden Gcldbrvzen findet. Euangclos aus Ta- rent, einen reichen und einfältigen Mann plagte die Ruhmsucht, und da sein Körper zu den gymnastischen Künsten untauglich war, so ließ er sich von seinen Speichelleckern überreden, sein Heil mit der Musik zu versuchen. Da die Barden in besonderer Kleidung und bekränzt aufzutreten pflegten, so ließ er sich einen goldenen Lorbeerkranz mit Smaragdbeercn fertigen und betrat das' Theater zu Delphi, eine Laute von reinem Golde und mit Edelsteinen besetzt in der Linken, mit goldgestickten Purpurgewande, nicht geringe Erwartung bei den Zuschauern erweckend. Zwei Mitbewerber waren vorhanden, und das Loos wies ihm die zweite Stelle 'an. Thcspis aus Theben erntete Beifall. Als-aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/151>, abgerufen am 22.12.2024.