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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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gewachsene Rosse, achtmal,' wenn Füllen den Wagen zogen. Am Ende der
Bahn genügte endlich der geringste Vorsprung, um den Sieg zu entscheiden.
Befremdlich aber bei dem Wagenrennen und dem Principe der gymnischcn
Agonen geradezu widersprechend, doch ganz mit der Sitte des modernen Sports
harmonirend ist es, daß nicht die Wagenlenker, sondern die Besitzer der Ge¬
spanne den Kranz erhielten und als Sieger gefeiert wurden. Pindar hebt es
in der ersten isthmischen Ode als außergewöhnlich hervor, daß Herodot von
Theben selbst seine Rosse gelenkt: "Nun ich dem Herodotos ausruhte den Dank
zu des Viergespanns Ruhm, weil er mit Fremdlings Händen nicht der Rosse
Zügel gelenkt." Als daher 698 v. Chr. die Spartaner nicht an den olym¬
pischen Spielen Theil nehmen durften und der Spartaner Lichas deshalb sein
Gespann für ein der Stadt Theben gehöriges ausgegeben hatte, aber, als sein
Wagenlenker siegte und Theben als Siegerin ausgerufen wurde, sich so weit
vergaß, daß er hinabstieg und seinen Jokey mit der zum Kranze gehörenden
Binde bekränzte, so ließen ihn die Hellanodiken mit Ruthen aufpeitschen. So
kam es denn, daß auch Abwesende siegen konnten, wie bei mehren der oben
genannten Könige erwiesen ist. Ja selbst Frauen gewannen den Kranz, wenn
sie Wagen und Kutscher gesendet hatten. Die berühmteste Siegerin ist Kyniska,
die Schwester des Agesilaos und von diesem selbst dazu veranlaßt. Außer ihr
wird von Pausanias noch Belistiche, eine Macedvnierin und Curyleonis, eine
Spartanerin, erwähnt. Aus Dankbarkeit ließen gewöhnlich die Sieger neben
ihrer Statue auch die des siegenden Wagenlenkers aufstellen. Auch Kaiser Nero
lenkte bei den olympischen Spielen persönlich sein Zehngespann, warf dabei
um, wurde wieder hineingchobcn, mußte endlich vom Wettkampfe abstehen,
wurde aber doch als Sieger bekränzt. Die Hellanodiken erhielten von ihm
dafür ein Geschenk von 200,000 Sestertien (ca. 13,000 Thlr.); leider nahm es.
ihnen der Kaiser Galba wieder ab!

Dem Wagenrennen sehr ähnlich war das Wettreiten, das bereits in der drei-
unddrcißigstcn Olympiade eingeführt worden war. Beinahe vierhundert Jahre spä¬
ter begann der Schnellritt auf Fohlen. Auch Knaben durften sich beim Rennen zu
Pferde betheiligen. Eine Zeit lang bestand eine eigene Art des Kampfs, die auf
Stuten ausgeführt wurde, und bei welcher die Reiter zu Anfang des letzten Uin-
ritts absprangen, das Pferd am Zügel nahmen und zu Fuß dem Ziele zueilten.
Mehre Renner haben sich bei den Nationalfesten der Hellenen unsterblichen Ruhm
erworben. Von Hierons Siegesroß Phercnikos singt Pindar: "Wohlan, die do¬
rische Harfe nimm von der Wand ob des Ruhms des Phcrenikos, des edelsten Ren¬
ners, den Geist in wonniges Sinnen versenkt. Wie er dahinbraust dort am
Alpheios, ohne stachelnden Sporn, die schöne Gestalt, seinen Herrn zum Siege
tragend." Der Korinther Pheidolas hatte zwei Rosse, Lydos und Aura. Jenes
siegte zweimal in Olympia und einmal auf dem Isthmus. Aura warf einst


gewachsene Rosse, achtmal,' wenn Füllen den Wagen zogen. Am Ende der
Bahn genügte endlich der geringste Vorsprung, um den Sieg zu entscheiden.
Befremdlich aber bei dem Wagenrennen und dem Principe der gymnischcn
Agonen geradezu widersprechend, doch ganz mit der Sitte des modernen Sports
harmonirend ist es, daß nicht die Wagenlenker, sondern die Besitzer der Ge¬
spanne den Kranz erhielten und als Sieger gefeiert wurden. Pindar hebt es
in der ersten isthmischen Ode als außergewöhnlich hervor, daß Herodot von
Theben selbst seine Rosse gelenkt: „Nun ich dem Herodotos ausruhte den Dank
zu des Viergespanns Ruhm, weil er mit Fremdlings Händen nicht der Rosse
Zügel gelenkt." Als daher 698 v. Chr. die Spartaner nicht an den olym¬
pischen Spielen Theil nehmen durften und der Spartaner Lichas deshalb sein
Gespann für ein der Stadt Theben gehöriges ausgegeben hatte, aber, als sein
Wagenlenker siegte und Theben als Siegerin ausgerufen wurde, sich so weit
vergaß, daß er hinabstieg und seinen Jokey mit der zum Kranze gehörenden
Binde bekränzte, so ließen ihn die Hellanodiken mit Ruthen aufpeitschen. So
kam es denn, daß auch Abwesende siegen konnten, wie bei mehren der oben
genannten Könige erwiesen ist. Ja selbst Frauen gewannen den Kranz, wenn
sie Wagen und Kutscher gesendet hatten. Die berühmteste Siegerin ist Kyniska,
die Schwester des Agesilaos und von diesem selbst dazu veranlaßt. Außer ihr
wird von Pausanias noch Belistiche, eine Macedvnierin und Curyleonis, eine
Spartanerin, erwähnt. Aus Dankbarkeit ließen gewöhnlich die Sieger neben
ihrer Statue auch die des siegenden Wagenlenkers aufstellen. Auch Kaiser Nero
lenkte bei den olympischen Spielen persönlich sein Zehngespann, warf dabei
um, wurde wieder hineingchobcn, mußte endlich vom Wettkampfe abstehen,
wurde aber doch als Sieger bekränzt. Die Hellanodiken erhielten von ihm
dafür ein Geschenk von 200,000 Sestertien (ca. 13,000 Thlr.); leider nahm es.
ihnen der Kaiser Galba wieder ab!

Dem Wagenrennen sehr ähnlich war das Wettreiten, das bereits in der drei-
unddrcißigstcn Olympiade eingeführt worden war. Beinahe vierhundert Jahre spä¬
ter begann der Schnellritt auf Fohlen. Auch Knaben durften sich beim Rennen zu
Pferde betheiligen. Eine Zeit lang bestand eine eigene Art des Kampfs, die auf
Stuten ausgeführt wurde, und bei welcher die Reiter zu Anfang des letzten Uin-
ritts absprangen, das Pferd am Zügel nahmen und zu Fuß dem Ziele zueilten.
Mehre Renner haben sich bei den Nationalfesten der Hellenen unsterblichen Ruhm
erworben. Von Hierons Siegesroß Phercnikos singt Pindar: „Wohlan, die do¬
rische Harfe nimm von der Wand ob des Ruhms des Phcrenikos, des edelsten Ren¬
ners, den Geist in wonniges Sinnen versenkt. Wie er dahinbraust dort am
Alpheios, ohne stachelnden Sporn, die schöne Gestalt, seinen Herrn zum Siege
tragend." Der Korinther Pheidolas hatte zwei Rosse, Lydos und Aura. Jenes
siegte zweimal in Olympia und einmal auf dem Isthmus. Aura warf einst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/144>, abgerufen am 22.12.2024.