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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Jahres 1813 für nichts geachtet. "Es gilt keiner Parteisache, es gilt einer
ernsten, erhabenen, durch Jahreszeit und Oertlichkeit begünstigten Feier, einer
Feier, wie kein Land je gesehen, wie sie in keinem Liede besungen." Auch des
Großherzogs ward wiederum rühmend gedacht: "Unser Festprogramm zeigt,
daß Se. K. H. der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin durch wahrhaft
fürstliche Huld und Leutseligkeit dem Vorhaben einer National-Körnerfner
entgegengekommen ist, welche die freieste Bewegung gestattet." -- Die deutschen
Zeitungen wurden aufgefordert, diesem Ausruf die weiteste Verbreitung zu
geben.

So war denn der Plan und das Programm der National-Körncrfeier von
den Herren I. S. Meyer und Hertzog in Hamburg zum kalt aceomM erhoben,
und an Deutschland war es jetzt nur, seine Zustimmung zu ertheilen und sich zur
Theilnahme zu melden. Auf den Gedanken, vor Feststellung des Programms
auch noch Männer aus andern Theilen Deutschlands für das Unternehmen zu
gewinnen und ihnen eine Einwirkung auf die Ausführung zu gestatten, scheinen
die beiden Hamburger Herren gar nicht verfallen zu sein. Sie gaben dem ab¬
gekürzten Verfahren den Vorzug und citirten unbedenklich die ganze deutsche
Nation zum 26. August nach Wöbbelin, um hier das octroyirte phantastische
Programm, bei welchem nicht einmal für eine Festrede Raum gelassen war, in
Vollzug zu setzen.

Die deutsche Nation schien sich aber nicht so rasch anschicken zu wollen,
der Aufforderung einiger ihr unbekannter Personen in Hamburg Folge zu leisten,
und in Hamburg selbst, wo -man nicht einen einzigen Mann aufzutreiben ver¬
mocht hatte, welcher dem Unternehmen die Unterstützung eines Namens von
gutem nationalen Klänge geliehen hätte, stieß dasselbe, so wie es eingeleitet
war, gleich im Beginn bei der dortigen liberalen Partei sogar auf sehr ent¬
schiedenen Widerspruch. Ein dortiges liberales Blatt, "Das neue Hamburg",
äußerte sich schon am 21. April über das Vorhaben, nachdem es dessen Pro-
tectoren kurz charaktensirt hatte, mit folgendem Vcrwerfungsurtheil: "Wir
hoffen, daß von hier aus über den Sachverhalt nach allen Theilen Deutsch¬
lands genügende Auskunft gelangen werde, um das Spectakelstück zu hinter¬
treiben, dessen Vorbereitungen im Stile eines Volksfestes im Biergartcn be¬
trieben werden, und das ebenso unwürdig des deutschen Volks wie des
deutschen Dichters zu werden drohet."

Um dieselbe Zeit stieß aber auch das Unternehmen in Mecklenburg selbst
bei der herrschenden politischen Partei auf mancherlei Bedenken, die um so
unverhüllter hervortraten, als man anfangs darüber nicht ganz im Klaren war,
wie weit die Zusicherungen gingen, welche der Großherzog den beiden Ham¬
burgern ertheilt hatte. Das ministerielle Blatt, der "norddeutsche Korrespon¬
dent", eignete sich aus einer preußischen reactionären Zeitung eine Charakteristik


Jahres 1813 für nichts geachtet. „Es gilt keiner Parteisache, es gilt einer
ernsten, erhabenen, durch Jahreszeit und Oertlichkeit begünstigten Feier, einer
Feier, wie kein Land je gesehen, wie sie in keinem Liede besungen." Auch des
Großherzogs ward wiederum rühmend gedacht: „Unser Festprogramm zeigt,
daß Se. K. H. der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin durch wahrhaft
fürstliche Huld und Leutseligkeit dem Vorhaben einer National-Körnerfner
entgegengekommen ist, welche die freieste Bewegung gestattet." — Die deutschen
Zeitungen wurden aufgefordert, diesem Ausruf die weiteste Verbreitung zu
geben.

So war denn der Plan und das Programm der National-Körncrfeier von
den Herren I. S. Meyer und Hertzog in Hamburg zum kalt aceomM erhoben,
und an Deutschland war es jetzt nur, seine Zustimmung zu ertheilen und sich zur
Theilnahme zu melden. Auf den Gedanken, vor Feststellung des Programms
auch noch Männer aus andern Theilen Deutschlands für das Unternehmen zu
gewinnen und ihnen eine Einwirkung auf die Ausführung zu gestatten, scheinen
die beiden Hamburger Herren gar nicht verfallen zu sein. Sie gaben dem ab¬
gekürzten Verfahren den Vorzug und citirten unbedenklich die ganze deutsche
Nation zum 26. August nach Wöbbelin, um hier das octroyirte phantastische
Programm, bei welchem nicht einmal für eine Festrede Raum gelassen war, in
Vollzug zu setzen.

Die deutsche Nation schien sich aber nicht so rasch anschicken zu wollen,
der Aufforderung einiger ihr unbekannter Personen in Hamburg Folge zu leisten,
und in Hamburg selbst, wo -man nicht einen einzigen Mann aufzutreiben ver¬
mocht hatte, welcher dem Unternehmen die Unterstützung eines Namens von
gutem nationalen Klänge geliehen hätte, stieß dasselbe, so wie es eingeleitet
war, gleich im Beginn bei der dortigen liberalen Partei sogar auf sehr ent¬
schiedenen Widerspruch. Ein dortiges liberales Blatt, „Das neue Hamburg",
äußerte sich schon am 21. April über das Vorhaben, nachdem es dessen Pro-
tectoren kurz charaktensirt hatte, mit folgendem Vcrwerfungsurtheil: „Wir
hoffen, daß von hier aus über den Sachverhalt nach allen Theilen Deutsch¬
lands genügende Auskunft gelangen werde, um das Spectakelstück zu hinter¬
treiben, dessen Vorbereitungen im Stile eines Volksfestes im Biergartcn be¬
trieben werden, und das ebenso unwürdig des deutschen Volks wie des
deutschen Dichters zu werden drohet."

Um dieselbe Zeit stieß aber auch das Unternehmen in Mecklenburg selbst
bei der herrschenden politischen Partei auf mancherlei Bedenken, die um so
unverhüllter hervortraten, als man anfangs darüber nicht ganz im Klaren war,
wie weit die Zusicherungen gingen, welche der Großherzog den beiden Ham¬
burgern ertheilt hatte. Das ministerielle Blatt, der „norddeutsche Korrespon¬
dent", eignete sich aus einer preußischen reactionären Zeitung eine Charakteristik


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/106>, abgerufen am 22.12.2024.