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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Eine Erklärung für diese Zurückhaltung und anscheinende Apathie wird
man schon gewinnen, wenn man berücksichtigt, auf welche Weise das Unter¬
nehmen eingeleitet und in Scene gesetzt worden ist.

Schon vor längerer Zeit waren von dem Männerturnverein zu Ludwigs¬
lust, einem an der Berlin-Hamburger Bahn belegenen Domanialflecken, eine
Meile von Wöbbelin entfernt, Einleitungen getroffen, um am 26. Aug. d. I.
eine Trauerfeier am Grabe Körners zu veranstalten. Es war zu diesem Zweck
ein Ausschuß niedergesetzt, der mit den Turm- und Sängervereinen einiger be¬
nachbarter Städte Verbindungen anknüpfte. Es war dabei nur auf eine Feier
in kleinerem Maßstabe und auf eine Betheiligung der in dem Umkreise einiger
Meilen liegenden Städte abgesehen.

Da erschienen plötzlich, am Is. April d. I., in der großherzoglichen Re¬
sidenzstadt Schwerin zwei Hamburger, Buchhändler I. S. Meyer und Dr. Carl
Hertzog. und suchten als Beauftragte eines in der Bildung begriffenen Comites
für eine deutsche Nationalfeier am Grabe Körners eine Audienz bei dem Gro߬
herzog nach, um dessen Sympathie für eine solche Feier zu erwecken. Die
Audienz, welche ihnen gewährt ward, lieferte ein sehr befriedigendes Resultat,
und sie beriefen nun. nach Hamburg zurückgekehrt, dort zum 19. April eine
Versammlung, welcher sie einen umständlichen Bericht über die vom Großherzog
bewiesene "Leutseligkeit" und über den Zweck ihres Unternehmens vorlegten.
Obgleich die aus etwa hundert Personen bestehende Versammlung mit der loyal-
monarchischen Tendenz des Berichts nicht wohl einverstanden war, so hinderte
dies doch nicht die Bestellung eines "deutschen Centralausschusses für die Körner¬
feier", zu dessen neun Mitgliedern natürlich auch die Herren I. S. Meyer und
Dr. Hertzog gehörten. In dieser Versammlung ward auch schon ein Programm
der Feier vorgelegt: Versammlung der Festtheilnehmer in Ludwigslust, gemein¬
samer Zug von da nach dem Grabe Körners. Sckmückung des Grabes mit
Kränzen, deren Zahl auf 4000 veranschlagt ward, Ausstellung einer Urne zur
Aufnahme von milden Gaben für die wöbbeliner Armen und für hilfsbedürftige
Lützower, Gesang, Rückkehr nach Ludwigslust. Jeder Festtheilnehmer zahlt
einen Thaler. Dafür erhält er ein Festprogramm, eine Festkarte mit seinem
Namen, eine Schleife und eine silberne Denkmünze, später ein Album mit den
Namen der Festtheilnehmer und den bei den Gaben in der Urne sich vorfin¬
denden Devisen. Der Ueberschuß der Beiträge sollte zu einem Denkmal für
Körner verwandt werden.

Am 23. April erließ der so constituirte Centralausschuß für die National-
Körnerfeier einen Aufruf zur Betheiligung an die deutsche Nation, der an
phrasenhafter Ueberschwenglichkeit seines Gleichen sucht. "Seinem Tode, seinen
Liedern verdankt Deutschlands Genius die Rettung -- ein neuverjüngtes Da¬
sein." So werden neben Körner alle anderen tapfern deutschen Männer des


Grenzboten III. 1863. 13

Eine Erklärung für diese Zurückhaltung und anscheinende Apathie wird
man schon gewinnen, wenn man berücksichtigt, auf welche Weise das Unter¬
nehmen eingeleitet und in Scene gesetzt worden ist.

Schon vor längerer Zeit waren von dem Männerturnverein zu Ludwigs¬
lust, einem an der Berlin-Hamburger Bahn belegenen Domanialflecken, eine
Meile von Wöbbelin entfernt, Einleitungen getroffen, um am 26. Aug. d. I.
eine Trauerfeier am Grabe Körners zu veranstalten. Es war zu diesem Zweck
ein Ausschuß niedergesetzt, der mit den Turm- und Sängervereinen einiger be¬
nachbarter Städte Verbindungen anknüpfte. Es war dabei nur auf eine Feier
in kleinerem Maßstabe und auf eine Betheiligung der in dem Umkreise einiger
Meilen liegenden Städte abgesehen.

Da erschienen plötzlich, am Is. April d. I., in der großherzoglichen Re¬
sidenzstadt Schwerin zwei Hamburger, Buchhändler I. S. Meyer und Dr. Carl
Hertzog. und suchten als Beauftragte eines in der Bildung begriffenen Comites
für eine deutsche Nationalfeier am Grabe Körners eine Audienz bei dem Gro߬
herzog nach, um dessen Sympathie für eine solche Feier zu erwecken. Die
Audienz, welche ihnen gewährt ward, lieferte ein sehr befriedigendes Resultat,
und sie beriefen nun. nach Hamburg zurückgekehrt, dort zum 19. April eine
Versammlung, welcher sie einen umständlichen Bericht über die vom Großherzog
bewiesene „Leutseligkeit" und über den Zweck ihres Unternehmens vorlegten.
Obgleich die aus etwa hundert Personen bestehende Versammlung mit der loyal-
monarchischen Tendenz des Berichts nicht wohl einverstanden war, so hinderte
dies doch nicht die Bestellung eines „deutschen Centralausschusses für die Körner¬
feier", zu dessen neun Mitgliedern natürlich auch die Herren I. S. Meyer und
Dr. Hertzog gehörten. In dieser Versammlung ward auch schon ein Programm
der Feier vorgelegt: Versammlung der Festtheilnehmer in Ludwigslust, gemein¬
samer Zug von da nach dem Grabe Körners. Sckmückung des Grabes mit
Kränzen, deren Zahl auf 4000 veranschlagt ward, Ausstellung einer Urne zur
Aufnahme von milden Gaben für die wöbbeliner Armen und für hilfsbedürftige
Lützower, Gesang, Rückkehr nach Ludwigslust. Jeder Festtheilnehmer zahlt
einen Thaler. Dafür erhält er ein Festprogramm, eine Festkarte mit seinem
Namen, eine Schleife und eine silberne Denkmünze, später ein Album mit den
Namen der Festtheilnehmer und den bei den Gaben in der Urne sich vorfin¬
denden Devisen. Der Ueberschuß der Beiträge sollte zu einem Denkmal für
Körner verwandt werden.

Am 23. April erließ der so constituirte Centralausschuß für die National-
Körnerfeier einen Aufruf zur Betheiligung an die deutsche Nation, der an
phrasenhafter Ueberschwenglichkeit seines Gleichen sucht. „Seinem Tode, seinen
Liedern verdankt Deutschlands Genius die Rettung — ein neuverjüngtes Da¬
sein." So werden neben Körner alle anderen tapfern deutschen Männer des


Grenzboten III. 1863. 13
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[0105] Eine Erklärung für diese Zurückhaltung und anscheinende Apathie wird man schon gewinnen, wenn man berücksichtigt, auf welche Weise das Unter¬ nehmen eingeleitet und in Scene gesetzt worden ist. Schon vor längerer Zeit waren von dem Männerturnverein zu Ludwigs¬ lust, einem an der Berlin-Hamburger Bahn belegenen Domanialflecken, eine Meile von Wöbbelin entfernt, Einleitungen getroffen, um am 26. Aug. d. I. eine Trauerfeier am Grabe Körners zu veranstalten. Es war zu diesem Zweck ein Ausschuß niedergesetzt, der mit den Turm- und Sängervereinen einiger be¬ nachbarter Städte Verbindungen anknüpfte. Es war dabei nur auf eine Feier in kleinerem Maßstabe und auf eine Betheiligung der in dem Umkreise einiger Meilen liegenden Städte abgesehen. Da erschienen plötzlich, am Is. April d. I., in der großherzoglichen Re¬ sidenzstadt Schwerin zwei Hamburger, Buchhändler I. S. Meyer und Dr. Carl Hertzog. und suchten als Beauftragte eines in der Bildung begriffenen Comites für eine deutsche Nationalfeier am Grabe Körners eine Audienz bei dem Gro߬ herzog nach, um dessen Sympathie für eine solche Feier zu erwecken. Die Audienz, welche ihnen gewährt ward, lieferte ein sehr befriedigendes Resultat, und sie beriefen nun. nach Hamburg zurückgekehrt, dort zum 19. April eine Versammlung, welcher sie einen umständlichen Bericht über die vom Großherzog bewiesene „Leutseligkeit" und über den Zweck ihres Unternehmens vorlegten. Obgleich die aus etwa hundert Personen bestehende Versammlung mit der loyal- monarchischen Tendenz des Berichts nicht wohl einverstanden war, so hinderte dies doch nicht die Bestellung eines „deutschen Centralausschusses für die Körner¬ feier", zu dessen neun Mitgliedern natürlich auch die Herren I. S. Meyer und Dr. Hertzog gehörten. In dieser Versammlung ward auch schon ein Programm der Feier vorgelegt: Versammlung der Festtheilnehmer in Ludwigslust, gemein¬ samer Zug von da nach dem Grabe Körners. Sckmückung des Grabes mit Kränzen, deren Zahl auf 4000 veranschlagt ward, Ausstellung einer Urne zur Aufnahme von milden Gaben für die wöbbeliner Armen und für hilfsbedürftige Lützower, Gesang, Rückkehr nach Ludwigslust. Jeder Festtheilnehmer zahlt einen Thaler. Dafür erhält er ein Festprogramm, eine Festkarte mit seinem Namen, eine Schleife und eine silberne Denkmünze, später ein Album mit den Namen der Festtheilnehmer und den bei den Gaben in der Urne sich vorfin¬ denden Devisen. Der Ueberschuß der Beiträge sollte zu einem Denkmal für Körner verwandt werden. Am 23. April erließ der so constituirte Centralausschuß für die National- Körnerfeier einen Aufruf zur Betheiligung an die deutsche Nation, der an phrasenhafter Ueberschwenglichkeit seines Gleichen sucht. „Seinem Tode, seinen Liedern verdankt Deutschlands Genius die Rettung — ein neuverjüngtes Da¬ sein." So werden neben Körner alle anderen tapfern deutschen Männer des Grenzboten III. 1863. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/105>, abgerufen am 01.09.2024.