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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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energischen Anstalten zu einer eigentlichen Belagerung. Die Stimmung gegen
Sherman war eine sehr ungünstige, als der Verfasser in einer Mission des
Staates New-Uork, welcher ein bedeutendes Contingent zu der Expedition ge¬
stellt hatte, die Stationen an der Küste Südcarolina's und Georgia's besuchte.
Der Andrang zur Beförderung dahin war wegen der neuen Verstärkungen,
welche General Sherman verlangt hatte, so stark, daß ich mehre Tage warten
mußte, ehe mich eins der Negierungsschisfe aufnehmen konnte, bis es mir ge¬
lang, in dem kleinen Schraubendampfer Matanzas, welcher früher zwischen
New-Uork und Matanzas fuhr, jetzt aber von der Regierung, wie unzählige
andre, für 700 Dollars per Tag gemiethet worden war, einen Platz zu erlangen.
-- Am Morgen der Abfahrt wogte auf dem Dock ein malerisch buntes Treiben.
In-hastiger Jagd wirbelten mitten durch das Menschengewühl beladene Wagen,
welche ihre Lasten abwarfen und dann ebenso schnell wieder verschwanden, um
andern Platz zu machen; Alles mit einer Eile und einer haarsträubenden Ge-
schicklichkeit, wie sie, glaube ich, nur den Wagcnlenkern von New-Uork eigen ist.
Dazwischen tönten die quälenden Stimmen der Zeitungsjungen, der anpreisende
Ruf der Orangen- und Kuchcnverläüfer, das Singen der Soldaten, welche sich
den Abschied durch eine etwas erhöhte Stimmung zu erleichtern gesucht hatten,
das Schluchzen der Weiber, deren Gatten oder Geliebte in den fernen Kampf
zogen, das Commando der Offiziere und Schiffsbeamten, welche sich vergebens
in dem Gewühl verständlich machen wollten; kurz es war ein Wirrwarr, ein
Drängen und Stoßen, Zerren und Schieben, das selbst für einen New-Uorker zu
stark wurde und ich war froh, als ich mein Asyl in der Kajüte aufgesunden
hatte, um daselbst in Ruhe und Gemüthlichkeit mit einigen Freunden einen
Abschiedstrunk zu thun, in der Voraussicht, den Comfort New-Uorks für ge¬
raume Zeit mit den Entbehrungen und Strapatzen des Kriegslebens zu ver¬
tauschen. Die Kajüte fing an sich zu füllen, der Lärm auf Deck und am
Lande nahm ab, Taue knarrten, die Ventile räusperten sich zum Ab-
schiedspsiff. Endlich ertönt das Signalwort "g.11 on lioarä"; jeder, der nicht
mit wollte, beeilte sich ans Land zu kommen; die Brücken sielen, und die Matanzas
bewegte sich erst langsam und schwerfällig in den Strom, dann gewandt und
anmuthig wie ein Aal die herrliche Bai von New-Uork hinunter nach der
See zu.

Bei sehr schönem Wetter gings an dem lieblichen staken-Jsland, den Forts
Lafayette und Hamilton vorbei nach Sandy-Hook, dem äußersten Punkte des
Landarmes, welcher die Bai von New-Uork nach Südosten begrenzt. Da es
noch im Februar und empfindlich kalt war, zogen wir uns bald in die Kajüte
zurück, um zu rauchen, die letzten Zeitungen zu lesen, zu gähnen und uns unter
den Elementen der Gesellschaft zu orientiren. Diese bestand meistens aus
Offizieren sehr jugendlichen Alters/ welche zu ihren Regimentern zurückkehrten,


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energischen Anstalten zu einer eigentlichen Belagerung. Die Stimmung gegen
Sherman war eine sehr ungünstige, als der Verfasser in einer Mission des
Staates New-Uork, welcher ein bedeutendes Contingent zu der Expedition ge¬
stellt hatte, die Stationen an der Küste Südcarolina's und Georgia's besuchte.
Der Andrang zur Beförderung dahin war wegen der neuen Verstärkungen,
welche General Sherman verlangt hatte, so stark, daß ich mehre Tage warten
mußte, ehe mich eins der Negierungsschisfe aufnehmen konnte, bis es mir ge¬
lang, in dem kleinen Schraubendampfer Matanzas, welcher früher zwischen
New-Uork und Matanzas fuhr, jetzt aber von der Regierung, wie unzählige
andre, für 700 Dollars per Tag gemiethet worden war, einen Platz zu erlangen.
— Am Morgen der Abfahrt wogte auf dem Dock ein malerisch buntes Treiben.
In-hastiger Jagd wirbelten mitten durch das Menschengewühl beladene Wagen,
welche ihre Lasten abwarfen und dann ebenso schnell wieder verschwanden, um
andern Platz zu machen; Alles mit einer Eile und einer haarsträubenden Ge-
schicklichkeit, wie sie, glaube ich, nur den Wagcnlenkern von New-Uork eigen ist.
Dazwischen tönten die quälenden Stimmen der Zeitungsjungen, der anpreisende
Ruf der Orangen- und Kuchcnverläüfer, das Singen der Soldaten, welche sich
den Abschied durch eine etwas erhöhte Stimmung zu erleichtern gesucht hatten,
das Schluchzen der Weiber, deren Gatten oder Geliebte in den fernen Kampf
zogen, das Commando der Offiziere und Schiffsbeamten, welche sich vergebens
in dem Gewühl verständlich machen wollten; kurz es war ein Wirrwarr, ein
Drängen und Stoßen, Zerren und Schieben, das selbst für einen New-Uorker zu
stark wurde und ich war froh, als ich mein Asyl in der Kajüte aufgesunden
hatte, um daselbst in Ruhe und Gemüthlichkeit mit einigen Freunden einen
Abschiedstrunk zu thun, in der Voraussicht, den Comfort New-Uorks für ge¬
raume Zeit mit den Entbehrungen und Strapatzen des Kriegslebens zu ver¬
tauschen. Die Kajüte fing an sich zu füllen, der Lärm auf Deck und am
Lande nahm ab, Taue knarrten, die Ventile räusperten sich zum Ab-
schiedspsiff. Endlich ertönt das Signalwort „g.11 on lioarä"; jeder, der nicht
mit wollte, beeilte sich ans Land zu kommen; die Brücken sielen, und die Matanzas
bewegte sich erst langsam und schwerfällig in den Strom, dann gewandt und
anmuthig wie ein Aal die herrliche Bai von New-Uork hinunter nach der
See zu.

Bei sehr schönem Wetter gings an dem lieblichen staken-Jsland, den Forts
Lafayette und Hamilton vorbei nach Sandy-Hook, dem äußersten Punkte des
Landarmes, welcher die Bai von New-Uork nach Südosten begrenzt. Da es
noch im Februar und empfindlich kalt war, zogen wir uns bald in die Kajüte
zurück, um zu rauchen, die letzten Zeitungen zu lesen, zu gähnen und uns unter
den Elementen der Gesellschaft zu orientiren. Diese bestand meistens aus
Offizieren sehr jugendlichen Alters/ welche zu ihren Regimentern zurückkehrten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/99>, abgerufen am 20.10.2024.