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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Unterdessen war eine ähnliche, wenn auch nicht so große Expedition, unter
General Burnsive auf Roanoke-Jsland gelandet, um nach dem Innern von
Nordcarolina zu operiren; General Butler lag mit einer bedeutenden Macht
vor New-Orleans; kurz im Westen, Süden und Osten war Alles geschehen, um
den Rebellenerdrückenden Me Clellan, welcher noch immer am Potomac Revuen
hielt und freundliches Einvernehmen mit den südlichen Brüdern, vor allen
Dingen den Schutz ihres schwarzen Eigenthums predigte, die Wege zu bahnen.
Bisher hatte er alle Beschuldigungen mit dem mitleidigen Lächeln der Ueber-
legenheit angehört; aber der Ruf des Volkes wurde dringender, seine Partei
im Cabinet konnte seiner Unthätigkeit nicht mehr Vorschub leisten, "0n w
liielrmonä! Me Clellan ist ein Verräther, wenn er noch länger ruhig bleibt!"
erscholl es durch den ganzen Norden; selbst der Kriegsminister raillirte ihn in
öffentlichen Berichten, weil er ihn auf keine andere Weise anfassen konnte.
Kurz der junge Napoleon mußte sich entschließen, eine Vorwärtsbewegung zu
machen. -- Fahnen flattern, Adjutanten sprengen umher, Truppenkörper setzen
sich in Marsch; die Generale sammeln sich in ernstem Schweigen, Me Clellan
mit feierlichem Feldherrngesichte unter ihnen. Vorwärts geht es gegen die
Feuerschlünde von Manassas und Centreville. Streispartieen und Recognosci-
rungscorps rücken vor, und siehe! der Feind hält nicht Stand; er wagt es nicht,
den Erdrücker zu erwarten und verläßt seine so mühsam befestigte Position,
ohne einen Schuß abgefeuert zu haben. Jetzt im Sturmschritt vorwärts! Man
erreicht die Batterien und will sich der Geschütze bemächtigen und findet --
schwarz angestrichene Baumstämme, die aus der Ferne täuschend wie Kanonen aus¬
sehen. Der Feind hat die Position seit Monaten allmälig geräumt und eine bei
weitem bessere und sichrere hinter Centreville eingenommen, an die Me Clellan sich
nicht wagen darf. Monatelang hat der junge Napoleon vor jenen Schreckbildern
gelegen, ohne einmal zu wissen, welche Veränderungen in feiner nächsten Nähe
vorgehen. Es ist kaum glaublich, daß er es nicht gewußt haben
sollte! -- Jetzt sing der Telegraph an zu spielen: Me Clellans Theorie'
, hätte sich glänzend bewährt; der Feind wiche überall ohne Schwertstreich und
würde sich in derselben Weise bis in die Golfstaaten zurückziehen, wo man ihn
dann wie die Ratte im Sack ganz gemüthlich abfangen könne.

Man ließ sich wirklich täuschen, aber nicht auf lange. Me Clellan mußte
etwas thun, wenn er, sich halten wollte; denn das Volk war der Phrasen und
der Erdrückungstheorie übermüde. In aller Eile wurde die virginische
Halbinsel mit dem James River als Operationsbasis gegen Richmond zum
Kriegsschauplatz gewählt, und mit diesem Wechsel schließt die Erdrückungsphase,
die längste und verderblichste für den Norden, die Phase, in welcher sich die
politischen Drahtzieher in Washington darum stritten, ob Krieg geführt werden
sollte oder nicht, und in Me Clellan einen willigen Diener ihrer Intriguen


Grenzboten IV. 1862. 12

Unterdessen war eine ähnliche, wenn auch nicht so große Expedition, unter
General Burnsive auf Roanoke-Jsland gelandet, um nach dem Innern von
Nordcarolina zu operiren; General Butler lag mit einer bedeutenden Macht
vor New-Orleans; kurz im Westen, Süden und Osten war Alles geschehen, um
den Rebellenerdrückenden Me Clellan, welcher noch immer am Potomac Revuen
hielt und freundliches Einvernehmen mit den südlichen Brüdern, vor allen
Dingen den Schutz ihres schwarzen Eigenthums predigte, die Wege zu bahnen.
Bisher hatte er alle Beschuldigungen mit dem mitleidigen Lächeln der Ueber-
legenheit angehört; aber der Ruf des Volkes wurde dringender, seine Partei
im Cabinet konnte seiner Unthätigkeit nicht mehr Vorschub leisten, „0n w
liielrmonä! Me Clellan ist ein Verräther, wenn er noch länger ruhig bleibt!"
erscholl es durch den ganzen Norden; selbst der Kriegsminister raillirte ihn in
öffentlichen Berichten, weil er ihn auf keine andere Weise anfassen konnte.
Kurz der junge Napoleon mußte sich entschließen, eine Vorwärtsbewegung zu
machen. — Fahnen flattern, Adjutanten sprengen umher, Truppenkörper setzen
sich in Marsch; die Generale sammeln sich in ernstem Schweigen, Me Clellan
mit feierlichem Feldherrngesichte unter ihnen. Vorwärts geht es gegen die
Feuerschlünde von Manassas und Centreville. Streispartieen und Recognosci-
rungscorps rücken vor, und siehe! der Feind hält nicht Stand; er wagt es nicht,
den Erdrücker zu erwarten und verläßt seine so mühsam befestigte Position,
ohne einen Schuß abgefeuert zu haben. Jetzt im Sturmschritt vorwärts! Man
erreicht die Batterien und will sich der Geschütze bemächtigen und findet —
schwarz angestrichene Baumstämme, die aus der Ferne täuschend wie Kanonen aus¬
sehen. Der Feind hat die Position seit Monaten allmälig geräumt und eine bei
weitem bessere und sichrere hinter Centreville eingenommen, an die Me Clellan sich
nicht wagen darf. Monatelang hat der junge Napoleon vor jenen Schreckbildern
gelegen, ohne einmal zu wissen, welche Veränderungen in feiner nächsten Nähe
vorgehen. Es ist kaum glaublich, daß er es nicht gewußt haben
sollte! — Jetzt sing der Telegraph an zu spielen: Me Clellans Theorie'
, hätte sich glänzend bewährt; der Feind wiche überall ohne Schwertstreich und
würde sich in derselben Weise bis in die Golfstaaten zurückziehen, wo man ihn
dann wie die Ratte im Sack ganz gemüthlich abfangen könne.

Man ließ sich wirklich täuschen, aber nicht auf lange. Me Clellan mußte
etwas thun, wenn er, sich halten wollte; denn das Volk war der Phrasen und
der Erdrückungstheorie übermüde. In aller Eile wurde die virginische
Halbinsel mit dem James River als Operationsbasis gegen Richmond zum
Kriegsschauplatz gewählt, und mit diesem Wechsel schließt die Erdrückungsphase,
die längste und verderblichste für den Norden, die Phase, in welcher sich die
politischen Drahtzieher in Washington darum stritten, ob Krieg geführt werden
sollte oder nicht, und in Me Clellan einen willigen Diener ihrer Intriguen


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[0097] Unterdessen war eine ähnliche, wenn auch nicht so große Expedition, unter General Burnsive auf Roanoke-Jsland gelandet, um nach dem Innern von Nordcarolina zu operiren; General Butler lag mit einer bedeutenden Macht vor New-Orleans; kurz im Westen, Süden und Osten war Alles geschehen, um den Rebellenerdrückenden Me Clellan, welcher noch immer am Potomac Revuen hielt und freundliches Einvernehmen mit den südlichen Brüdern, vor allen Dingen den Schutz ihres schwarzen Eigenthums predigte, die Wege zu bahnen. Bisher hatte er alle Beschuldigungen mit dem mitleidigen Lächeln der Ueber- legenheit angehört; aber der Ruf des Volkes wurde dringender, seine Partei im Cabinet konnte seiner Unthätigkeit nicht mehr Vorschub leisten, „0n w liielrmonä! Me Clellan ist ein Verräther, wenn er noch länger ruhig bleibt!" erscholl es durch den ganzen Norden; selbst der Kriegsminister raillirte ihn in öffentlichen Berichten, weil er ihn auf keine andere Weise anfassen konnte. Kurz der junge Napoleon mußte sich entschließen, eine Vorwärtsbewegung zu machen. — Fahnen flattern, Adjutanten sprengen umher, Truppenkörper setzen sich in Marsch; die Generale sammeln sich in ernstem Schweigen, Me Clellan mit feierlichem Feldherrngesichte unter ihnen. Vorwärts geht es gegen die Feuerschlünde von Manassas und Centreville. Streispartieen und Recognosci- rungscorps rücken vor, und siehe! der Feind hält nicht Stand; er wagt es nicht, den Erdrücker zu erwarten und verläßt seine so mühsam befestigte Position, ohne einen Schuß abgefeuert zu haben. Jetzt im Sturmschritt vorwärts! Man erreicht die Batterien und will sich der Geschütze bemächtigen und findet — schwarz angestrichene Baumstämme, die aus der Ferne täuschend wie Kanonen aus¬ sehen. Der Feind hat die Position seit Monaten allmälig geräumt und eine bei weitem bessere und sichrere hinter Centreville eingenommen, an die Me Clellan sich nicht wagen darf. Monatelang hat der junge Napoleon vor jenen Schreckbildern gelegen, ohne einmal zu wissen, welche Veränderungen in feiner nächsten Nähe vorgehen. Es ist kaum glaublich, daß er es nicht gewußt haben sollte! — Jetzt sing der Telegraph an zu spielen: Me Clellans Theorie' , hätte sich glänzend bewährt; der Feind wiche überall ohne Schwertstreich und würde sich in derselben Weise bis in die Golfstaaten zurückziehen, wo man ihn dann wie die Ratte im Sack ganz gemüthlich abfangen könne. Man ließ sich wirklich täuschen, aber nicht auf lange. Me Clellan mußte etwas thun, wenn er, sich halten wollte; denn das Volk war der Phrasen und der Erdrückungstheorie übermüde. In aller Eile wurde die virginische Halbinsel mit dem James River als Operationsbasis gegen Richmond zum Kriegsschauplatz gewählt, und mit diesem Wechsel schließt die Erdrückungsphase, die längste und verderblichste für den Norden, die Phase, in welcher sich die politischen Drahtzieher in Washington darum stritten, ob Krieg geführt werden sollte oder nicht, und in Me Clellan einen willigen Diener ihrer Intriguen Grenzboten IV. 1862. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/97>, abgerufen am 27.09.2024.