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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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eine raschere, lautere Bewegung bezeichnet, daher rollen, rinnen, rauschen, reiben,
reiten, ritzen, rund, Rad, iots, ruo. Auch w dient zum Ausdruck einer Be¬
wegung, aber einer solchen, die der weichen, gehauchten Natur des w entspricht,
daher Wogen, wallen, wehen, wälzen, Wind, Wasser, polare, vvlvere, via,
Welle. Bei in werden die Lippen geschlossen, der Laut soll gleichsam nach
Innen gedrängt werden; daher verbindet er sich gern mit der Vorstellung des
Geheimnißvollen, Versteckten: murren, munkeln, vermummen, murmeln, Maus,
iriutus, inMerium, ^vew (in die Mysterien einweihen), ^"^-" und
^vvSo? u. s. w., wobei überall die Verbindung mit dem dumpfen u und v in
die Augen fällt. Ferner drückt das Schließen der Lippen sehr treffend das
Zurückbeziehen auf das redende Subject aus, woher es sich erklärt, daß die
Lasus odliczM der ersten Person und das entsprechende Possessivum fast in allen
Sprachen mit in gebildet werden: mein, in"zu-z, e^of, mir, mich, e^ol), e^o!, ins,
u. f. w. Auch geistige Thätigkeit wird durch in bezeichnet: meinen, mahnen,
Monere, möluim, MM8, ^-^v^co ceo.

In ähnlicher Weise könnten wir die übrigen Consonanten durchgehen, doch
würde dies zu weit führen: das Gesagte wird hinreichen, dem Leser wenig"
fleus einigermaßen einen Begriff von der Symbolik der Sprachlaute zu geben
und es zur Klarheit zu bringen oder doch zum mindesten ahnen zu lassen,
daß in der ursprünglichen Sprache keine Willkür, sondern Naturnotwendigkeit
geherrscht hat, daß also die Wörter der Ursprache (Ursprachen der Racen.
D. Red.) gerade so lauten mußten, wie sie eben lauteten, und daß in den
Stammsprachen sich noch allerlei, wenngleich sehr verdunkelte Anklänge an diese
wunderbare Lautsymbolik erhalten haben.

Die Ursprache existirt nicht mehr; statt der einen Sprache der geschichtlichen
Menschheit finden sich jetzt zahllose Völkersprachen, die auf den ersten Blick nichts
mit einander gemein zu haben scheinen. Die vergleichende Sprachforschung, diese
jüngste Schwester in dem ehrwürdigen Kreise der Wissenschaften, hat nun die Ver¬
wandtschaft vieler, höchst verschieden klingender Sprachen evident dargethan: so
erfüllt beispielsweise der indogermanische Sprachstamm fast den ganzen Raum vom
Ganges bis zum atlantischen Ocean, und es ergibt sich mit zweifelloser Gewi߬
heit, daß Inder, Perser, Slaven. Germanen, Kelten. Griechen, Römer u. s. w.
stammverwandt sind. d. h. ursprünglich vor Jahrtausenden zu einem einzigen
Stamme gehörten; ihre Sprachen sind aus einer gemeinsamen Wurzel entsprossen.
Wenn wir auch von der babylonischen Sprachverwirrung absehen, die nebenbei
bemerkt gewiß nicht eine neue Schöpfung wildfremder Sprachen, sondern
gerade, was das Wort sagt, eine Verwirrung, Confusion der einen Ur¬
sprache bezeichnen soll, so mußten sich doch bei der Fortentwickelung des
Menschengeschlechtes oder Menschenvolkes zu einer Reihe von getrennten Stäm¬
men und Völkern auch eine Reihe verschiedener Sprachen entwickeln. Und


eine raschere, lautere Bewegung bezeichnet, daher rollen, rinnen, rauschen, reiben,
reiten, ritzen, rund, Rad, iots, ruo. Auch w dient zum Ausdruck einer Be¬
wegung, aber einer solchen, die der weichen, gehauchten Natur des w entspricht,
daher Wogen, wallen, wehen, wälzen, Wind, Wasser, polare, vvlvere, via,
Welle. Bei in werden die Lippen geschlossen, der Laut soll gleichsam nach
Innen gedrängt werden; daher verbindet er sich gern mit der Vorstellung des
Geheimnißvollen, Versteckten: murren, munkeln, vermummen, murmeln, Maus,
iriutus, inMerium, ^vew (in die Mysterien einweihen), ^«^-» und
^vvSo? u. s. w., wobei überall die Verbindung mit dem dumpfen u und v in
die Augen fällt. Ferner drückt das Schließen der Lippen sehr treffend das
Zurückbeziehen auf das redende Subject aus, woher es sich erklärt, daß die
Lasus odliczM der ersten Person und das entsprechende Possessivum fast in allen
Sprachen mit in gebildet werden: mein, in«zu-z, e^of, mir, mich, e^ol), e^o!, ins,
u. f. w. Auch geistige Thätigkeit wird durch in bezeichnet: meinen, mahnen,
Monere, möluim, MM8, ^-^v^co ceo.

In ähnlicher Weise könnten wir die übrigen Consonanten durchgehen, doch
würde dies zu weit führen: das Gesagte wird hinreichen, dem Leser wenig»
fleus einigermaßen einen Begriff von der Symbolik der Sprachlaute zu geben
und es zur Klarheit zu bringen oder doch zum mindesten ahnen zu lassen,
daß in der ursprünglichen Sprache keine Willkür, sondern Naturnotwendigkeit
geherrscht hat, daß also die Wörter der Ursprache (Ursprachen der Racen.
D. Red.) gerade so lauten mußten, wie sie eben lauteten, und daß in den
Stammsprachen sich noch allerlei, wenngleich sehr verdunkelte Anklänge an diese
wunderbare Lautsymbolik erhalten haben.

Die Ursprache existirt nicht mehr; statt der einen Sprache der geschichtlichen
Menschheit finden sich jetzt zahllose Völkersprachen, die auf den ersten Blick nichts
mit einander gemein zu haben scheinen. Die vergleichende Sprachforschung, diese
jüngste Schwester in dem ehrwürdigen Kreise der Wissenschaften, hat nun die Ver¬
wandtschaft vieler, höchst verschieden klingender Sprachen evident dargethan: so
erfüllt beispielsweise der indogermanische Sprachstamm fast den ganzen Raum vom
Ganges bis zum atlantischen Ocean, und es ergibt sich mit zweifelloser Gewi߬
heit, daß Inder, Perser, Slaven. Germanen, Kelten. Griechen, Römer u. s. w.
stammverwandt sind. d. h. ursprünglich vor Jahrtausenden zu einem einzigen
Stamme gehörten; ihre Sprachen sind aus einer gemeinsamen Wurzel entsprossen.
Wenn wir auch von der babylonischen Sprachverwirrung absehen, die nebenbei
bemerkt gewiß nicht eine neue Schöpfung wildfremder Sprachen, sondern
gerade, was das Wort sagt, eine Verwirrung, Confusion der einen Ur¬
sprache bezeichnen soll, so mußten sich doch bei der Fortentwickelung des
Menschengeschlechtes oder Menschenvolkes zu einer Reihe von getrennten Stäm¬
men und Völkern auch eine Reihe verschiedener Sprachen entwickeln. Und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/63>, abgerufen am 27.09.2024.