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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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genent ließ das Bild Manches zu wünschen übrig, am meisten gelungen schien
uns die Architektur, eine Lokalität aus der Kirche von Araceli. Das dritte
neuere Bild Mieders sahen wir in Florenz, eine "Arethusa". die in den Quell
verwandelte Nymphe! es erregte viel Interesse durch den grünlich wässrigen
Ton, und durch die Harmonie, die über das Ganze ausgegossen waren, so wie
durch die tadellos schöne Gestalt der Nymphe. Aber Niemand kam ohne
den Katalog darauf, in dieser Figur gerade eine Arethusa zu suchen und zer¬
brach sich den Kopf, warum an dem schönen, sich wie beim Gähnen reckenden
Mädchen das Wasser herunterlaufe.

Der Wiener Romano hat sich im Garten der Villa Malta unter Orangen.
Cypressen und Weinlauben idyllisch eingerichtet. Er ist ein Mensch von großem
Talent und großer Zukunft. Seine Portraits streifen an Van Dyksche Kraft
und alle seine Bilder haben etwas Eigenthümliches und Ursprüngliches, aber
auch etwas Rohes und Unfertiges. Für die Londoner Ausstellung hatte er
ein Bild bestimmt "Seifenblasen treibende Kinder", die Figuren über lebensgroß,
aber nur bis zum Gürtel sichtbar, im Fleisch kräftig und wahr, auch in den
Gewandparthien tadellos. Etwas zu realistisch erschien uns eine "nackte Sklavin.
Auch in der Aquarelle leistet Romano Vortreffliches. "Getreide schütterte Mäd¬
chen von Olevano". "tanzende Mädchen von Trastcvere". "Morraspieler" ver¬
riethen in gleichem Maße Talent und Verachtung aller Gesetze der Perspective..

O. Brandt's kleine Genrebilder sind das Vollendetste, was wir in der
Art in Rom gesehen haben; warm und harmonisch im Ton, fein empfunden
und wiedergegeben zeigen sie Scenen aus dem Leben des Landvolks, und haben
besonderen Werth sür diejenigen, welche das Volk aus eigener Anschauung und
nicht blos aus Bildern kennen. Das Landvolk ist nun einmal im gewöhn¬
lichen Leben zerlumpt und überaus schmutzig und hat eine wesentlich andere
Physiognomie als die Kopf- und Costüm-Modelle auf der spanischen Treppe,
welche in unzähligen Conterfeien nach allen Richtungen der Welt wandern.
O, Brandt hat eine besondere Vorliebe für Kinderfiguren, malt sowohl seine
Landschaften wie seine Localitäten treu nach der Natur und ist darin vielleicht
etwas zu gewissenhaft. Wenn es wahr ist,'daß jeder Maler im Grunde doch
nur sich selbst in seinen Bildern wiedergebe, so vermögen wir allerdings in
denen O. Brandt's dessen eigenes anspruchloses Wesen wieder zu erkennen.

Der Hamburger Lehmann und der geistreiche Natorp, Letzterer mit dem
alten Flor das unermüdliche joviale und belebende Element der Künstlersestlich-
keiten, gaben Scenen aus dem Volksleben, meist in großer Landschaft voll ita¬
lienischer Pracht und Herrlichkeit, das Ganze aber doch entschieden dem Genre
angehörend.

Aehnliche Motive, die Landschaft aber überwiegend und das Beste, wählt
der Badenser Schweinfurth. ohne deshalb die beiden Zuvorgenannten zu er-


genent ließ das Bild Manches zu wünschen übrig, am meisten gelungen schien
uns die Architektur, eine Lokalität aus der Kirche von Araceli. Das dritte
neuere Bild Mieders sahen wir in Florenz, eine „Arethusa". die in den Quell
verwandelte Nymphe! es erregte viel Interesse durch den grünlich wässrigen
Ton, und durch die Harmonie, die über das Ganze ausgegossen waren, so wie
durch die tadellos schöne Gestalt der Nymphe. Aber Niemand kam ohne
den Katalog darauf, in dieser Figur gerade eine Arethusa zu suchen und zer¬
brach sich den Kopf, warum an dem schönen, sich wie beim Gähnen reckenden
Mädchen das Wasser herunterlaufe.

Der Wiener Romano hat sich im Garten der Villa Malta unter Orangen.
Cypressen und Weinlauben idyllisch eingerichtet. Er ist ein Mensch von großem
Talent und großer Zukunft. Seine Portraits streifen an Van Dyksche Kraft
und alle seine Bilder haben etwas Eigenthümliches und Ursprüngliches, aber
auch etwas Rohes und Unfertiges. Für die Londoner Ausstellung hatte er
ein Bild bestimmt „Seifenblasen treibende Kinder", die Figuren über lebensgroß,
aber nur bis zum Gürtel sichtbar, im Fleisch kräftig und wahr, auch in den
Gewandparthien tadellos. Etwas zu realistisch erschien uns eine „nackte Sklavin.
Auch in der Aquarelle leistet Romano Vortreffliches. „Getreide schütterte Mäd¬
chen von Olevano". „tanzende Mädchen von Trastcvere". „Morraspieler" ver¬
riethen in gleichem Maße Talent und Verachtung aller Gesetze der Perspective..

O. Brandt's kleine Genrebilder sind das Vollendetste, was wir in der
Art in Rom gesehen haben; warm und harmonisch im Ton, fein empfunden
und wiedergegeben zeigen sie Scenen aus dem Leben des Landvolks, und haben
besonderen Werth sür diejenigen, welche das Volk aus eigener Anschauung und
nicht blos aus Bildern kennen. Das Landvolk ist nun einmal im gewöhn¬
lichen Leben zerlumpt und überaus schmutzig und hat eine wesentlich andere
Physiognomie als die Kopf- und Costüm-Modelle auf der spanischen Treppe,
welche in unzähligen Conterfeien nach allen Richtungen der Welt wandern.
O, Brandt hat eine besondere Vorliebe für Kinderfiguren, malt sowohl seine
Landschaften wie seine Localitäten treu nach der Natur und ist darin vielleicht
etwas zu gewissenhaft. Wenn es wahr ist,'daß jeder Maler im Grunde doch
nur sich selbst in seinen Bildern wiedergebe, so vermögen wir allerdings in
denen O. Brandt's dessen eigenes anspruchloses Wesen wieder zu erkennen.

Der Hamburger Lehmann und der geistreiche Natorp, Letzterer mit dem
alten Flor das unermüdliche joviale und belebende Element der Künstlersestlich-
keiten, gaben Scenen aus dem Volksleben, meist in großer Landschaft voll ita¬
lienischer Pracht und Herrlichkeit, das Ganze aber doch entschieden dem Genre
angehörend.

Aehnliche Motive, die Landschaft aber überwiegend und das Beste, wählt
der Badenser Schweinfurth. ohne deshalb die beiden Zuvorgenannten zu er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/524>, abgerufen am 27.09.2024.