Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tigkeit dieses Wunsches ein, und wäre in Verlegenheit gekommen, wenn bei der
Zweckmäßigkeit deutscher Polizeigesehe überhaupt eine deutsche Polizeibehörde in
Verlegenheit kommen könnte oder dürfte. Die Zähigkeit der mecklenburgischen
Ritterschaft in Heimathssachcn hatte er erprobt, vielleicht war es möglich, daß
das großherzogliche ' Domanium sich fügsamer zeigte. Krischan Schule wurde
also seinem Sonunervergnügen entführt, er wurde wieder mit Frau und Kind
und Sack und Pack aufgeladen, nach Demmin gefahren und von dort in Be¬
gleitung von zwei Gensdarmen, um der Sache mehr Nachdruck zu geben, über
die östliche Seite von Mecklenburg in das großherzogliche Amt Dargun geschafft.

Die Gensdarmen lieferten Krischan Schulter und ihre Begleitschreiben ab
und ritten davon: "Gott sei Dank, den Kerl wären wir los!"

Aber so schnell geht's nicht. -- Die großherzoglichen Beamten sagten:
"Was zum Kuckuk! geht uns der Kerl an? er mag tausendmal ein Mecklen¬
burger sein, wenn er nicht aus dem Domanium gebürtig ist. können wir uns
mit der Sache gar nicht befassen; der Kerl gehört der Ritterschaft an; fort
mit ihm dahin" woher er gekommen ist!"

Die Herren hatten Recht; denn Mecklenburg scheidet sich in drei Landes-
theile, großherzogliches Domanium, Ritterschaft und Städte, die unter sich
vice vsrsa die Heimathsgesetzgebung energischer aufrecht erhalten, als dies sogar
einem fremden Staate gegenüber geschieht; aber die Herren hatten auch Glück:
der Zufall wollte, daß an diesem Tage des im Flecken Dargun abgehaltenen
Herbstjahrmarktes wegen zwei mecklenburgische Gensdarmen zugegen waren.
Diese wurden nun commandirt, die Familie Schule wurde wieder aufgeladen
und über die preußische Grenze geschafft.

Und da soll nun der höchstbetrübende Fall eingetreten sein, daß zwischen
der bewaffneten Macht zweier befreundeter Staaten auf der Grenze ein kleines
Scharmützel stattgefunden hat, in Folge dessen die mecklenburgischen Gensdarmen
ihre preußischen Herrn Collegen zwangen, die Familie Schule wieder mit nach
Demmin zu nehmen, wo Schule, Vater, denn bei dem Herrn Landrath zum
fünften Mal mit den Worten einrückte: "Na, Herr, nu bün ik wedder hi.r!"

Ein solcher Scandal war denn doch zu groß. Das landräthliche Amt in
Demmin hatte alle seine Pfeile verschossen, und alle waren machtlos an dem
dreifachen Panzer mecklenburgischer Heimathsgesetzgebung abgeprallt, die Sache
mußte andern Händen, den Händen der Regierung, übergeben werden. Die
preußische Regierung nahm nun auch die Sache auf und fragte bei der mecklen¬
burgischen an, welche gesetzliche Bestimmungen in Bezug auf die nach Preußen
ausgewanderten und dort nicht naturalisirten Landeskinder in den mecklenbur¬
gischen Landen geltend wären. - Die Antwort war, daß alle, die zwei Jahre
oder länger abwesend wären, oder im Auslande einen eignen Hausstand begrün¬
det hätten, als aus dem Unterthanenverbande ausgeschieden betrachtet würden.


tigkeit dieses Wunsches ein, und wäre in Verlegenheit gekommen, wenn bei der
Zweckmäßigkeit deutscher Polizeigesehe überhaupt eine deutsche Polizeibehörde in
Verlegenheit kommen könnte oder dürfte. Die Zähigkeit der mecklenburgischen
Ritterschaft in Heimathssachcn hatte er erprobt, vielleicht war es möglich, daß
das großherzogliche ' Domanium sich fügsamer zeigte. Krischan Schule wurde
also seinem Sonunervergnügen entführt, er wurde wieder mit Frau und Kind
und Sack und Pack aufgeladen, nach Demmin gefahren und von dort in Be¬
gleitung von zwei Gensdarmen, um der Sache mehr Nachdruck zu geben, über
die östliche Seite von Mecklenburg in das großherzogliche Amt Dargun geschafft.

Die Gensdarmen lieferten Krischan Schulter und ihre Begleitschreiben ab
und ritten davon: „Gott sei Dank, den Kerl wären wir los!"

Aber so schnell geht's nicht. — Die großherzoglichen Beamten sagten:
„Was zum Kuckuk! geht uns der Kerl an? er mag tausendmal ein Mecklen¬
burger sein, wenn er nicht aus dem Domanium gebürtig ist. können wir uns
mit der Sache gar nicht befassen; der Kerl gehört der Ritterschaft an; fort
mit ihm dahin» woher er gekommen ist!"

Die Herren hatten Recht; denn Mecklenburg scheidet sich in drei Landes-
theile, großherzogliches Domanium, Ritterschaft und Städte, die unter sich
vice vsrsa die Heimathsgesetzgebung energischer aufrecht erhalten, als dies sogar
einem fremden Staate gegenüber geschieht; aber die Herren hatten auch Glück:
der Zufall wollte, daß an diesem Tage des im Flecken Dargun abgehaltenen
Herbstjahrmarktes wegen zwei mecklenburgische Gensdarmen zugegen waren.
Diese wurden nun commandirt, die Familie Schule wurde wieder aufgeladen
und über die preußische Grenze geschafft.

Und da soll nun der höchstbetrübende Fall eingetreten sein, daß zwischen
der bewaffneten Macht zweier befreundeter Staaten auf der Grenze ein kleines
Scharmützel stattgefunden hat, in Folge dessen die mecklenburgischen Gensdarmen
ihre preußischen Herrn Collegen zwangen, die Familie Schule wieder mit nach
Demmin zu nehmen, wo Schule, Vater, denn bei dem Herrn Landrath zum
fünften Mal mit den Worten einrückte: „Na, Herr, nu bün ik wedder hi.r!"

Ein solcher Scandal war denn doch zu groß. Das landräthliche Amt in
Demmin hatte alle seine Pfeile verschossen, und alle waren machtlos an dem
dreifachen Panzer mecklenburgischer Heimathsgesetzgebung abgeprallt, die Sache
mußte andern Händen, den Händen der Regierung, übergeben werden. Die
preußische Regierung nahm nun auch die Sache auf und fragte bei der mecklen¬
burgischen an, welche gesetzliche Bestimmungen in Bezug auf die nach Preußen
ausgewanderten und dort nicht naturalisirten Landeskinder in den mecklenbur¬
gischen Landen geltend wären. - Die Antwort war, daß alle, die zwei Jahre
oder länger abwesend wären, oder im Auslande einen eignen Hausstand begrün¬
det hätten, als aus dem Unterthanenverbande ausgeschieden betrachtet würden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0516" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115368"/>
          <p xml:id="ID_1673" prev="#ID_1672"> tigkeit dieses Wunsches ein, und wäre in Verlegenheit gekommen, wenn bei der<lb/>
Zweckmäßigkeit deutscher Polizeigesehe überhaupt eine deutsche Polizeibehörde in<lb/>
Verlegenheit kommen könnte oder dürfte. Die Zähigkeit der mecklenburgischen<lb/>
Ritterschaft in Heimathssachcn hatte er erprobt, vielleicht war es möglich, daß<lb/>
das großherzogliche ' Domanium sich fügsamer zeigte. Krischan Schule wurde<lb/>
also seinem Sonunervergnügen entführt, er wurde wieder mit Frau und Kind<lb/>
und Sack und Pack aufgeladen, nach Demmin gefahren und von dort in Be¬<lb/>
gleitung von zwei Gensdarmen, um der Sache mehr Nachdruck zu geben, über<lb/>
die östliche Seite von Mecklenburg in das großherzogliche Amt Dargun geschafft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1674"> Die Gensdarmen lieferten Krischan Schulter und ihre Begleitschreiben ab<lb/>
und ritten davon: &#x201E;Gott sei Dank, den Kerl wären wir los!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1675"> Aber so schnell geht's nicht. &#x2014; Die großherzoglichen Beamten sagten:<lb/>
&#x201E;Was zum Kuckuk! geht uns der Kerl an? er mag tausendmal ein Mecklen¬<lb/>
burger sein, wenn er nicht aus dem Domanium gebürtig ist. können wir uns<lb/>
mit der Sache gar nicht befassen; der Kerl gehört der Ritterschaft an; fort<lb/>
mit ihm dahin» woher er gekommen ist!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1676"> Die Herren hatten Recht; denn Mecklenburg scheidet sich in drei Landes-<lb/>
theile, großherzogliches Domanium, Ritterschaft und Städte, die unter sich<lb/>
vice vsrsa die Heimathsgesetzgebung energischer aufrecht erhalten, als dies sogar<lb/>
einem fremden Staate gegenüber geschieht; aber die Herren hatten auch Glück:<lb/>
der Zufall wollte, daß an diesem Tage des im Flecken Dargun abgehaltenen<lb/>
Herbstjahrmarktes wegen zwei mecklenburgische Gensdarmen zugegen waren.<lb/>
Diese wurden nun commandirt, die Familie Schule wurde wieder aufgeladen<lb/>
und über die preußische Grenze geschafft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1677"> Und da soll nun der höchstbetrübende Fall eingetreten sein, daß zwischen<lb/>
der bewaffneten Macht zweier befreundeter Staaten auf der Grenze ein kleines<lb/>
Scharmützel stattgefunden hat, in Folge dessen die mecklenburgischen Gensdarmen<lb/>
ihre preußischen Herrn Collegen zwangen, die Familie Schule wieder mit nach<lb/>
Demmin zu nehmen, wo Schule, Vater, denn bei dem Herrn Landrath zum<lb/>
fünften Mal mit den Worten einrückte: &#x201E;Na, Herr, nu bün ik wedder hi.r!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1678" next="#ID_1679"> Ein solcher Scandal war denn doch zu groß. Das landräthliche Amt in<lb/>
Demmin hatte alle seine Pfeile verschossen, und alle waren machtlos an dem<lb/>
dreifachen Panzer mecklenburgischer Heimathsgesetzgebung abgeprallt, die Sache<lb/>
mußte andern Händen, den Händen der Regierung, übergeben werden. Die<lb/>
preußische Regierung nahm nun auch die Sache auf und fragte bei der mecklen¬<lb/>
burgischen an, welche gesetzliche Bestimmungen in Bezug auf die nach Preußen<lb/>
ausgewanderten und dort nicht naturalisirten Landeskinder in den mecklenbur¬<lb/>
gischen Landen geltend wären. - Die Antwort war, daß alle, die zwei Jahre<lb/>
oder länger abwesend wären, oder im Auslande einen eignen Hausstand begrün¬<lb/>
det hätten, als aus dem Unterthanenverbande ausgeschieden betrachtet würden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0516] tigkeit dieses Wunsches ein, und wäre in Verlegenheit gekommen, wenn bei der Zweckmäßigkeit deutscher Polizeigesehe überhaupt eine deutsche Polizeibehörde in Verlegenheit kommen könnte oder dürfte. Die Zähigkeit der mecklenburgischen Ritterschaft in Heimathssachcn hatte er erprobt, vielleicht war es möglich, daß das großherzogliche ' Domanium sich fügsamer zeigte. Krischan Schule wurde also seinem Sonunervergnügen entführt, er wurde wieder mit Frau und Kind und Sack und Pack aufgeladen, nach Demmin gefahren und von dort in Be¬ gleitung von zwei Gensdarmen, um der Sache mehr Nachdruck zu geben, über die östliche Seite von Mecklenburg in das großherzogliche Amt Dargun geschafft. Die Gensdarmen lieferten Krischan Schulter und ihre Begleitschreiben ab und ritten davon: „Gott sei Dank, den Kerl wären wir los!" Aber so schnell geht's nicht. — Die großherzoglichen Beamten sagten: „Was zum Kuckuk! geht uns der Kerl an? er mag tausendmal ein Mecklen¬ burger sein, wenn er nicht aus dem Domanium gebürtig ist. können wir uns mit der Sache gar nicht befassen; der Kerl gehört der Ritterschaft an; fort mit ihm dahin» woher er gekommen ist!" Die Herren hatten Recht; denn Mecklenburg scheidet sich in drei Landes- theile, großherzogliches Domanium, Ritterschaft und Städte, die unter sich vice vsrsa die Heimathsgesetzgebung energischer aufrecht erhalten, als dies sogar einem fremden Staate gegenüber geschieht; aber die Herren hatten auch Glück: der Zufall wollte, daß an diesem Tage des im Flecken Dargun abgehaltenen Herbstjahrmarktes wegen zwei mecklenburgische Gensdarmen zugegen waren. Diese wurden nun commandirt, die Familie Schule wurde wieder aufgeladen und über die preußische Grenze geschafft. Und da soll nun der höchstbetrübende Fall eingetreten sein, daß zwischen der bewaffneten Macht zweier befreundeter Staaten auf der Grenze ein kleines Scharmützel stattgefunden hat, in Folge dessen die mecklenburgischen Gensdarmen ihre preußischen Herrn Collegen zwangen, die Familie Schule wieder mit nach Demmin zu nehmen, wo Schule, Vater, denn bei dem Herrn Landrath zum fünften Mal mit den Worten einrückte: „Na, Herr, nu bün ik wedder hi.r!" Ein solcher Scandal war denn doch zu groß. Das landräthliche Amt in Demmin hatte alle seine Pfeile verschossen, und alle waren machtlos an dem dreifachen Panzer mecklenburgischer Heimathsgesetzgebung abgeprallt, die Sache mußte andern Händen, den Händen der Regierung, übergeben werden. Die preußische Regierung nahm nun auch die Sache auf und fragte bei der mecklen¬ burgischen an, welche gesetzliche Bestimmungen in Bezug auf die nach Preußen ausgewanderten und dort nicht naturalisirten Landeskinder in den mecklenbur¬ gischen Landen geltend wären. - Die Antwort war, daß alle, die zwei Jahre oder länger abwesend wären, oder im Auslande einen eignen Hausstand begrün¬ det hätten, als aus dem Unterthanenverbande ausgeschieden betrachtet würden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/516
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/516>, abgerufen am 20.10.2024.