Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und Apotheker, die sich leicht beträchtliches Vermögen sammeln konnten*), als
"Ehrbare". Aber freilich auch unter diesen fehlte es nicht an mancherlei Abstufungen
des Ranges. Im Jahre 1511 zählt ein Hvlzschuher deren vier auf, von
denen die erste Classe das eigentliche sogenannte Patriciat bildete. Nur diesem,
das um die genannte Zeit etliche vierzig Familien umschloß, hatte zuerst der
Usus, später auch die Gesetzgebung neben dem vorwiegenden Antheil an der
Verwaltung der Stadt, der ausschließlichen Rathsfähigkeit, eine Reihe von
Elnenrechten eingeräumt. Vor Allem gehörte darunter -- was man mit der
Hoffähigkeit des modernen Gesellschaftslebens vergleichen könnte, die Berechtigung,
im Rathhause zu tanzen. Aber auch hiervon konnte ein für solche officielle
Feste bestellter Ausschuß einzelne der Standesgenossen aus persönlichen Grün¬
den ausschließen, was denn nicht nur wegen unziemlichen Lebenswandels zu
geschehen Pflegte, sondern auch wegen Verletzung der standesgemäßen Sitte er¬
folgte. Wer "einen offenen Kram und Handel" hat, wird wohl ausgeschlossen,
weil er sich damit zu der inferioren Classe der Krämer und Handwerker herun-
tcrgcgebcn hat, ebenso wie ein anderer, "dieweil er ein alrer verlebter kindisch
Man ist" und "ein leichtfertiges Wesen und haußhalten" führt. Uebrigens
arbeiteten die Patricier in der That immer lebhafter auf eine gewisse Ex-
clusivität hin, um sich dadurch der Anerkennung durch den landsassigen Adel
würdiger zu machen. Sie behaupteten, gleich diesem, Wappenrecht und Ritter-
mähigkcit und veranstalteten, wie der Adel, glänzende Turniere. Von Zeit zu
Zeit kommen wohl auch eheliche Bündnisse zwischen Mitgliedern des Patriciats
und der fränkischen Ritterschaft vor, allein diese wollte doch den Bürgern nie¬
mals die volle Gleichstellung zugestehen, so sehr sie auch jene wünschten und
beanspruchten. Im Ganzen und Großen war jedoch das Patriciat zu klug
und berechnend, um über solchen aristokratischen Anwandlungen des Ursprungs
seiner Macht und der Quelle seiner Reichthümer zu vergessen. Es ist doch
auch noch im 16. Jahrbundert den Tucher oder Haller oder Jmhoff nicht ein¬
gefallen, weil einzelne Mitglieder ihrer Familien im Dienste des Kaisers oder
anderer Potentaten (wie z. B. ein Hvlzschuher bei König Emanuel von Por¬
tugal) die Ritterwürde erlangten, deshalb ihre Handelsbeziehungen nach Frank¬
reich, nach Ungarn, nach Italien aufzugeben oder ihre Geschäftshäuser in Lyon,
Ofen und Venedig zu schließen. Als ein Welser von Augsburg nach Nürnberg
übersiedelte, der so großen Handel nach allen Ländern trieb, "dann nie kein
Kauffmann purger zu Nürnberg getrieben hat", ward er nach kurzem Aufent-



Die Rechtsgelehrten, deren Nach die Stadt in Anspruch nahm, wurden gut honorirt.
Ans dem Jahre 1384 z. B, ist berichtet, daß "der stat jnrist" 261 Gulden unseres Geldes
erhielt. Ein Arzt erhielt in demselben Jahre sür die Behandlung eines Beinbruches, den ein
Knecht im Dienste der Stadt erlitten, 13 Gulden -- Aerzte erscheinen häufig unter den
Personen, welche Capitalien bei der Stadt anlegen. Vgl. S. 258.
"2*

und Apotheker, die sich leicht beträchtliches Vermögen sammeln konnten*), als
„Ehrbare". Aber freilich auch unter diesen fehlte es nicht an mancherlei Abstufungen
des Ranges. Im Jahre 1511 zählt ein Hvlzschuher deren vier auf, von
denen die erste Classe das eigentliche sogenannte Patriciat bildete. Nur diesem,
das um die genannte Zeit etliche vierzig Familien umschloß, hatte zuerst der
Usus, später auch die Gesetzgebung neben dem vorwiegenden Antheil an der
Verwaltung der Stadt, der ausschließlichen Rathsfähigkeit, eine Reihe von
Elnenrechten eingeräumt. Vor Allem gehörte darunter — was man mit der
Hoffähigkeit des modernen Gesellschaftslebens vergleichen könnte, die Berechtigung,
im Rathhause zu tanzen. Aber auch hiervon konnte ein für solche officielle
Feste bestellter Ausschuß einzelne der Standesgenossen aus persönlichen Grün¬
den ausschließen, was denn nicht nur wegen unziemlichen Lebenswandels zu
geschehen Pflegte, sondern auch wegen Verletzung der standesgemäßen Sitte er¬
folgte. Wer „einen offenen Kram und Handel" hat, wird wohl ausgeschlossen,
weil er sich damit zu der inferioren Classe der Krämer und Handwerker herun-
tcrgcgebcn hat, ebenso wie ein anderer, „dieweil er ein alrer verlebter kindisch
Man ist" und „ein leichtfertiges Wesen und haußhalten" führt. Uebrigens
arbeiteten die Patricier in der That immer lebhafter auf eine gewisse Ex-
clusivität hin, um sich dadurch der Anerkennung durch den landsassigen Adel
würdiger zu machen. Sie behaupteten, gleich diesem, Wappenrecht und Ritter-
mähigkcit und veranstalteten, wie der Adel, glänzende Turniere. Von Zeit zu
Zeit kommen wohl auch eheliche Bündnisse zwischen Mitgliedern des Patriciats
und der fränkischen Ritterschaft vor, allein diese wollte doch den Bürgern nie¬
mals die volle Gleichstellung zugestehen, so sehr sie auch jene wünschten und
beanspruchten. Im Ganzen und Großen war jedoch das Patriciat zu klug
und berechnend, um über solchen aristokratischen Anwandlungen des Ursprungs
seiner Macht und der Quelle seiner Reichthümer zu vergessen. Es ist doch
auch noch im 16. Jahrbundert den Tucher oder Haller oder Jmhoff nicht ein¬
gefallen, weil einzelne Mitglieder ihrer Familien im Dienste des Kaisers oder
anderer Potentaten (wie z. B. ein Hvlzschuher bei König Emanuel von Por¬
tugal) die Ritterwürde erlangten, deshalb ihre Handelsbeziehungen nach Frank¬
reich, nach Ungarn, nach Italien aufzugeben oder ihre Geschäftshäuser in Lyon,
Ofen und Venedig zu schließen. Als ein Welser von Augsburg nach Nürnberg
übersiedelte, der so großen Handel nach allen Ländern trieb, „dann nie kein
Kauffmann purger zu Nürnberg getrieben hat", ward er nach kurzem Aufent-



Die Rechtsgelehrten, deren Nach die Stadt in Anspruch nahm, wurden gut honorirt.
Ans dem Jahre 1384 z. B, ist berichtet, daß „der stat jnrist" 261 Gulden unseres Geldes
erhielt. Ein Arzt erhielt in demselben Jahre sür die Behandlung eines Beinbruches, den ein
Knecht im Dienste der Stadt erlitten, 13 Gulden — Aerzte erscheinen häufig unter den
Personen, welche Capitalien bei der Stadt anlegen. Vgl. S. 258.
«2*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0503" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115355"/>
          <p xml:id="ID_1631" prev="#ID_1630" next="#ID_1632"> und Apotheker, die sich leicht beträchtliches Vermögen sammeln konnten*), als<lb/>
&#x201E;Ehrbare". Aber freilich auch unter diesen fehlte es nicht an mancherlei Abstufungen<lb/>
des Ranges. Im Jahre 1511 zählt ein Hvlzschuher deren vier auf, von<lb/>
denen die erste Classe das eigentliche sogenannte Patriciat bildete. Nur diesem,<lb/>
das um die genannte Zeit etliche vierzig Familien umschloß, hatte zuerst der<lb/>
Usus, später auch die Gesetzgebung neben dem vorwiegenden Antheil an der<lb/>
Verwaltung der Stadt, der ausschließlichen Rathsfähigkeit, eine Reihe von<lb/>
Elnenrechten eingeräumt. Vor Allem gehörte darunter &#x2014; was man mit der<lb/>
Hoffähigkeit des modernen Gesellschaftslebens vergleichen könnte, die Berechtigung,<lb/>
im Rathhause zu tanzen. Aber auch hiervon konnte ein für solche officielle<lb/>
Feste bestellter Ausschuß einzelne der Standesgenossen aus persönlichen Grün¬<lb/>
den ausschließen, was denn nicht nur wegen unziemlichen Lebenswandels zu<lb/>
geschehen Pflegte, sondern auch wegen Verletzung der standesgemäßen Sitte er¬<lb/>
folgte. Wer &#x201E;einen offenen Kram und Handel" hat, wird wohl ausgeschlossen,<lb/>
weil er sich damit zu der inferioren Classe der Krämer und Handwerker herun-<lb/>
tcrgcgebcn hat, ebenso wie ein anderer, &#x201E;dieweil er ein alrer verlebter kindisch<lb/>
Man ist" und &#x201E;ein leichtfertiges Wesen und haußhalten" führt. Uebrigens<lb/>
arbeiteten die Patricier in der That immer lebhafter auf eine gewisse Ex-<lb/>
clusivität hin, um sich dadurch der Anerkennung durch den landsassigen Adel<lb/>
würdiger zu machen. Sie behaupteten, gleich diesem, Wappenrecht und Ritter-<lb/>
mähigkcit und veranstalteten, wie der Adel, glänzende Turniere. Von Zeit zu<lb/>
Zeit kommen wohl auch eheliche Bündnisse zwischen Mitgliedern des Patriciats<lb/>
und der fränkischen Ritterschaft vor, allein diese wollte doch den Bürgern nie¬<lb/>
mals die volle Gleichstellung zugestehen, so sehr sie auch jene wünschten und<lb/>
beanspruchten. Im Ganzen und Großen war jedoch das Patriciat zu klug<lb/>
und berechnend, um über solchen aristokratischen Anwandlungen des Ursprungs<lb/>
seiner Macht und der Quelle seiner Reichthümer zu vergessen. Es ist doch<lb/>
auch noch im 16. Jahrbundert den Tucher oder Haller oder Jmhoff nicht ein¬<lb/>
gefallen, weil einzelne Mitglieder ihrer Familien im Dienste des Kaisers oder<lb/>
anderer Potentaten (wie z. B. ein Hvlzschuher bei König Emanuel von Por¬<lb/>
tugal) die Ritterwürde erlangten, deshalb ihre Handelsbeziehungen nach Frank¬<lb/>
reich, nach Ungarn, nach Italien aufzugeben oder ihre Geschäftshäuser in Lyon,<lb/>
Ofen und Venedig zu schließen. Als ein Welser von Augsburg nach Nürnberg<lb/>
übersiedelte, der so großen Handel nach allen Ländern trieb, &#x201E;dann nie kein<lb/>
Kauffmann purger zu Nürnberg getrieben hat", ward er nach kurzem Aufent-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_47" place="foot"> Die Rechtsgelehrten, deren Nach die Stadt in Anspruch nahm, wurden gut honorirt.<lb/>
Ans dem Jahre 1384 z. B, ist berichtet, daß &#x201E;der stat jnrist" 261 Gulden unseres Geldes<lb/>
erhielt. Ein Arzt erhielt in demselben Jahre sür die Behandlung eines Beinbruches, den ein<lb/>
Knecht im Dienste der Stadt erlitten, 13 Gulden &#x2014; Aerzte erscheinen häufig unter den<lb/>
Personen, welche Capitalien bei der Stadt anlegen.  Vgl. S. 258.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> «2*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0503] und Apotheker, die sich leicht beträchtliches Vermögen sammeln konnten*), als „Ehrbare". Aber freilich auch unter diesen fehlte es nicht an mancherlei Abstufungen des Ranges. Im Jahre 1511 zählt ein Hvlzschuher deren vier auf, von denen die erste Classe das eigentliche sogenannte Patriciat bildete. Nur diesem, das um die genannte Zeit etliche vierzig Familien umschloß, hatte zuerst der Usus, später auch die Gesetzgebung neben dem vorwiegenden Antheil an der Verwaltung der Stadt, der ausschließlichen Rathsfähigkeit, eine Reihe von Elnenrechten eingeräumt. Vor Allem gehörte darunter — was man mit der Hoffähigkeit des modernen Gesellschaftslebens vergleichen könnte, die Berechtigung, im Rathhause zu tanzen. Aber auch hiervon konnte ein für solche officielle Feste bestellter Ausschuß einzelne der Standesgenossen aus persönlichen Grün¬ den ausschließen, was denn nicht nur wegen unziemlichen Lebenswandels zu geschehen Pflegte, sondern auch wegen Verletzung der standesgemäßen Sitte er¬ folgte. Wer „einen offenen Kram und Handel" hat, wird wohl ausgeschlossen, weil er sich damit zu der inferioren Classe der Krämer und Handwerker herun- tcrgcgebcn hat, ebenso wie ein anderer, „dieweil er ein alrer verlebter kindisch Man ist" und „ein leichtfertiges Wesen und haußhalten" führt. Uebrigens arbeiteten die Patricier in der That immer lebhafter auf eine gewisse Ex- clusivität hin, um sich dadurch der Anerkennung durch den landsassigen Adel würdiger zu machen. Sie behaupteten, gleich diesem, Wappenrecht und Ritter- mähigkcit und veranstalteten, wie der Adel, glänzende Turniere. Von Zeit zu Zeit kommen wohl auch eheliche Bündnisse zwischen Mitgliedern des Patriciats und der fränkischen Ritterschaft vor, allein diese wollte doch den Bürgern nie¬ mals die volle Gleichstellung zugestehen, so sehr sie auch jene wünschten und beanspruchten. Im Ganzen und Großen war jedoch das Patriciat zu klug und berechnend, um über solchen aristokratischen Anwandlungen des Ursprungs seiner Macht und der Quelle seiner Reichthümer zu vergessen. Es ist doch auch noch im 16. Jahrbundert den Tucher oder Haller oder Jmhoff nicht ein¬ gefallen, weil einzelne Mitglieder ihrer Familien im Dienste des Kaisers oder anderer Potentaten (wie z. B. ein Hvlzschuher bei König Emanuel von Por¬ tugal) die Ritterwürde erlangten, deshalb ihre Handelsbeziehungen nach Frank¬ reich, nach Ungarn, nach Italien aufzugeben oder ihre Geschäftshäuser in Lyon, Ofen und Venedig zu schließen. Als ein Welser von Augsburg nach Nürnberg übersiedelte, der so großen Handel nach allen Ländern trieb, „dann nie kein Kauffmann purger zu Nürnberg getrieben hat", ward er nach kurzem Aufent- Die Rechtsgelehrten, deren Nach die Stadt in Anspruch nahm, wurden gut honorirt. Ans dem Jahre 1384 z. B, ist berichtet, daß „der stat jnrist" 261 Gulden unseres Geldes erhielt. Ein Arzt erhielt in demselben Jahre sür die Behandlung eines Beinbruches, den ein Knecht im Dienste der Stadt erlitten, 13 Gulden — Aerzte erscheinen häufig unter den Personen, welche Capitalien bei der Stadt anlegen. Vgl. S. 258. «2*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/503
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/503>, abgerufen am 27.09.2024.