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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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und darauf, daß ihm seine diplomatische Niederlage bei einigermaßen geschickter
Behandlung nicht zum Nachtheil ausschlagen wird. Der deutsche Bund wird
von der ganzen Nation als eine übele Einrichtung deshalb ertragen, weil das
Volk selbst mitten in der Arbeit ist, etwas Neues an die Stelle zu setzen. Es
ist ein großes Unglück, daß die gegenwärtige Regierung Preußens dies Neue
nicht bringen kann, es bleibt ihr immer noch übrig, wie die Nation selbst das
Bundesverhältniß als eine unvermeidliche Last fortzudulden.

Wahrscheinlich denkt Herr von Bismark anders. Will er aber einer allerdings
unerhörten Majorisirung energisch entgegentreten, so bleibt ihm nach Lage der
Dinge nichts weiter übrig, als Preußen von dem Bunde zu lösen. Wenn die
Stimmen der Presse nicht täuschen, so ist dies in der That sein Plan. Nun
gibt es in Preußen auch unter den Liberalen viele, welcher mit geheimer Freude
das Ausscheiden Preußens aus dem deutschen Bunde sehen würden, entweder
weil sie die Bundesversammlung zu Frankfurt sehr gering achten, oder weil sie
für vortheilhaft halten, daß Preußen in eine Lage komme, welche große Ent¬
schlüsse nöthig macht. Es frägt sich nur, ob das gegenwärtige Preußen über¬
haupt in der Lage ist, große Entschlüsse zu fassen und, was wichtiger ist, gefaßte
Entschlüsse mit Entschlossenheit auszuführen.

Daß Preußen allein mit seinem getheilten Gebiet nicht auf die Länge
zwischen dem Terrain eines Staatenbundes bestehen kann, welcher durch Oest¬
reich geleitet wird, ist selbstverständlich. Sobald ein preußischer Minister seinen
Austritt aus dem Bund erklären wollte, müßte er in der Lage sein, dem
Bunde ein Gegenbündniß wenigstens mit seinen Nachbarn gegenüberzustellen.
Dazu ist jetzt noch weniger Aussicht als vor dem Tage vor Olmütz. Mit Güte
wird kaum eine deutsche Regierung, vielleicht einige kleine Staaten Thüringens
ausgenommen, in eine Union treten, welche Herr von Bismark vorschlägt. Er
wird sie also mit Gewalt dazu anhalten müssen. Und es ist gar nicht unmög¬
lich,' daß in seinem Haupte ein solches Project arbeitet. Ohne Zweifel werden
in den militärischen Kreisen Preußens ernste Eventualitäten überlegt. Die
Reisen der Corpscommandaten nach Berlin und manches Andere, was an die
Zeit der letzten Mobilmachung und der hessischen Demonstration erinnert,
legt diese Vermuthung nahe. Ein Versuch aber, mit Gewalt Bundes¬
genossen in Deutschland zu werben, ist doch nichts Anderes als Krieg mit
Oestreich, und zwar ein Krieg, der insofern ungünstig ist, als diesem Staat
der gesammte Militärorganismus des Bundes gegen Preußen zur Disposition
stehen würde.

Ein Krieg in Deutschland, etwa schon im nächsten Frühjahr, wird wahr¬
scheinlich auch Herrn von Bismark nicht als Kleinigkeit erscheinen, und da er
in jedem Falle für diese Katastrophe die kräftige Uebereinstimmung der preußi¬
schen Parteien wünschenswert!) halten müßte, so möge er, falls er über-


und darauf, daß ihm seine diplomatische Niederlage bei einigermaßen geschickter
Behandlung nicht zum Nachtheil ausschlagen wird. Der deutsche Bund wird
von der ganzen Nation als eine übele Einrichtung deshalb ertragen, weil das
Volk selbst mitten in der Arbeit ist, etwas Neues an die Stelle zu setzen. Es
ist ein großes Unglück, daß die gegenwärtige Regierung Preußens dies Neue
nicht bringen kann, es bleibt ihr immer noch übrig, wie die Nation selbst das
Bundesverhältniß als eine unvermeidliche Last fortzudulden.

Wahrscheinlich denkt Herr von Bismark anders. Will er aber einer allerdings
unerhörten Majorisirung energisch entgegentreten, so bleibt ihm nach Lage der
Dinge nichts weiter übrig, als Preußen von dem Bunde zu lösen. Wenn die
Stimmen der Presse nicht täuschen, so ist dies in der That sein Plan. Nun
gibt es in Preußen auch unter den Liberalen viele, welcher mit geheimer Freude
das Ausscheiden Preußens aus dem deutschen Bunde sehen würden, entweder
weil sie die Bundesversammlung zu Frankfurt sehr gering achten, oder weil sie
für vortheilhaft halten, daß Preußen in eine Lage komme, welche große Ent¬
schlüsse nöthig macht. Es frägt sich nur, ob das gegenwärtige Preußen über¬
haupt in der Lage ist, große Entschlüsse zu fassen und, was wichtiger ist, gefaßte
Entschlüsse mit Entschlossenheit auszuführen.

Daß Preußen allein mit seinem getheilten Gebiet nicht auf die Länge
zwischen dem Terrain eines Staatenbundes bestehen kann, welcher durch Oest¬
reich geleitet wird, ist selbstverständlich. Sobald ein preußischer Minister seinen
Austritt aus dem Bund erklären wollte, müßte er in der Lage sein, dem
Bunde ein Gegenbündniß wenigstens mit seinen Nachbarn gegenüberzustellen.
Dazu ist jetzt noch weniger Aussicht als vor dem Tage vor Olmütz. Mit Güte
wird kaum eine deutsche Regierung, vielleicht einige kleine Staaten Thüringens
ausgenommen, in eine Union treten, welche Herr von Bismark vorschlägt. Er
wird sie also mit Gewalt dazu anhalten müssen. Und es ist gar nicht unmög¬
lich,' daß in seinem Haupte ein solches Project arbeitet. Ohne Zweifel werden
in den militärischen Kreisen Preußens ernste Eventualitäten überlegt. Die
Reisen der Corpscommandaten nach Berlin und manches Andere, was an die
Zeit der letzten Mobilmachung und der hessischen Demonstration erinnert,
legt diese Vermuthung nahe. Ein Versuch aber, mit Gewalt Bundes¬
genossen in Deutschland zu werben, ist doch nichts Anderes als Krieg mit
Oestreich, und zwar ein Krieg, der insofern ungünstig ist, als diesem Staat
der gesammte Militärorganismus des Bundes gegen Preußen zur Disposition
stehen würde.

Ein Krieg in Deutschland, etwa schon im nächsten Frühjahr, wird wahr¬
scheinlich auch Herrn von Bismark nicht als Kleinigkeit erscheinen, und da er
in jedem Falle für diese Katastrophe die kräftige Uebereinstimmung der preußi¬
schen Parteien wünschenswert!) halten müßte, so möge er, falls er über-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/497>, abgerufen am 27.09.2024.