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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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die Regierung hat auffällig bewiesen, daß sie mit dem eigenen Volke nicht fer¬
tig werben kann, sie hat zuletzt noch in der hessischen Frage bewiesen, daß sie
sich selbst bei verhältnißmäßig kleiner Verwickelung ohne Oestreichs Hülfe
unsicher fühlt. Es wäre thöricht, eine solche Zeit der augenscheinlichen Schwäche
nicht zu benutzen.. So hat Oestreich die stärkste Veranlassung, den Deutschen
eine Delegation von Volksvertretern am Bunde zum Geschenk zu machen und
man wird von Wien aus zuverlässig Alles daran setzen, um seinen Willen
durchzuführen.

Deshalb ist die Sache ernst und für die Zukunft Preußens wird der Weg
folgenschwer, auf dem es einen solchen Angriff Oestreichs abwehrt.

Einer liberalen Regierung in Preußen wäre diese Abwehr eines our
derlichen und ick letzten Grunde unausführbaren Projectes Kleinigkeit. In
jeder Versammlung deutscher Volksvertreter würde sie eine Partei, in den meisten
eine Majorität als Bundesgenossen ihres Widerstandes finden. Sie würde,
auch wenn sie sich nur abwehrend verhalten wollte, einen lauten Ruf des
Widerwillens im Volke gegen das östreichische Project aufregen und sogar den
wenigen Regierungen ihren Entschluß lähmen, welche widerstandslos im öst¬
reichischen Fahrwasser hintreiben. Aber sie würde den besten Vortheil aus der
Hand geben, wenn si> sich nur in der Defensive halten wollte. Denn dies
östreichische Project ist für jede populäre Regierung Preußens, für jede, welche
Verständniß und Wärme für die Ehre des eigenen Landes und das Interesse
Deutschlands hat, nichts als eine gefährliche Blöße, welche sich die Gegner ge¬
geben haben. Es gibt der preußischen Regierung die bequemste Veranlassung,
dem Einfluß Oestreichs einen Hebel unterzulegen, und ihn bei erster Gelegen¬
heit aus Deutschland fortzuschleudern. Eine preußische Regierung, wie sie
sein sollte, hätte nichts weiter nöthig als ihr völliges und herzliches EinVer¬
ständniß damit zu erklären, daß eine wirkliche Volksvertretung am Bund ge¬
schaffen werde. Sie hätte nur nöthig dem östreichischen Plan einen andern gegen¬
überzustellen, welcher in Wahrheit den Bund in einen Bundesstaat um¬
wandelt. Und wenn sie von Muth und Verständniß ihres eigenen höchsten
Interesses erfüllt wäre, sie hätte nur nöthig auf das einzugehen, was ihr die
preußische Partei in diesem Sommer bereits in der öffentlichen Meinung vor¬
gearbeitet hat. und sich mit kurzem Entschluß auf den Standpunkt der Reichs-
verfassung von 1849 zu stellen. Dadurch wird nicht nur der Streich der
Gegner parirt. ihnen selbst wird eine schwere Niederlage beigebracht. Der
Bund würde sich erschreckt hinter seine alte Ordnung zurückziehn und Preußen
würde Zeit haben, eine günstige Gelegenheit zu erwarten, um dem deutschen
Staatenbund die volksthümliche Verfassung zu geben. Und diese Anerkennung
der Reichsverfassung von 1849 hat für eine entschlossene Regierung Preußens
gar nichts Bedenkliches. Denn die Anerkennung dieser Verfassung, bei welcher


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die Regierung hat auffällig bewiesen, daß sie mit dem eigenen Volke nicht fer¬
tig werben kann, sie hat zuletzt noch in der hessischen Frage bewiesen, daß sie
sich selbst bei verhältnißmäßig kleiner Verwickelung ohne Oestreichs Hülfe
unsicher fühlt. Es wäre thöricht, eine solche Zeit der augenscheinlichen Schwäche
nicht zu benutzen.. So hat Oestreich die stärkste Veranlassung, den Deutschen
eine Delegation von Volksvertretern am Bunde zum Geschenk zu machen und
man wird von Wien aus zuverlässig Alles daran setzen, um seinen Willen
durchzuführen.

Deshalb ist die Sache ernst und für die Zukunft Preußens wird der Weg
folgenschwer, auf dem es einen solchen Angriff Oestreichs abwehrt.

Einer liberalen Regierung in Preußen wäre diese Abwehr eines our
derlichen und ick letzten Grunde unausführbaren Projectes Kleinigkeit. In
jeder Versammlung deutscher Volksvertreter würde sie eine Partei, in den meisten
eine Majorität als Bundesgenossen ihres Widerstandes finden. Sie würde,
auch wenn sie sich nur abwehrend verhalten wollte, einen lauten Ruf des
Widerwillens im Volke gegen das östreichische Project aufregen und sogar den
wenigen Regierungen ihren Entschluß lähmen, welche widerstandslos im öst¬
reichischen Fahrwasser hintreiben. Aber sie würde den besten Vortheil aus der
Hand geben, wenn si> sich nur in der Defensive halten wollte. Denn dies
östreichische Project ist für jede populäre Regierung Preußens, für jede, welche
Verständniß und Wärme für die Ehre des eigenen Landes und das Interesse
Deutschlands hat, nichts als eine gefährliche Blöße, welche sich die Gegner ge¬
geben haben. Es gibt der preußischen Regierung die bequemste Veranlassung,
dem Einfluß Oestreichs einen Hebel unterzulegen, und ihn bei erster Gelegen¬
heit aus Deutschland fortzuschleudern. Eine preußische Regierung, wie sie
sein sollte, hätte nichts weiter nöthig als ihr völliges und herzliches EinVer¬
ständniß damit zu erklären, daß eine wirkliche Volksvertretung am Bund ge¬
schaffen werde. Sie hätte nur nöthig dem östreichischen Plan einen andern gegen¬
überzustellen, welcher in Wahrheit den Bund in einen Bundesstaat um¬
wandelt. Und wenn sie von Muth und Verständniß ihres eigenen höchsten
Interesses erfüllt wäre, sie hätte nur nöthig auf das einzugehen, was ihr die
preußische Partei in diesem Sommer bereits in der öffentlichen Meinung vor¬
gearbeitet hat. und sich mit kurzem Entschluß auf den Standpunkt der Reichs-
verfassung von 1849 zu stellen. Dadurch wird nicht nur der Streich der
Gegner parirt. ihnen selbst wird eine schwere Niederlage beigebracht. Der
Bund würde sich erschreckt hinter seine alte Ordnung zurückziehn und Preußen
würde Zeit haben, eine günstige Gelegenheit zu erwarten, um dem deutschen
Staatenbund die volksthümliche Verfassung zu geben. Und diese Anerkennung
der Reichsverfassung von 1849 hat für eine entschlossene Regierung Preußens
gar nichts Bedenkliches. Denn die Anerkennung dieser Verfassung, bei welcher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/495>, abgerufen am 20.10.2024.