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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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daß der Plan für die Nation unannehmbar sei, daß er einen nichtigen
Schatten an die Stelle des Wesens setze, daß er die deutsche Entwickelung,
statt sie zu fördern in gefährlichster Weise aufhalte und aus Abwege bringe. Auch
ist Grund zu der Annahme, daß die Würzburger Regierungen selbst weder eifrig,
noch mit gutem Vertrauen an die Realisirung dieses Projects gehen würden.
Sie alle, fast ohne Ausnahme, betrachten den Plan in der Stille als eine
unbequeme und gefährliche Neuerung, die nur so weit ins Auge zu fassen sei,
als die aufgeregten Forderungen des Volkes eine gewisse Befriedigung unvermeid¬
lich machen. Und da die gegenwärtige Uneinigkeit in Preußen, die daraus her¬
vorgehende Schwäche des Staates und die UnPopularität seiner Negierung
gerade jetzt jeden Fortschritt Preußens in Deutschland unmöglich machen, so
ist ihnen allen sicher an dem Project so wenig gelegen, daß sie es am liebsten
durch die Bundesversammlung begraben ließen. Ja die Klügeren der Würz¬
burger Regierungen meinen wohl, daß jetzt die Zeit gekommen ist, wo man
Preußen zu schonen habe. Seine Wagschale ist so hoch in die Höhe geschnellt
und Oestreichs Macht so viel schwerer geworden, daß bereits ein Ausgleichen
der beiden Gewichte rathsam wird. Der Handelsvertrag mit Frankreich, dem
auf die Länge doch nicht zu widerstehen ist. gibt gute Gelegenheit, sich der
gegenwärtigen Regierung Preußens zu nähern, dieselbe zu verpflichten und
dadurch die eigene Zwischenstellung ohne Beeinträchtigung zu erhalten. Es be¬
reitet keine Gefahr, wenigstens keine naheliegende, den Frieden-mit der eigenen
Bevölkerung dadurch zu erkaufen, daß man Herrn v. Bismark in dieser popu¬
lären Frage guten Willen erweist und der östreichischen RegMung zu verstehen
gibt, wie man kein willenloser Anhänger ihrer Politik zu sein nöthig habe.

Weit anders steht Oestreich zu der Delegirtenversammlung. Für die
deutsche Politik Oestreichs ist es von größter Wichtigkeit, gerade jetzt in Deutsch¬
land etwas zu schaffen, was von Neuem das Uebergewicht Oestreichs erweist und
Millionen schon dadurch imponirt. weil os durchgesetzt ist; was ferner ein Prä¬
judiz wird für alle künftigen neuen Schöpfungen, weil es die Deutschen gewöhnt,
gemeinsam mit den Oestreichern zu reden, zu verhandeln, Beschlüsse zu fassen;
was endlich gegenüber fremden Nationen und gegenüber den eigenen Völkern die
Suprematie Oestreichs in Deutschland unzweifelhaft feststellt. Daß das Ganze
eine hohle Form ist, daß es in der That keine Resultate geben kann, daß es
in den deutschen Staaten die Verwirrung und Zersplitterung der Parteien und
Interessen noch vergrößern würde, gerade dies muß für die Regierung des Kaiser¬
staats ein Grund mehr sein, den Plan zu betreiben. Und nie wieder ist eine
solche Gunst der Verhältnisse zu erwarten. In unerhörter Weise ist Preußen
aus seiner jungen Popularität herausgehoben und vereinsamt, es hat keine
Bundesgenossen, die eifrigsten Anhänger des Staates im deutschen Volke sind
durch das, was jetzt in Preußen geschieht, zu Trauer und Schweigen vemrtheilt.


daß der Plan für die Nation unannehmbar sei, daß er einen nichtigen
Schatten an die Stelle des Wesens setze, daß er die deutsche Entwickelung,
statt sie zu fördern in gefährlichster Weise aufhalte und aus Abwege bringe. Auch
ist Grund zu der Annahme, daß die Würzburger Regierungen selbst weder eifrig,
noch mit gutem Vertrauen an die Realisirung dieses Projects gehen würden.
Sie alle, fast ohne Ausnahme, betrachten den Plan in der Stille als eine
unbequeme und gefährliche Neuerung, die nur so weit ins Auge zu fassen sei,
als die aufgeregten Forderungen des Volkes eine gewisse Befriedigung unvermeid¬
lich machen. Und da die gegenwärtige Uneinigkeit in Preußen, die daraus her¬
vorgehende Schwäche des Staates und die UnPopularität seiner Negierung
gerade jetzt jeden Fortschritt Preußens in Deutschland unmöglich machen, so
ist ihnen allen sicher an dem Project so wenig gelegen, daß sie es am liebsten
durch die Bundesversammlung begraben ließen. Ja die Klügeren der Würz¬
burger Regierungen meinen wohl, daß jetzt die Zeit gekommen ist, wo man
Preußen zu schonen habe. Seine Wagschale ist so hoch in die Höhe geschnellt
und Oestreichs Macht so viel schwerer geworden, daß bereits ein Ausgleichen
der beiden Gewichte rathsam wird. Der Handelsvertrag mit Frankreich, dem
auf die Länge doch nicht zu widerstehen ist. gibt gute Gelegenheit, sich der
gegenwärtigen Regierung Preußens zu nähern, dieselbe zu verpflichten und
dadurch die eigene Zwischenstellung ohne Beeinträchtigung zu erhalten. Es be¬
reitet keine Gefahr, wenigstens keine naheliegende, den Frieden-mit der eigenen
Bevölkerung dadurch zu erkaufen, daß man Herrn v. Bismark in dieser popu¬
lären Frage guten Willen erweist und der östreichischen RegMung zu verstehen
gibt, wie man kein willenloser Anhänger ihrer Politik zu sein nöthig habe.

Weit anders steht Oestreich zu der Delegirtenversammlung. Für die
deutsche Politik Oestreichs ist es von größter Wichtigkeit, gerade jetzt in Deutsch¬
land etwas zu schaffen, was von Neuem das Uebergewicht Oestreichs erweist und
Millionen schon dadurch imponirt. weil os durchgesetzt ist; was ferner ein Prä¬
judiz wird für alle künftigen neuen Schöpfungen, weil es die Deutschen gewöhnt,
gemeinsam mit den Oestreichern zu reden, zu verhandeln, Beschlüsse zu fassen;
was endlich gegenüber fremden Nationen und gegenüber den eigenen Völkern die
Suprematie Oestreichs in Deutschland unzweifelhaft feststellt. Daß das Ganze
eine hohle Form ist, daß es in der That keine Resultate geben kann, daß es
in den deutschen Staaten die Verwirrung und Zersplitterung der Parteien und
Interessen noch vergrößern würde, gerade dies muß für die Regierung des Kaiser¬
staats ein Grund mehr sein, den Plan zu betreiben. Und nie wieder ist eine
solche Gunst der Verhältnisse zu erwarten. In unerhörter Weise ist Preußen
aus seiner jungen Popularität herausgehoben und vereinsamt, es hat keine
Bundesgenossen, die eifrigsten Anhänger des Staates im deutschen Volke sind
durch das, was jetzt in Preußen geschieht, zu Trauer und Schweigen vemrtheilt.


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[0494] daß der Plan für die Nation unannehmbar sei, daß er einen nichtigen Schatten an die Stelle des Wesens setze, daß er die deutsche Entwickelung, statt sie zu fördern in gefährlichster Weise aufhalte und aus Abwege bringe. Auch ist Grund zu der Annahme, daß die Würzburger Regierungen selbst weder eifrig, noch mit gutem Vertrauen an die Realisirung dieses Projects gehen würden. Sie alle, fast ohne Ausnahme, betrachten den Plan in der Stille als eine unbequeme und gefährliche Neuerung, die nur so weit ins Auge zu fassen sei, als die aufgeregten Forderungen des Volkes eine gewisse Befriedigung unvermeid¬ lich machen. Und da die gegenwärtige Uneinigkeit in Preußen, die daraus her¬ vorgehende Schwäche des Staates und die UnPopularität seiner Negierung gerade jetzt jeden Fortschritt Preußens in Deutschland unmöglich machen, so ist ihnen allen sicher an dem Project so wenig gelegen, daß sie es am liebsten durch die Bundesversammlung begraben ließen. Ja die Klügeren der Würz¬ burger Regierungen meinen wohl, daß jetzt die Zeit gekommen ist, wo man Preußen zu schonen habe. Seine Wagschale ist so hoch in die Höhe geschnellt und Oestreichs Macht so viel schwerer geworden, daß bereits ein Ausgleichen der beiden Gewichte rathsam wird. Der Handelsvertrag mit Frankreich, dem auf die Länge doch nicht zu widerstehen ist. gibt gute Gelegenheit, sich der gegenwärtigen Regierung Preußens zu nähern, dieselbe zu verpflichten und dadurch die eigene Zwischenstellung ohne Beeinträchtigung zu erhalten. Es be¬ reitet keine Gefahr, wenigstens keine naheliegende, den Frieden-mit der eigenen Bevölkerung dadurch zu erkaufen, daß man Herrn v. Bismark in dieser popu¬ lären Frage guten Willen erweist und der östreichischen RegMung zu verstehen gibt, wie man kein willenloser Anhänger ihrer Politik zu sein nöthig habe. Weit anders steht Oestreich zu der Delegirtenversammlung. Für die deutsche Politik Oestreichs ist es von größter Wichtigkeit, gerade jetzt in Deutsch¬ land etwas zu schaffen, was von Neuem das Uebergewicht Oestreichs erweist und Millionen schon dadurch imponirt. weil os durchgesetzt ist; was ferner ein Prä¬ judiz wird für alle künftigen neuen Schöpfungen, weil es die Deutschen gewöhnt, gemeinsam mit den Oestreichern zu reden, zu verhandeln, Beschlüsse zu fassen; was endlich gegenüber fremden Nationen und gegenüber den eigenen Völkern die Suprematie Oestreichs in Deutschland unzweifelhaft feststellt. Daß das Ganze eine hohle Form ist, daß es in der That keine Resultate geben kann, daß es in den deutschen Staaten die Verwirrung und Zersplitterung der Parteien und Interessen noch vergrößern würde, gerade dies muß für die Regierung des Kaiser¬ staats ein Grund mehr sein, den Plan zu betreiben. Und nie wieder ist eine solche Gunst der Verhältnisse zu erwarten. In unerhörter Weise ist Preußen aus seiner jungen Popularität herausgehoben und vereinsamt, es hat keine Bundesgenossen, die eifrigsten Anhänger des Staates im deutschen Volke sind durch das, was jetzt in Preußen geschieht, zu Trauer und Schweigen vemrtheilt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/494>, abgerufen am 27.09.2024.