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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Mitunter geschah es, daß in eine lagernde Gruppe plötzlich ein Hagel von
Kugeln hineinprasselte, die einer der Feinde hierher dirigirte, der auf einen
Baum gestiegen war und dort die Gelegenheit ausgekundschaftet hatte. Mehr¬
mals erfolgten auch ernstere Angriffe, welche das ganze Lager allarmirten, aber
von den Gegnern nur unternommen wurden, um die Bundestruppen zu er¬
müden und in steter Aufregung zu erhalten. Die General" des Südens woll¬
ten ebenso wenig wie die des Nordens eine vorzeitige allgemeine Action. Jeder
Tag mehrte ihre Streitkräfte und sie hatten deren noch mehr zu erwarten.
Alle verfügbaren Truppen der Rebellion mußten in Kurzem bei Richmond ver¬
einigt sein. Während dessen richteten im Bundesheerc Krankheiten große Ver¬
wüstungen an. Die starke Hitze, die Ausdünstungen des Sumpfbodens erzeug¬
ten Fieber, welche fast sofort einen typhösem Charakter annahmen. Auch das
Urlaubssystem, das in der Armee eingerissen war. schwächte dieselbe beträchtlich;
denn mancher, den sein Oberst auf einige Tage beurlaubt, erschien gar nicht
wieder. Zwar erhielt Mac Clellan jetzt einige Verstärkungen, indem ihm die
Division Mac Call wieder zugeführt wurde und von Fort Monroe einige tau¬
send Mann eintrafen, aber das war nicht genug, um die Lücken auszufüllen,
die in seinen Reihen entstanden waren und die jeder Tag erweiterte.

Diese in Unthätigkeit verbrachten Tage hatten noch außerdem die Unbe¬
quemlichkeit, die feindlichen Parteigänger zu kühnen Handstreichen zu ermuthigen,
von denen nur der bekannte des Obersten Lee erwähnt sein mag, der 1500
conföderirte Reiter in den Rücken der Bundesarmec nach Hannover Court
House führte, und hier zwar seinen Zweck, die Uorkriver.Eisenbahn zu zer¬
stören . nicht erreichte, aber doch eine glänzende Razzia unter den Magazinen
der Armee anrichtete.

Dergleichen Ueberfälle konnten sich wiederholen; denn Mac Clellan hatte
nicht genug Leute mehr, sich dagegen zu schützen. Er besaß eben nur noch zwei
Drittheile der Mannschaft, mit der er ins Feld gerückt war, und hatte einen
Feind vor sich, der mindestens doppelt so stark war wie.er. Er dachte jetzt
ernstlich an die Versetzung seiner ganzen Armee an den Jamesriver, um dort
eine neue Operationsbasis zu gewinnen und hier eine große Schlacht zu liefern,
die er mit Hülfe der Kanonenboote zu gewinnen hoffte. Aber es war bis dahin
eine Strecke von siebzehn englischen Meilen zurückzulegen, und die Bewegung
hatte ihre Gefahren, ganz abgesehen davon, daß dieser Marsch aussah, als
bliese man zum Rückzug.

So wurde der Plan vertagt. Mit der Zähigkeit, welche bei dem Ameri¬
kaner neben der obenangeführten Langsamkeit hergeht und dieselbe in gewissem
Grade ausgleicht, beschloß man, nicht eher zurückzuweichen, als bis man ge¬
hörig verstärkt wäre. Man wollte die angefangnen Operationen, doch traf
man wenigstens die weise Vorsichtsmaßregel, die mit Munition und Proviant


Mitunter geschah es, daß in eine lagernde Gruppe plötzlich ein Hagel von
Kugeln hineinprasselte, die einer der Feinde hierher dirigirte, der auf einen
Baum gestiegen war und dort die Gelegenheit ausgekundschaftet hatte. Mehr¬
mals erfolgten auch ernstere Angriffe, welche das ganze Lager allarmirten, aber
von den Gegnern nur unternommen wurden, um die Bundestruppen zu er¬
müden und in steter Aufregung zu erhalten. Die General« des Südens woll¬
ten ebenso wenig wie die des Nordens eine vorzeitige allgemeine Action. Jeder
Tag mehrte ihre Streitkräfte und sie hatten deren noch mehr zu erwarten.
Alle verfügbaren Truppen der Rebellion mußten in Kurzem bei Richmond ver¬
einigt sein. Während dessen richteten im Bundesheerc Krankheiten große Ver¬
wüstungen an. Die starke Hitze, die Ausdünstungen des Sumpfbodens erzeug¬
ten Fieber, welche fast sofort einen typhösem Charakter annahmen. Auch das
Urlaubssystem, das in der Armee eingerissen war. schwächte dieselbe beträchtlich;
denn mancher, den sein Oberst auf einige Tage beurlaubt, erschien gar nicht
wieder. Zwar erhielt Mac Clellan jetzt einige Verstärkungen, indem ihm die
Division Mac Call wieder zugeführt wurde und von Fort Monroe einige tau¬
send Mann eintrafen, aber das war nicht genug, um die Lücken auszufüllen,
die in seinen Reihen entstanden waren und die jeder Tag erweiterte.

Diese in Unthätigkeit verbrachten Tage hatten noch außerdem die Unbe¬
quemlichkeit, die feindlichen Parteigänger zu kühnen Handstreichen zu ermuthigen,
von denen nur der bekannte des Obersten Lee erwähnt sein mag, der 1500
conföderirte Reiter in den Rücken der Bundesarmec nach Hannover Court
House führte, und hier zwar seinen Zweck, die Uorkriver.Eisenbahn zu zer¬
stören . nicht erreichte, aber doch eine glänzende Razzia unter den Magazinen
der Armee anrichtete.

Dergleichen Ueberfälle konnten sich wiederholen; denn Mac Clellan hatte
nicht genug Leute mehr, sich dagegen zu schützen. Er besaß eben nur noch zwei
Drittheile der Mannschaft, mit der er ins Feld gerückt war, und hatte einen
Feind vor sich, der mindestens doppelt so stark war wie.er. Er dachte jetzt
ernstlich an die Versetzung seiner ganzen Armee an den Jamesriver, um dort
eine neue Operationsbasis zu gewinnen und hier eine große Schlacht zu liefern,
die er mit Hülfe der Kanonenboote zu gewinnen hoffte. Aber es war bis dahin
eine Strecke von siebzehn englischen Meilen zurückzulegen, und die Bewegung
hatte ihre Gefahren, ganz abgesehen davon, daß dieser Marsch aussah, als
bliese man zum Rückzug.

So wurde der Plan vertagt. Mit der Zähigkeit, welche bei dem Ameri¬
kaner neben der obenangeführten Langsamkeit hergeht und dieselbe in gewissem
Grade ausgleicht, beschloß man, nicht eher zurückzuweichen, als bis man ge¬
hörig verstärkt wäre. Man wollte die angefangnen Operationen, doch traf
man wenigstens die weise Vorsichtsmaßregel, die mit Munition und Proviant


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[0473] Mitunter geschah es, daß in eine lagernde Gruppe plötzlich ein Hagel von Kugeln hineinprasselte, die einer der Feinde hierher dirigirte, der auf einen Baum gestiegen war und dort die Gelegenheit ausgekundschaftet hatte. Mehr¬ mals erfolgten auch ernstere Angriffe, welche das ganze Lager allarmirten, aber von den Gegnern nur unternommen wurden, um die Bundestruppen zu er¬ müden und in steter Aufregung zu erhalten. Die General« des Südens woll¬ ten ebenso wenig wie die des Nordens eine vorzeitige allgemeine Action. Jeder Tag mehrte ihre Streitkräfte und sie hatten deren noch mehr zu erwarten. Alle verfügbaren Truppen der Rebellion mußten in Kurzem bei Richmond ver¬ einigt sein. Während dessen richteten im Bundesheerc Krankheiten große Ver¬ wüstungen an. Die starke Hitze, die Ausdünstungen des Sumpfbodens erzeug¬ ten Fieber, welche fast sofort einen typhösem Charakter annahmen. Auch das Urlaubssystem, das in der Armee eingerissen war. schwächte dieselbe beträchtlich; denn mancher, den sein Oberst auf einige Tage beurlaubt, erschien gar nicht wieder. Zwar erhielt Mac Clellan jetzt einige Verstärkungen, indem ihm die Division Mac Call wieder zugeführt wurde und von Fort Monroe einige tau¬ send Mann eintrafen, aber das war nicht genug, um die Lücken auszufüllen, die in seinen Reihen entstanden waren und die jeder Tag erweiterte. Diese in Unthätigkeit verbrachten Tage hatten noch außerdem die Unbe¬ quemlichkeit, die feindlichen Parteigänger zu kühnen Handstreichen zu ermuthigen, von denen nur der bekannte des Obersten Lee erwähnt sein mag, der 1500 conföderirte Reiter in den Rücken der Bundesarmec nach Hannover Court House führte, und hier zwar seinen Zweck, die Uorkriver.Eisenbahn zu zer¬ stören . nicht erreichte, aber doch eine glänzende Razzia unter den Magazinen der Armee anrichtete. Dergleichen Ueberfälle konnten sich wiederholen; denn Mac Clellan hatte nicht genug Leute mehr, sich dagegen zu schützen. Er besaß eben nur noch zwei Drittheile der Mannschaft, mit der er ins Feld gerückt war, und hatte einen Feind vor sich, der mindestens doppelt so stark war wie.er. Er dachte jetzt ernstlich an die Versetzung seiner ganzen Armee an den Jamesriver, um dort eine neue Operationsbasis zu gewinnen und hier eine große Schlacht zu liefern, die er mit Hülfe der Kanonenboote zu gewinnen hoffte. Aber es war bis dahin eine Strecke von siebzehn englischen Meilen zurückzulegen, und die Bewegung hatte ihre Gefahren, ganz abgesehen davon, daß dieser Marsch aussah, als bliese man zum Rückzug. So wurde der Plan vertagt. Mit der Zähigkeit, welche bei dem Ameri¬ kaner neben der obenangeführten Langsamkeit hergeht und dieselbe in gewissem Grade ausgleicht, beschloß man, nicht eher zurückzuweichen, als bis man ge¬ hörig verstärkt wäre. Man wollte die angefangnen Operationen, doch traf man wenigstens die weise Vorsichtsmaßregel, die mit Munition und Proviant

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/473>, abgerufen am 27.09.2024.