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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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lassen. Es war zu spät. Vier Stunden waren verloren worden und mit
ihnen die Gelegenheit. Wahrend der Nacht schwoll der Fluß an, stieg plötzlich
um zwei Fuß, wuchs rasch noch mehr, riß die neuen Brücken weg, richtete Zer¬
störungen an der Summerschen an und bedeckte das ganze Thal mit seinen
ausgetretenen Wassern. Niemand passirte hinüber.

Beim ersten Tagesgrauen begann der Kampf auf dem linken Flügel von
Neuem mit Heftigkeit. Der Feind warf sich in Masse, aber ohne Ordnung und
Methode, auf die Föderalisten, die, sich ihrer numerischen Schwäche bewußt
"ut ohne Hoffnung auf Unterstützung, sich auf Vertheidigung und Behauptung
ihres Terrains beschränkten. Man schlug sich von beiden Seiten mit wilder
Energie, ohne Lärm, ohne Geschrei. Fühlte man sich zu sehr bedrängt, so
machte man einen Bajonnetangriff. Die Artillerie, hinter der Linie in Lich¬
tungen aufgestellt, feuerte über die Kämpfenden mit Granaten hinweg. Ueberall
Haufen von Todten und Verwundeten. Schrecklich der Anblick der Ambulancen.
die man in den Häusern der Nachbarschaft eingerichtet hatte. Dazwischen ein
seltsamer Zug amerikanischer Sitte: auf dem Schlachtfelde, mitten im Feuer deS
Angriffs schrien die "Newsboys" die neuesten Nummern der Neuyorker Zeitungen
ans und fanden Käufer. Gegen Mittag nahm das Feuer allmälig ab, und
der Feind zog sich zurück; aber die Bundestruppen waren außer Stande, ihn
zu verfolgen. Man wußte damals noch nicht, welchen Verlust die Südländer
in der Person ihres Führers, des Generals Johnston erlitten, der schwer ver¬
wundet worden war. Seiner Abwesenheit verdankte man großentheils das
Angeordnete der Angriffe, welche am Morgen gegen die föderalistischen Trup¬
pen gerichtet wurden. Als das Feuer aufhörte, waren die Consöderirten, müde
von dem langen Kampfe und nicht mehr commandirt. wie man sagt (denn in
diesen Wäldern sah man nichts und war aufs Errathen angewiesen), in un¬
auflöslicher Verwirrung, und nun urtheile man, waS geschehen sein würde,
wenn sich jetzt die 35,000 Mann frischer Truppen vom andern Ufer des Chi-
kcchominy auf die Flanke dieser ungeordneten Masse hätte werfen können.

Es war eine echt amerikanische Schlacht gewesen. Der Kampf hatte viel
Blut gekostet: während die Armee des Nordens 5000 Mann verloren, hatte
die des Südens mindestens 8000 eingebüßt, aber auf beiden Seiten war daS
Ergebniß ein negatives. Die Consöderirten, sehr überlegen an Zahl, hatten
kräftig "'-gegriffen, ihre Gegner eine englische SNeile weit zurückgetrieben, ihnen
einige Kanonen abgenommen und dann dort Halt gemacht, zufrieden, sich so das
Recht erworben zu haben, den Sieg in Anspruch zu nehmen. Die Föderalisten
hatten die Defensivschlacht gehabt, die sie gewünscht, hatten den Feind zurück¬
geworfen, einen General und eine gute Anzahl Andere zu Gefangenen gemacht;
aber, durch natürliche Hindernisse, die vielleicht nicht unüversteiglich waren,
aufgehalten, hatten sie von ihrem Erfolg keinen Nutzen gezogen. Hatten die


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lassen. Es war zu spät. Vier Stunden waren verloren worden und mit
ihnen die Gelegenheit. Wahrend der Nacht schwoll der Fluß an, stieg plötzlich
um zwei Fuß, wuchs rasch noch mehr, riß die neuen Brücken weg, richtete Zer¬
störungen an der Summerschen an und bedeckte das ganze Thal mit seinen
ausgetretenen Wassern. Niemand passirte hinüber.

Beim ersten Tagesgrauen begann der Kampf auf dem linken Flügel von
Neuem mit Heftigkeit. Der Feind warf sich in Masse, aber ohne Ordnung und
Methode, auf die Föderalisten, die, sich ihrer numerischen Schwäche bewußt
»ut ohne Hoffnung auf Unterstützung, sich auf Vertheidigung und Behauptung
ihres Terrains beschränkten. Man schlug sich von beiden Seiten mit wilder
Energie, ohne Lärm, ohne Geschrei. Fühlte man sich zu sehr bedrängt, so
machte man einen Bajonnetangriff. Die Artillerie, hinter der Linie in Lich¬
tungen aufgestellt, feuerte über die Kämpfenden mit Granaten hinweg. Ueberall
Haufen von Todten und Verwundeten. Schrecklich der Anblick der Ambulancen.
die man in den Häusern der Nachbarschaft eingerichtet hatte. Dazwischen ein
seltsamer Zug amerikanischer Sitte: auf dem Schlachtfelde, mitten im Feuer deS
Angriffs schrien die „Newsboys" die neuesten Nummern der Neuyorker Zeitungen
ans und fanden Käufer. Gegen Mittag nahm das Feuer allmälig ab, und
der Feind zog sich zurück; aber die Bundestruppen waren außer Stande, ihn
zu verfolgen. Man wußte damals noch nicht, welchen Verlust die Südländer
in der Person ihres Führers, des Generals Johnston erlitten, der schwer ver¬
wundet worden war. Seiner Abwesenheit verdankte man großentheils das
Angeordnete der Angriffe, welche am Morgen gegen die föderalistischen Trup¬
pen gerichtet wurden. Als das Feuer aufhörte, waren die Consöderirten, müde
von dem langen Kampfe und nicht mehr commandirt. wie man sagt (denn in
diesen Wäldern sah man nichts und war aufs Errathen angewiesen), in un¬
auflöslicher Verwirrung, und nun urtheile man, waS geschehen sein würde,
wenn sich jetzt die 35,000 Mann frischer Truppen vom andern Ufer des Chi-
kcchominy auf die Flanke dieser ungeordneten Masse hätte werfen können.

Es war eine echt amerikanische Schlacht gewesen. Der Kampf hatte viel
Blut gekostet: während die Armee des Nordens 5000 Mann verloren, hatte
die des Südens mindestens 8000 eingebüßt, aber auf beiden Seiten war daS
Ergebniß ein negatives. Die Consöderirten, sehr überlegen an Zahl, hatten
kräftig «'-gegriffen, ihre Gegner eine englische SNeile weit zurückgetrieben, ihnen
einige Kanonen abgenommen und dann dort Halt gemacht, zufrieden, sich so das
Recht erworben zu haben, den Sieg in Anspruch zu nehmen. Die Föderalisten
hatten die Defensivschlacht gehabt, die sie gewünscht, hatten den Feind zurück¬
geworfen, einen General und eine gute Anzahl Andere zu Gefangenen gemacht;
aber, durch natürliche Hindernisse, die vielleicht nicht unüversteiglich waren,
aufgehalten, hatten sie von ihrem Erfolg keinen Nutzen gezogen. Hatten die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/471>, abgerufen am 27.09.2024.