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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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und ich keinen Anfang, und seine Nase war für einen Maler auch nur so so.
Ich hatte mich an die Sache gewagt, aber ich war ganz aus der Richte. An-
fangen'mußte ich, und mit was Haarigem mußt' ich anfangen, das hatte ich
mir zu stark angewöhnt; ich sing also mit dem Schnurrbart an.

Das ist mir nicht leid geworden, und wenn einer von meinen Maler-
collegen 'mal in so 'ne Lage kommen sollte, so kann er mir dreist folgen; denn
es währte gar nicht lange, so sagte der Inspector, der mir immer über die
Schultern guckte, das Bild würde sehr ähnlich, und der Mann wußte darin
Bescheid und hatte Einsicht in die Sache; denn er hatte mir gar oft zugeguckt
und hatte sein Urtheil an meinen Arbeiten ausgebildet.

Wahre' auch nicht lange, so war das Gesicht fertig, sehr schön, blos mit
ein Bischen grünlichem Schein, woran das grüne Papier Schuld sein konnte.
Nun kam aber die Uniform, blau mit einem rothen Kragen und dann die
goldnen Epauletten und die blanken Knöpfe. Wer das sein Lebtag noch nicht
gemacht hat, der wird dabei höllisch in Verlegenheit sein. So ging mir das
denn nun auch, aber ich hatte Berlinerblau und Zinnober und Chromgelb in
meinem Kasten, ich ging also flott drauflos, und weil.ich einmal gelesen hatte:
Beiwerke beim Porträt müssen mit einer gewissen flüchtigen Genialität behan¬
delt werden, so that ich das denn auch. Flüchtig genug war's, aber mit der
Genialität blieb ich vollständig hängen, denn als ich damit durch war, sagten
sie alle beide, der Inspector und der Platzmajor: Ne, das wäre nix! Mit dem
berlinerblauen Rock ging's zur Noth, aber die Epauletten und die Knöpfe sähen
ja aus, als ob sie sieben Jahr nicht geputzt worden, und der Kragen wäre
ja kein Platzmajorkragcn, sondern nur ein ganz gewöhnlicher preußischer Post¬
meisterkragen. -- Das ärgerte mich zwar niederträchtig, aber es war richtig, ein
Bischen gelblich sah er aus; denn mit dem Zinnober war ich augenscheinlich
angeführt, es war eitel rother Mennig, und ich hatte wieder mit dem infamen
Rothstein in dem Schatten herumgefuhrwerkt.

Ich hatte indeß so Viel von der Malerkunst gelernt, daß ich mich nicht
verblüffen ließ, und daß ich sagte, ich wolle das Bild mit mir nehmen und
nach ein paar Tagen wollten wir uns wiedersprechen. Und nun setzte ich
mich von einem Licht ins andere und putzte dem Herrn Platzmajor seine Epau¬
letten und Knöpfe blank, bis es zuletzt Gr. dauerte und er mir sagte, nun,
wären sie blank genug. Aber der Kragen! Noch diese Stunde, wenn ich so
'nen preußischen Jnfanteriekragen sehe, fallen mir alle meine Sünden bei; es
wurde nichts und wollte nichts werden. Zuletzt schlug sich der Zufall ins
Mittel. Gr.'s Kanarienvogel spritzte mir einen Tropfen Wasser auf den
Kragen, und auf diesem Fleck wurde er schön scharlachfarben. Wenn du ihn
so mit 'ner Art Firniß anstrichest, dachte ich. Aber nein, der Firniß ist zu
ölig, das könnte aussehen wie ein richtiger Fettfleck. Mit Gummi arabicum?


und ich keinen Anfang, und seine Nase war für einen Maler auch nur so so.
Ich hatte mich an die Sache gewagt, aber ich war ganz aus der Richte. An-
fangen'mußte ich, und mit was Haarigem mußt' ich anfangen, das hatte ich
mir zu stark angewöhnt; ich sing also mit dem Schnurrbart an.

Das ist mir nicht leid geworden, und wenn einer von meinen Maler-
collegen 'mal in so 'ne Lage kommen sollte, so kann er mir dreist folgen; denn
es währte gar nicht lange, so sagte der Inspector, der mir immer über die
Schultern guckte, das Bild würde sehr ähnlich, und der Mann wußte darin
Bescheid und hatte Einsicht in die Sache; denn er hatte mir gar oft zugeguckt
und hatte sein Urtheil an meinen Arbeiten ausgebildet.

Wahre' auch nicht lange, so war das Gesicht fertig, sehr schön, blos mit
ein Bischen grünlichem Schein, woran das grüne Papier Schuld sein konnte.
Nun kam aber die Uniform, blau mit einem rothen Kragen und dann die
goldnen Epauletten und die blanken Knöpfe. Wer das sein Lebtag noch nicht
gemacht hat, der wird dabei höllisch in Verlegenheit sein. So ging mir das
denn nun auch, aber ich hatte Berlinerblau und Zinnober und Chromgelb in
meinem Kasten, ich ging also flott drauflos, und weil.ich einmal gelesen hatte:
Beiwerke beim Porträt müssen mit einer gewissen flüchtigen Genialität behan¬
delt werden, so that ich das denn auch. Flüchtig genug war's, aber mit der
Genialität blieb ich vollständig hängen, denn als ich damit durch war, sagten
sie alle beide, der Inspector und der Platzmajor: Ne, das wäre nix! Mit dem
berlinerblauen Rock ging's zur Noth, aber die Epauletten und die Knöpfe sähen
ja aus, als ob sie sieben Jahr nicht geputzt worden, und der Kragen wäre
ja kein Platzmajorkragcn, sondern nur ein ganz gewöhnlicher preußischer Post¬
meisterkragen. — Das ärgerte mich zwar niederträchtig, aber es war richtig, ein
Bischen gelblich sah er aus; denn mit dem Zinnober war ich augenscheinlich
angeführt, es war eitel rother Mennig, und ich hatte wieder mit dem infamen
Rothstein in dem Schatten herumgefuhrwerkt.

Ich hatte indeß so Viel von der Malerkunst gelernt, daß ich mich nicht
verblüffen ließ, und daß ich sagte, ich wolle das Bild mit mir nehmen und
nach ein paar Tagen wollten wir uns wiedersprechen. Und nun setzte ich
mich von einem Licht ins andere und putzte dem Herrn Platzmajor seine Epau¬
letten und Knöpfe blank, bis es zuletzt Gr. dauerte und er mir sagte, nun,
wären sie blank genug. Aber der Kragen! Noch diese Stunde, wenn ich so
'nen preußischen Jnfanteriekragen sehe, fallen mir alle meine Sünden bei; es
wurde nichts und wollte nichts werden. Zuletzt schlug sich der Zufall ins
Mittel. Gr.'s Kanarienvogel spritzte mir einen Tropfen Wasser auf den
Kragen, und auf diesem Fleck wurde er schön scharlachfarben. Wenn du ihn
so mit 'ner Art Firniß anstrichest, dachte ich. Aber nein, der Firniß ist zu
ölig, das könnte aussehen wie ein richtiger Fettfleck. Mit Gummi arabicum?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/464>, abgerufen am 27.09.2024.