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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Unionisten mußten sieben Meilen (englisch) unterhalb Richmond, durch ein im
Flusse errichtetes Pfahlwerk und die schweren Geschütze des für sie uneinnehm¬
baren Forts Darling aufgehalten, die Weiterfahrt aufgeben.

"Um die Passage zu forciren," sagt unser Aufsatz, "hätte man das Fort
mit Truppen nehmen müssen, aber im Angesicht der wenige Meilen von da
vor Richmond in Masse vereinigten Conföderirten hatte eine solche Operation
nicht weniger als die Anwendung aller Kräfte der Armee erfordert. General
Mac Clellan hätte damals, in dem Augenblick, wo ihm die Nachricht von der
Zerstörung des Merrimac zukam, den Feldzugsplan, welchen er auszuführen
begonnen, aufgeben und durch einen schrägen Marsch rasch den Jamesriver ge¬
winnen müssen, um seine Operationen mit denen der Marine auf diesem Flusse
zu vereinigen. Heute, mit der Erfahrung der spätern Ereignisse, bin ich ge¬
neigt zu glauben, daß dies das richtigere Verfahren gewesen wäre. Ohne
Zweifel war der Marsch vom Pamunkey an den Iamesriver ein gewagter, der
Uebergang über den untern Chikahominy oder den Iamesriver. je nachdem man
sich entschlossen hätte, auf dem linken oder auf dem rechten Ufer dieses Flusses
zu operiren, würde schwierig und bei der Stellung der starken feindlichen Armee
in der Flanke der Unionisten bedenklich gewesen sein. Indeß wäre dies doch
besser gewesen als die trübselige Lage, in welcher man sich einen ganzen Monat
hindurch in den Morästen des Chikahominy befand. Aber freilich, wer konnte
damals, im entscheidenden Moment des Feldzugs, voraussehen, daß Über¬
schwemmungen, in dieser Jahreszeit ohne Beispiel, die Bestrebungen der Potomac-
Armee kreuzen und deren Bewegungen lähmen würden, wie dies am Tage der
Schlacht bei Fair Oaks geschah? Wer konnte ahnen, daß die 80,000 vor Was¬
hington vereinigten Unionisten nichts, ja weniger als nichts thun würden, um
dieser Armee bei Vereitelung der Concentration jener Streitkräfte zu helfen,
welche sich vor dieser Schlacht vollzog?"

Man setzte also den directen Marsch an der Uorkriver-Bahn trotz der von
unablässigen Regengüssen aufgeweichten Wege bis' an das User des Chikaho¬
miny fort, und zwar bis an die sogenannte Bolton-Bridge, eine jetzt zerstörte
Eisenbahnbrücke, bei der man sich nur noch sechs englische Meilen von Rich¬
mond befand. Bis dahin war der Feldzug zwar nicht gerade glänzend, aber
doch fruchtbar an Resultaten gewesen- Uorktown, eine sehr wichtige militärische
Position für den Süden war gefallen, Norfolk, das großartige Zeughaus des¬
selben, aufgegeben worden, der furchtbare Merrimac zerstört; dem General Mac
Clellan war es gelungen, ohne Unfall sein Lager vor den-Thoren der Haupt
stadt des Aufstandes aufzuschlagen, die Conföderirten mußten jetzt, wenn sie
nicht ihr Ansehen bei ihren Parteigenossen und der ganzen Welt einbüßen
wollten, eine Entscheidungsschlacht annehmen.

.Ich weih wohl." sagt der Verfasser, "daß Mac Clellan diese Schlacht


Grenzboten IV. 1SS2. 54

Unionisten mußten sieben Meilen (englisch) unterhalb Richmond, durch ein im
Flusse errichtetes Pfahlwerk und die schweren Geschütze des für sie uneinnehm¬
baren Forts Darling aufgehalten, die Weiterfahrt aufgeben.

„Um die Passage zu forciren," sagt unser Aufsatz, „hätte man das Fort
mit Truppen nehmen müssen, aber im Angesicht der wenige Meilen von da
vor Richmond in Masse vereinigten Conföderirten hatte eine solche Operation
nicht weniger als die Anwendung aller Kräfte der Armee erfordert. General
Mac Clellan hätte damals, in dem Augenblick, wo ihm die Nachricht von der
Zerstörung des Merrimac zukam, den Feldzugsplan, welchen er auszuführen
begonnen, aufgeben und durch einen schrägen Marsch rasch den Jamesriver ge¬
winnen müssen, um seine Operationen mit denen der Marine auf diesem Flusse
zu vereinigen. Heute, mit der Erfahrung der spätern Ereignisse, bin ich ge¬
neigt zu glauben, daß dies das richtigere Verfahren gewesen wäre. Ohne
Zweifel war der Marsch vom Pamunkey an den Iamesriver ein gewagter, der
Uebergang über den untern Chikahominy oder den Iamesriver. je nachdem man
sich entschlossen hätte, auf dem linken oder auf dem rechten Ufer dieses Flusses
zu operiren, würde schwierig und bei der Stellung der starken feindlichen Armee
in der Flanke der Unionisten bedenklich gewesen sein. Indeß wäre dies doch
besser gewesen als die trübselige Lage, in welcher man sich einen ganzen Monat
hindurch in den Morästen des Chikahominy befand. Aber freilich, wer konnte
damals, im entscheidenden Moment des Feldzugs, voraussehen, daß Über¬
schwemmungen, in dieser Jahreszeit ohne Beispiel, die Bestrebungen der Potomac-
Armee kreuzen und deren Bewegungen lähmen würden, wie dies am Tage der
Schlacht bei Fair Oaks geschah? Wer konnte ahnen, daß die 80,000 vor Was¬
hington vereinigten Unionisten nichts, ja weniger als nichts thun würden, um
dieser Armee bei Vereitelung der Concentration jener Streitkräfte zu helfen,
welche sich vor dieser Schlacht vollzog?"

Man setzte also den directen Marsch an der Uorkriver-Bahn trotz der von
unablässigen Regengüssen aufgeweichten Wege bis' an das User des Chikaho¬
miny fort, und zwar bis an die sogenannte Bolton-Bridge, eine jetzt zerstörte
Eisenbahnbrücke, bei der man sich nur noch sechs englische Meilen von Rich¬
mond befand. Bis dahin war der Feldzug zwar nicht gerade glänzend, aber
doch fruchtbar an Resultaten gewesen- Uorktown, eine sehr wichtige militärische
Position für den Süden war gefallen, Norfolk, das großartige Zeughaus des¬
selben, aufgegeben worden, der furchtbare Merrimac zerstört; dem General Mac
Clellan war es gelungen, ohne Unfall sein Lager vor den-Thoren der Haupt
stadt des Aufstandes aufzuschlagen, die Conföderirten mußten jetzt, wenn sie
nicht ihr Ansehen bei ihren Parteigenossen und der ganzen Welt einbüßen
wollten, eine Entscheidungsschlacht annehmen.

.Ich weih wohl." sagt der Verfasser, „daß Mac Clellan diese Schlacht


Grenzboten IV. 1SS2. 54
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[0439] Unionisten mußten sieben Meilen (englisch) unterhalb Richmond, durch ein im Flusse errichtetes Pfahlwerk und die schweren Geschütze des für sie uneinnehm¬ baren Forts Darling aufgehalten, die Weiterfahrt aufgeben. „Um die Passage zu forciren," sagt unser Aufsatz, „hätte man das Fort mit Truppen nehmen müssen, aber im Angesicht der wenige Meilen von da vor Richmond in Masse vereinigten Conföderirten hatte eine solche Operation nicht weniger als die Anwendung aller Kräfte der Armee erfordert. General Mac Clellan hätte damals, in dem Augenblick, wo ihm die Nachricht von der Zerstörung des Merrimac zukam, den Feldzugsplan, welchen er auszuführen begonnen, aufgeben und durch einen schrägen Marsch rasch den Jamesriver ge¬ winnen müssen, um seine Operationen mit denen der Marine auf diesem Flusse zu vereinigen. Heute, mit der Erfahrung der spätern Ereignisse, bin ich ge¬ neigt zu glauben, daß dies das richtigere Verfahren gewesen wäre. Ohne Zweifel war der Marsch vom Pamunkey an den Iamesriver ein gewagter, der Uebergang über den untern Chikahominy oder den Iamesriver. je nachdem man sich entschlossen hätte, auf dem linken oder auf dem rechten Ufer dieses Flusses zu operiren, würde schwierig und bei der Stellung der starken feindlichen Armee in der Flanke der Unionisten bedenklich gewesen sein. Indeß wäre dies doch besser gewesen als die trübselige Lage, in welcher man sich einen ganzen Monat hindurch in den Morästen des Chikahominy befand. Aber freilich, wer konnte damals, im entscheidenden Moment des Feldzugs, voraussehen, daß Über¬ schwemmungen, in dieser Jahreszeit ohne Beispiel, die Bestrebungen der Potomac- Armee kreuzen und deren Bewegungen lähmen würden, wie dies am Tage der Schlacht bei Fair Oaks geschah? Wer konnte ahnen, daß die 80,000 vor Was¬ hington vereinigten Unionisten nichts, ja weniger als nichts thun würden, um dieser Armee bei Vereitelung der Concentration jener Streitkräfte zu helfen, welche sich vor dieser Schlacht vollzog?" Man setzte also den directen Marsch an der Uorkriver-Bahn trotz der von unablässigen Regengüssen aufgeweichten Wege bis' an das User des Chikaho¬ miny fort, und zwar bis an die sogenannte Bolton-Bridge, eine jetzt zerstörte Eisenbahnbrücke, bei der man sich nur noch sechs englische Meilen von Rich¬ mond befand. Bis dahin war der Feldzug zwar nicht gerade glänzend, aber doch fruchtbar an Resultaten gewesen- Uorktown, eine sehr wichtige militärische Position für den Süden war gefallen, Norfolk, das großartige Zeughaus des¬ selben, aufgegeben worden, der furchtbare Merrimac zerstört; dem General Mac Clellan war es gelungen, ohne Unfall sein Lager vor den-Thoren der Haupt stadt des Aufstandes aufzuschlagen, die Conföderirten mußten jetzt, wenn sie nicht ihr Ansehen bei ihren Parteigenossen und der ganzen Welt einbüßen wollten, eine Entscheidungsschlacht annehmen. .Ich weih wohl." sagt der Verfasser, „daß Mac Clellan diese Schlacht Grenzboten IV. 1SS2. 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/439>, abgerufen am 27.09.2024.