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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Nordens schafften. Die Todten, aus Seiten des Feindes sehr zahlreich (in
einem einzigen Ms xit, fand man 63), beerdigte man an Ort und Stelle.
Ein Theil der Nnterei verfolgte die Conföderirten und nahm der Nachhut der¬
selben am ersten Tage viele Gefangene und sieben bis acht Geschütze ab. Später
ordnete sich die Flucht des Feindes zu einem geregelten Rückzug, und die Ver¬
folgung hatte jetzt kaum noch einen Zweck. Die Hauptmasse der Föderalisten
blieb, um Lebensmittel von Uorktown zu erwarten, zurück. Man erhielt sie
endlich, und da das schöne Wetter die Wege rasch getrocknet, vereinigte man sich
nach zweitägigem Marsch mit dem Corps, welches sich weiter oben am Uork-
river ausgeschifft hatte und hier einen Verproviantirungspostcn bildete. Hier
sammelte sich die ganze Armee, bis sie wieder ihren Weg auf Richmond nehmend
dem Pamunkey, einem Nebenflüsse des Uorkriver, folgte.

"Es gibt nichts Malerischeres/ als diesen Kriegszug entlang den Usern eines
schönen Flusses, durch ein herrliches Gelände, geschmückt mit allem Reichthum
einer Frühlingsvegetation. Es war eine unaufhörliche Augenweide, diesen viel¬
gewundenen Pamunkey und dieses Thal zu sehen, in welchem Prairien Von
glänzendem Grün mit bewaldeten Hügeln wechselten. Ueberall Blumen, vor¬
züglich am Wasser, wo man eine Fülle von Magnolien, virginischen Jasmin,
Azaleen und blauen Lupinen erblickte. Fliegenvögel, Kolibris, unbekannte
Vöael Von allen Farben spielten in Schwärmen zwischen dem Gezweig. Bis-
weUcn passirten wir ein Haus von schönem Aussehen, ähnlich unsern alten
Schlossern in Frankreich, mit großen Fenstern auf den Dächern, rings um das
Haus ein hübscher Garten und dahinter die Hütten der Sklaven. Bei der
Annäherung der Armee entfalteten die Bewohner eine weiße Fahne, ein Reiter
des Großprofoß stieg vor der Thür ab, und durch seine Gegenwart ermuthigt
zeigten sich die Damen in langen Mousselinkleidern, umgeben von einem
Cortsge kleiner Negerinnen mit Wollköpfen und nackten Füßen, auf der Ve-
randah, um die Truppen Vorbeimarschiren zu sehen. Oft hatten sie einen
Greis mit langen weißen Haaren, einem breitrandigen Hut und scharf markir-
ten Zügen bei sich, niemals aber junge Leute. Wohl oder übel hatte die Jn-
surgentenregierung alle tauglichen Männer aufgehoben, um sie ihren Verthei¬
digern einzuverleiben. Wenn ein Offizier vom Pferde stieg und sich den Da¬
men vorstellte, so wurde er artig aufgenommen; man bot ihm in einem Napf
mit einem Stiel, der an einem Stock befestigt war, das classische Glas Wasser,
und es begann nun eine traurige Unterhaltung. Männer und Frauen ver¬
langten vor Allem die Neuigkeiten des Tages zu hören. Sie waren ganz
ohne Kunde, die Censur der secessionistischen Zeitung war vollständig, und man
setzte Zweifel in das Wenige, was sie gaben. Dann sprach man vom Kriege.
Die Damen wünschten natürlich der Partei den Sieg, bei welcher ihre Brüder
waren, aber vor Allem sehnten sie das Ende des Kampfes und der unberechen-


Nordens schafften. Die Todten, aus Seiten des Feindes sehr zahlreich (in
einem einzigen Ms xit, fand man 63), beerdigte man an Ort und Stelle.
Ein Theil der Nnterei verfolgte die Conföderirten und nahm der Nachhut der¬
selben am ersten Tage viele Gefangene und sieben bis acht Geschütze ab. Später
ordnete sich die Flucht des Feindes zu einem geregelten Rückzug, und die Ver¬
folgung hatte jetzt kaum noch einen Zweck. Die Hauptmasse der Föderalisten
blieb, um Lebensmittel von Uorktown zu erwarten, zurück. Man erhielt sie
endlich, und da das schöne Wetter die Wege rasch getrocknet, vereinigte man sich
nach zweitägigem Marsch mit dem Corps, welches sich weiter oben am Uork-
river ausgeschifft hatte und hier einen Verproviantirungspostcn bildete. Hier
sammelte sich die ganze Armee, bis sie wieder ihren Weg auf Richmond nehmend
dem Pamunkey, einem Nebenflüsse des Uorkriver, folgte.

„Es gibt nichts Malerischeres/ als diesen Kriegszug entlang den Usern eines
schönen Flusses, durch ein herrliches Gelände, geschmückt mit allem Reichthum
einer Frühlingsvegetation. Es war eine unaufhörliche Augenweide, diesen viel¬
gewundenen Pamunkey und dieses Thal zu sehen, in welchem Prairien Von
glänzendem Grün mit bewaldeten Hügeln wechselten. Ueberall Blumen, vor¬
züglich am Wasser, wo man eine Fülle von Magnolien, virginischen Jasmin,
Azaleen und blauen Lupinen erblickte. Fliegenvögel, Kolibris, unbekannte
Vöael Von allen Farben spielten in Schwärmen zwischen dem Gezweig. Bis-
weUcn passirten wir ein Haus von schönem Aussehen, ähnlich unsern alten
Schlossern in Frankreich, mit großen Fenstern auf den Dächern, rings um das
Haus ein hübscher Garten und dahinter die Hütten der Sklaven. Bei der
Annäherung der Armee entfalteten die Bewohner eine weiße Fahne, ein Reiter
des Großprofoß stieg vor der Thür ab, und durch seine Gegenwart ermuthigt
zeigten sich die Damen in langen Mousselinkleidern, umgeben von einem
Cortsge kleiner Negerinnen mit Wollköpfen und nackten Füßen, auf der Ve-
randah, um die Truppen Vorbeimarschiren zu sehen. Oft hatten sie einen
Greis mit langen weißen Haaren, einem breitrandigen Hut und scharf markir-
ten Zügen bei sich, niemals aber junge Leute. Wohl oder übel hatte die Jn-
surgentenregierung alle tauglichen Männer aufgehoben, um sie ihren Verthei¬
digern einzuverleiben. Wenn ein Offizier vom Pferde stieg und sich den Da¬
men vorstellte, so wurde er artig aufgenommen; man bot ihm in einem Napf
mit einem Stiel, der an einem Stock befestigt war, das classische Glas Wasser,
und es begann nun eine traurige Unterhaltung. Männer und Frauen ver¬
langten vor Allem die Neuigkeiten des Tages zu hören. Sie waren ganz
ohne Kunde, die Censur der secessionistischen Zeitung war vollständig, und man
setzte Zweifel in das Wenige, was sie gaben. Dann sprach man vom Kriege.
Die Damen wünschten natürlich der Partei den Sieg, bei welcher ihre Brüder
waren, aber vor Allem sehnten sie das Ende des Kampfes und der unberechen-


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[0435] Nordens schafften. Die Todten, aus Seiten des Feindes sehr zahlreich (in einem einzigen Ms xit, fand man 63), beerdigte man an Ort und Stelle. Ein Theil der Nnterei verfolgte die Conföderirten und nahm der Nachhut der¬ selben am ersten Tage viele Gefangene und sieben bis acht Geschütze ab. Später ordnete sich die Flucht des Feindes zu einem geregelten Rückzug, und die Ver¬ folgung hatte jetzt kaum noch einen Zweck. Die Hauptmasse der Föderalisten blieb, um Lebensmittel von Uorktown zu erwarten, zurück. Man erhielt sie endlich, und da das schöne Wetter die Wege rasch getrocknet, vereinigte man sich nach zweitägigem Marsch mit dem Corps, welches sich weiter oben am Uork- river ausgeschifft hatte und hier einen Verproviantirungspostcn bildete. Hier sammelte sich die ganze Armee, bis sie wieder ihren Weg auf Richmond nehmend dem Pamunkey, einem Nebenflüsse des Uorkriver, folgte. „Es gibt nichts Malerischeres/ als diesen Kriegszug entlang den Usern eines schönen Flusses, durch ein herrliches Gelände, geschmückt mit allem Reichthum einer Frühlingsvegetation. Es war eine unaufhörliche Augenweide, diesen viel¬ gewundenen Pamunkey und dieses Thal zu sehen, in welchem Prairien Von glänzendem Grün mit bewaldeten Hügeln wechselten. Ueberall Blumen, vor¬ züglich am Wasser, wo man eine Fülle von Magnolien, virginischen Jasmin, Azaleen und blauen Lupinen erblickte. Fliegenvögel, Kolibris, unbekannte Vöael Von allen Farben spielten in Schwärmen zwischen dem Gezweig. Bis- weUcn passirten wir ein Haus von schönem Aussehen, ähnlich unsern alten Schlossern in Frankreich, mit großen Fenstern auf den Dächern, rings um das Haus ein hübscher Garten und dahinter die Hütten der Sklaven. Bei der Annäherung der Armee entfalteten die Bewohner eine weiße Fahne, ein Reiter des Großprofoß stieg vor der Thür ab, und durch seine Gegenwart ermuthigt zeigten sich die Damen in langen Mousselinkleidern, umgeben von einem Cortsge kleiner Negerinnen mit Wollköpfen und nackten Füßen, auf der Ve- randah, um die Truppen Vorbeimarschiren zu sehen. Oft hatten sie einen Greis mit langen weißen Haaren, einem breitrandigen Hut und scharf markir- ten Zügen bei sich, niemals aber junge Leute. Wohl oder übel hatte die Jn- surgentenregierung alle tauglichen Männer aufgehoben, um sie ihren Verthei¬ digern einzuverleiben. Wenn ein Offizier vom Pferde stieg und sich den Da¬ men vorstellte, so wurde er artig aufgenommen; man bot ihm in einem Napf mit einem Stiel, der an einem Stock befestigt war, das classische Glas Wasser, und es begann nun eine traurige Unterhaltung. Männer und Frauen ver¬ langten vor Allem die Neuigkeiten des Tages zu hören. Sie waren ganz ohne Kunde, die Censur der secessionistischen Zeitung war vollständig, und man setzte Zweifel in das Wenige, was sie gaben. Dann sprach man vom Kriege. Die Damen wünschten natürlich der Partei den Sieg, bei welcher ihre Brüder waren, aber vor Allem sehnten sie das Ende des Kampfes und der unberechen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/435>, abgerufen am 27.09.2024.