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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Innern freilich war die Regierung nichts weniger als liberal, mit dem Mini¬
sterium Schlayer war wieder eine echte Schreiberwirthschaft eingekehrt, und da
die Kammer sich diesem Druck allzunachgiebig bewies, bei Gcsetzeöarbeiten
wichtige Principien Preis gab, das Volk selbst gegen die Opposition gleichgilti-
ger, alles Interesse von den materiellen Fragen absorbirt wurde, kurz der Kampf
für den Augenblick völlig aussichtslos schien, so konnte es kaum überrasche",
als im Jahre 1838 die Häupter der Opposition den Entschluß faßten, sich aus
dem parlamentarischen Leben zurückzuziehen. Persönlich mochte dieser Schritt
gerechtfertigt sein, aber politisch war er doch unläugbar ein Fehler, der sich auch
wie immer, gerächt hat. Denn wir müßten uns sehr irren, wenn es nicht bis
auf diesen Tag im Verhältniß Würtembergs zu den nationalen Fragen Spuren
zurückgelassen hätte, daß damals gerade die weitestblickenden, die nationalen
Fragen voranstellenden Elemente, Pfizer, Uhland, Schott, aus der Kammer
auftraten und Von der Opposition nur diejenigen zurückblieben, welche -- frei¬
lich an sich verdienstlich genug -- ihre Wirksamkeit auf die Landesangelegen-
heiten beschränkten.

Es folgte für Uhland wieder eine Zeit stiller Zurückgezogenheit und wissen¬
schaftlicher Studien. Daß er unverändert sich selbst gleich blieb, bewies er im Jahre
1842 durch die -- übrigens sehr bescheiden motivirte -- Ablehnung des,ihm vom
Könige von Preußen angebotenen Ordens pour I<z luci'ne, wie er auch später
den bayrischen Maximiliansorden für Kunst und Wissenschaft ablehnte -- seinen
Sarg schmückte kein "trüber Stern"; und daß das Vaterland auf ihn zählen
durfte, sobald die nationalen Hoffnungen wie helle Morgensonne siegreich durch
das Gewölk hervorbrachen, zeigte der nachhaltende Antheil, den er an den Be¬
strebungen der Nevolutionsjahrc nahm.

Im März 1848 beantragte der Senat der Universität, ihm die 1833 ent¬
zogene Professur wieder zu übertragen. Aber das würtenbergische Volk hatte
bei dem ersten Erwachen der Bewegung auf ihn vor allen Andern den Blick
geworfen, und als dem Bundesorgan schnell in der letzten Stunde ein populärer
Anstrich gegeben werden sollte, und von Seite Badens Welcker und Basser-
mann, von Kurhessen Sylvester Jordan als Männer des Vertrauens zum
Bundestag gesandt wurden, bezeichnete ihn die allgemeine Stimme als den
rechten Vertrauensmann Würtembergs, als der er auch zu der Siebzehnercom¬
mission abgeordnet wurde. Es war am Abend des 21. März, als sich nach
demselben Platz, auf dem sich am 16^ November dieses Jahres ein unabseh¬
bares Traucrgeleite sammelte, ein stattlicher Zug der Bürgerschaft und Universi¬
tät in Bewegung setzte, um dem von der Regierung Erwählten zugleich die
Liebe und Verehrung des Volks zu beweisen und ihm Glück zu wünschen für
die Mission, die er in einigen Tagen antrat. In schlichten Worten dankte er
der Stadt und Universität für das ihm entgegengebrachte Vertrauen, seine feste


Innern freilich war die Regierung nichts weniger als liberal, mit dem Mini¬
sterium Schlayer war wieder eine echte Schreiberwirthschaft eingekehrt, und da
die Kammer sich diesem Druck allzunachgiebig bewies, bei Gcsetzeöarbeiten
wichtige Principien Preis gab, das Volk selbst gegen die Opposition gleichgilti-
ger, alles Interesse von den materiellen Fragen absorbirt wurde, kurz der Kampf
für den Augenblick völlig aussichtslos schien, so konnte es kaum überrasche»,
als im Jahre 1838 die Häupter der Opposition den Entschluß faßten, sich aus
dem parlamentarischen Leben zurückzuziehen. Persönlich mochte dieser Schritt
gerechtfertigt sein, aber politisch war er doch unläugbar ein Fehler, der sich auch
wie immer, gerächt hat. Denn wir müßten uns sehr irren, wenn es nicht bis
auf diesen Tag im Verhältniß Würtembergs zu den nationalen Fragen Spuren
zurückgelassen hätte, daß damals gerade die weitestblickenden, die nationalen
Fragen voranstellenden Elemente, Pfizer, Uhland, Schott, aus der Kammer
auftraten und Von der Opposition nur diejenigen zurückblieben, welche — frei¬
lich an sich verdienstlich genug — ihre Wirksamkeit auf die Landesangelegen-
heiten beschränkten.

Es folgte für Uhland wieder eine Zeit stiller Zurückgezogenheit und wissen¬
schaftlicher Studien. Daß er unverändert sich selbst gleich blieb, bewies er im Jahre
1842 durch die — übrigens sehr bescheiden motivirte — Ablehnung des,ihm vom
Könige von Preußen angebotenen Ordens pour I<z luci'ne, wie er auch später
den bayrischen Maximiliansorden für Kunst und Wissenschaft ablehnte — seinen
Sarg schmückte kein „trüber Stern"; und daß das Vaterland auf ihn zählen
durfte, sobald die nationalen Hoffnungen wie helle Morgensonne siegreich durch
das Gewölk hervorbrachen, zeigte der nachhaltende Antheil, den er an den Be¬
strebungen der Nevolutionsjahrc nahm.

Im März 1848 beantragte der Senat der Universität, ihm die 1833 ent¬
zogene Professur wieder zu übertragen. Aber das würtenbergische Volk hatte
bei dem ersten Erwachen der Bewegung auf ihn vor allen Andern den Blick
geworfen, und als dem Bundesorgan schnell in der letzten Stunde ein populärer
Anstrich gegeben werden sollte, und von Seite Badens Welcker und Basser-
mann, von Kurhessen Sylvester Jordan als Männer des Vertrauens zum
Bundestag gesandt wurden, bezeichnete ihn die allgemeine Stimme als den
rechten Vertrauensmann Würtembergs, als der er auch zu der Siebzehnercom¬
mission abgeordnet wurde. Es war am Abend des 21. März, als sich nach
demselben Platz, auf dem sich am 16^ November dieses Jahres ein unabseh¬
bares Traucrgeleite sammelte, ein stattlicher Zug der Bürgerschaft und Universi¬
tät in Bewegung setzte, um dem von der Regierung Erwählten zugleich die
Liebe und Verehrung des Volks zu beweisen und ihm Glück zu wünschen für
die Mission, die er in einigen Tagen antrat. In schlichten Worten dankte er
der Stadt und Universität für das ihm entgegengebrachte Vertrauen, seine feste


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[0427] Innern freilich war die Regierung nichts weniger als liberal, mit dem Mini¬ sterium Schlayer war wieder eine echte Schreiberwirthschaft eingekehrt, und da die Kammer sich diesem Druck allzunachgiebig bewies, bei Gcsetzeöarbeiten wichtige Principien Preis gab, das Volk selbst gegen die Opposition gleichgilti- ger, alles Interesse von den materiellen Fragen absorbirt wurde, kurz der Kampf für den Augenblick völlig aussichtslos schien, so konnte es kaum überrasche», als im Jahre 1838 die Häupter der Opposition den Entschluß faßten, sich aus dem parlamentarischen Leben zurückzuziehen. Persönlich mochte dieser Schritt gerechtfertigt sein, aber politisch war er doch unläugbar ein Fehler, der sich auch wie immer, gerächt hat. Denn wir müßten uns sehr irren, wenn es nicht bis auf diesen Tag im Verhältniß Würtembergs zu den nationalen Fragen Spuren zurückgelassen hätte, daß damals gerade die weitestblickenden, die nationalen Fragen voranstellenden Elemente, Pfizer, Uhland, Schott, aus der Kammer auftraten und Von der Opposition nur diejenigen zurückblieben, welche — frei¬ lich an sich verdienstlich genug — ihre Wirksamkeit auf die Landesangelegen- heiten beschränkten. Es folgte für Uhland wieder eine Zeit stiller Zurückgezogenheit und wissen¬ schaftlicher Studien. Daß er unverändert sich selbst gleich blieb, bewies er im Jahre 1842 durch die — übrigens sehr bescheiden motivirte — Ablehnung des,ihm vom Könige von Preußen angebotenen Ordens pour I<z luci'ne, wie er auch später den bayrischen Maximiliansorden für Kunst und Wissenschaft ablehnte — seinen Sarg schmückte kein „trüber Stern"; und daß das Vaterland auf ihn zählen durfte, sobald die nationalen Hoffnungen wie helle Morgensonne siegreich durch das Gewölk hervorbrachen, zeigte der nachhaltende Antheil, den er an den Be¬ strebungen der Nevolutionsjahrc nahm. Im März 1848 beantragte der Senat der Universität, ihm die 1833 ent¬ zogene Professur wieder zu übertragen. Aber das würtenbergische Volk hatte bei dem ersten Erwachen der Bewegung auf ihn vor allen Andern den Blick geworfen, und als dem Bundesorgan schnell in der letzten Stunde ein populärer Anstrich gegeben werden sollte, und von Seite Badens Welcker und Basser- mann, von Kurhessen Sylvester Jordan als Männer des Vertrauens zum Bundestag gesandt wurden, bezeichnete ihn die allgemeine Stimme als den rechten Vertrauensmann Würtembergs, als der er auch zu der Siebzehnercom¬ mission abgeordnet wurde. Es war am Abend des 21. März, als sich nach demselben Platz, auf dem sich am 16^ November dieses Jahres ein unabseh¬ bares Traucrgeleite sammelte, ein stattlicher Zug der Bürgerschaft und Universi¬ tät in Bewegung setzte, um dem von der Regierung Erwählten zugleich die Liebe und Verehrung des Volks zu beweisen und ihm Glück zu wünschen für die Mission, die er in einigen Tagen antrat. In schlichten Worten dankte er der Stadt und Universität für das ihm entgegengebrachte Vertrauen, seine feste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/427>, abgerufen am 20.10.2024.