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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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nur gemacht, um mich zu einer solchen fehlerhaften Entsendung zu verführen.
Es ist in der Vertheidigung das schwierigste und Wichtigste, sich nicht auf Neben¬
sachen einzulassen, die Hauptsache allein im Auge zu behalten und vor Allein
stets alle seine Kräfte zur Hand zu haben. So glaubte ich den Verlust er¬
tragen zu müssen, so schmerzlich er war.

Als aber im October die Armee nicht unbedeutend stärker geworden und
das Vertheidigungssystem um Rendsburg ganz fertig war. so daß es eine etwas
freiere Bewegung gestattete, schien es erlaubt, durch das freilich schwierige
Unternehmen auf den Platz von Neuem zu versuchen, den Feind aus seiner
Unthätigkeit herauszulocken, was hier wie bei jenem früheren Unternehmen auf
Missunde der Hauptzweck war und blieb. An sich konnte der Besitz des
Ortes für mich keine Wichtigkeit haben. Der Weg zur Entscheidung
konnte für mich nie da liegen. Der Feind aber konnte ihn ebenso wenig zum
Ausgangspunkt einer entscheidenden Bewegung von seiner Seite machen, sein
Besitz hatte also nur den Werth, daß man das Wasserspiel der Treene durch
die große Schleuse dort in seiner Gewalt hatte, was für den übermächtigen
Gegner ohne allen Werth n>ar. Seine Aufgabe war nicht, sich Hindernisse zu
schaffen, sondern freie Bewegung. Daß er den Besitz dennoch zu jenem Zwecke
benutzte, beweist nur, welche Besorgniß er stets hatte.

So gestehe ich gern ein, auf das ganze Unternehmen gegen meine militä¬
rische Ueberzeugung eingegangen zu sein. Ich glaubte aber dem allgemein sich
aussprechenden Drange, daß bald irgend etwas geschehen möchte, was das un¬
ruhige Verlangen nach Entscheidung zufrieden stellen könnte, in etwas nach¬
geben zu müssen, würde es aber dennoch nicht gethan haben, hätte ich nicht
zugleich die oben angedeutete Hoffnung gehabt, den Feind dadurch zum Angriff
auf meine Stellung vor Rendsburg zu bewegen.

Es wurden nun möglichst unbemerkt alle Anstalten getroffen, dem schwie¬
rigen Unternehmen wo möglich Erfolg zu verschaffen, viel Artillerie schweren
Kalibers zusammengebracht, Kanonenboote von Kiel durch den Kanal und
die Eider herangezogen, indem man hoffte, den Feind durch ein heftiges, über¬
legenes Feuer zu bewegen, den Ort zu räumen. Einschließen konnte man ihn
nicht, dazu waren keine Kräfte vorhanden. Das niedrige, mit vielen breiten
Wassergraben durchzogene Marschland ließ keine andere Batterie- und Lauf¬
grabenarbeit zu als in dem zeitweise vom Wasser der Eider frei gelassenen
schmalen Raum zwischen dem hohen Damm und dem Flusse, und der war jeder
höheren Fluth täglich ausgesetzt. Unter großen Schwierigkeiten war man nach
mehren Tagen schwerer Arbeit dazu gekommen, von zwei Punkten her, dies¬
seits und jenseits der Eider das Feuer eröffnen zu können. Der Feind hatte
den Ort mit allen Mitteln der Passageren Befestigungskunst verstärkt, wobei
ihm das natürliche Wasserverhältniß aufs Beste zu Statten kam. Es kam für


nur gemacht, um mich zu einer solchen fehlerhaften Entsendung zu verführen.
Es ist in der Vertheidigung das schwierigste und Wichtigste, sich nicht auf Neben¬
sachen einzulassen, die Hauptsache allein im Auge zu behalten und vor Allein
stets alle seine Kräfte zur Hand zu haben. So glaubte ich den Verlust er¬
tragen zu müssen, so schmerzlich er war.

Als aber im October die Armee nicht unbedeutend stärker geworden und
das Vertheidigungssystem um Rendsburg ganz fertig war. so daß es eine etwas
freiere Bewegung gestattete, schien es erlaubt, durch das freilich schwierige
Unternehmen auf den Platz von Neuem zu versuchen, den Feind aus seiner
Unthätigkeit herauszulocken, was hier wie bei jenem früheren Unternehmen auf
Missunde der Hauptzweck war und blieb. An sich konnte der Besitz des
Ortes für mich keine Wichtigkeit haben. Der Weg zur Entscheidung
konnte für mich nie da liegen. Der Feind aber konnte ihn ebenso wenig zum
Ausgangspunkt einer entscheidenden Bewegung von seiner Seite machen, sein
Besitz hatte also nur den Werth, daß man das Wasserspiel der Treene durch
die große Schleuse dort in seiner Gewalt hatte, was für den übermächtigen
Gegner ohne allen Werth n>ar. Seine Aufgabe war nicht, sich Hindernisse zu
schaffen, sondern freie Bewegung. Daß er den Besitz dennoch zu jenem Zwecke
benutzte, beweist nur, welche Besorgniß er stets hatte.

So gestehe ich gern ein, auf das ganze Unternehmen gegen meine militä¬
rische Ueberzeugung eingegangen zu sein. Ich glaubte aber dem allgemein sich
aussprechenden Drange, daß bald irgend etwas geschehen möchte, was das un¬
ruhige Verlangen nach Entscheidung zufrieden stellen könnte, in etwas nach¬
geben zu müssen, würde es aber dennoch nicht gethan haben, hätte ich nicht
zugleich die oben angedeutete Hoffnung gehabt, den Feind dadurch zum Angriff
auf meine Stellung vor Rendsburg zu bewegen.

Es wurden nun möglichst unbemerkt alle Anstalten getroffen, dem schwie¬
rigen Unternehmen wo möglich Erfolg zu verschaffen, viel Artillerie schweren
Kalibers zusammengebracht, Kanonenboote von Kiel durch den Kanal und
die Eider herangezogen, indem man hoffte, den Feind durch ein heftiges, über¬
legenes Feuer zu bewegen, den Ort zu räumen. Einschließen konnte man ihn
nicht, dazu waren keine Kräfte vorhanden. Das niedrige, mit vielen breiten
Wassergraben durchzogene Marschland ließ keine andere Batterie- und Lauf¬
grabenarbeit zu als in dem zeitweise vom Wasser der Eider frei gelassenen
schmalen Raum zwischen dem hohen Damm und dem Flusse, und der war jeder
höheren Fluth täglich ausgesetzt. Unter großen Schwierigkeiten war man nach
mehren Tagen schwerer Arbeit dazu gekommen, von zwei Punkten her, dies¬
seits und jenseits der Eider das Feuer eröffnen zu können. Der Feind hatte
den Ort mit allen Mitteln der Passageren Befestigungskunst verstärkt, wobei
ihm das natürliche Wasserverhältniß aufs Beste zu Statten kam. Es kam für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/408>, abgerufen am 27.09.2024.