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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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nur thun, was mir nöthig schien, um ihn an eine solche Absicht glauben zu machen;
lieh die Verschanzung lebhaft beschießen und zeigte meine Truppen, als bereite
ich mich zum Sturm. Es wäre das auch wohl keine sehr schwierige Aufgabe
gewesen, besonders nachdem es gelungen war einen Fleck zu finden, von
wo aus die Pallisaden-Verbindung mit der Brücke sehr gut einzuschießen war.
Indessen wollte ich nichts unternehmen, was viel Blut gekostet haben würde,
ohne sür den Erfolg im Ganzen etwas einzubringen. Ein Bataillon war aus
eigner Bewegung seines tapfern Führers gegen die Verschanzung angelaufen
und hatte nicht unbedeutenden Verlust erlitten.

Darüber war es Abend geworden, und da ich von der Heftigkeit des' An¬
griffs auf Missunde sicher hoffte, er werde dem Feinde die Veranlassung werden,
meine Stellung an der Sorge anzugreifen und dies für den andern Morgen
erwartete, zog ich in der Nacht noch bis Kochendorf ab, um sicher zur rechten
Zeit meine Kräfte beisammen zu haben. Das Unternehmen war, weil der
Feind sich nicht rührte, nicht gelungen; aber mißlungen war nur die Absicht
auf die vorgeschobene Brigade des Feindes, und man hat dem Schachzuge zur
Zeit und später eine Bedeutung untergelegt, welche er nie hatte und niemals
haben sollte.

Als nun der Feind sich auf dieser Seite nicht wieder so unvorsichtig zeigte
und also keine Gelegenheit zu einem zweiten Unternehmen der Art bot, sollte
ein Versuch gemacht werden, ihn ebenso durch einen Angriff auf Friedrichs¬
stadt aus seiner Stellung herauszulocken. Friedrichsstadt, wichtig, weil es die
Treene und die Eider beherrscht, war gleich nach der Schlacht von Jdstedt durch
eine Abtheilung Jäger von mir besetzt worden, die sich da möglichst fest einrichten
sollte. Weil aber zur Zeit nichts vom Feinde da zu sehen und zu hören war,
so wurde das versäumt, und die Abtheilung zog es vor, Entsendungen bis
nach Husum hin zu machen. So konnte es geschehen, daß, indem der Feind
mit seiner großen Überlegenheit eine starke Entsendung nicht zu scheuen hatte
und er eine Brigade mit schwerer Artillerie nach Friedrichsstadt abschickte, er
dort gar keine Vertheidigungsanstalten fand und die kleine Truppe von der zehn¬
fachen Überlegenheit gezwungen wurde den Ort zu räumen, was vielleicht nicht
nöthig geworden wäre, hätte der Führer sich auf seine Aufgabe beschränkt und
die Stadt mit ihrer starken Wasservertheidigung möglichst gut in Vertheidigungs¬
stand gesetzt, wozu ihm volle vierzehn Tage Zeit vergönnt waren. Derselbe Offi¬
zier, welcher hier diesen Fehler beging, machte spater die bekannte kühne Un¬
ternehmung auf Tönningen, überfiel es und nahm die ganze Garnison gefangen.

Die große Entfernung von der Hauptstellung und die schlechten Wege nach
Friedrichsstadt ließen es nicht gerathen erscheinen, in dieser bedenklichsten Zeit,
im August, die kleine Armee noch durch bedeutende Entsendungen zu schwächen,
um den Ort wieder zu nehmen. Der Feind hatte vielleicht das Unternehmen


Grenzboten IV. 1362. 50

nur thun, was mir nöthig schien, um ihn an eine solche Absicht glauben zu machen;
lieh die Verschanzung lebhaft beschießen und zeigte meine Truppen, als bereite
ich mich zum Sturm. Es wäre das auch wohl keine sehr schwierige Aufgabe
gewesen, besonders nachdem es gelungen war einen Fleck zu finden, von
wo aus die Pallisaden-Verbindung mit der Brücke sehr gut einzuschießen war.
Indessen wollte ich nichts unternehmen, was viel Blut gekostet haben würde,
ohne sür den Erfolg im Ganzen etwas einzubringen. Ein Bataillon war aus
eigner Bewegung seines tapfern Führers gegen die Verschanzung angelaufen
und hatte nicht unbedeutenden Verlust erlitten.

Darüber war es Abend geworden, und da ich von der Heftigkeit des' An¬
griffs auf Missunde sicher hoffte, er werde dem Feinde die Veranlassung werden,
meine Stellung an der Sorge anzugreifen und dies für den andern Morgen
erwartete, zog ich in der Nacht noch bis Kochendorf ab, um sicher zur rechten
Zeit meine Kräfte beisammen zu haben. Das Unternehmen war, weil der
Feind sich nicht rührte, nicht gelungen; aber mißlungen war nur die Absicht
auf die vorgeschobene Brigade des Feindes, und man hat dem Schachzuge zur
Zeit und später eine Bedeutung untergelegt, welche er nie hatte und niemals
haben sollte.

Als nun der Feind sich auf dieser Seite nicht wieder so unvorsichtig zeigte
und also keine Gelegenheit zu einem zweiten Unternehmen der Art bot, sollte
ein Versuch gemacht werden, ihn ebenso durch einen Angriff auf Friedrichs¬
stadt aus seiner Stellung herauszulocken. Friedrichsstadt, wichtig, weil es die
Treene und die Eider beherrscht, war gleich nach der Schlacht von Jdstedt durch
eine Abtheilung Jäger von mir besetzt worden, die sich da möglichst fest einrichten
sollte. Weil aber zur Zeit nichts vom Feinde da zu sehen und zu hören war,
so wurde das versäumt, und die Abtheilung zog es vor, Entsendungen bis
nach Husum hin zu machen. So konnte es geschehen, daß, indem der Feind
mit seiner großen Überlegenheit eine starke Entsendung nicht zu scheuen hatte
und er eine Brigade mit schwerer Artillerie nach Friedrichsstadt abschickte, er
dort gar keine Vertheidigungsanstalten fand und die kleine Truppe von der zehn¬
fachen Überlegenheit gezwungen wurde den Ort zu räumen, was vielleicht nicht
nöthig geworden wäre, hätte der Führer sich auf seine Aufgabe beschränkt und
die Stadt mit ihrer starken Wasservertheidigung möglichst gut in Vertheidigungs¬
stand gesetzt, wozu ihm volle vierzehn Tage Zeit vergönnt waren. Derselbe Offi¬
zier, welcher hier diesen Fehler beging, machte spater die bekannte kühne Un¬
ternehmung auf Tönningen, überfiel es und nahm die ganze Garnison gefangen.

Die große Entfernung von der Hauptstellung und die schlechten Wege nach
Friedrichsstadt ließen es nicht gerathen erscheinen, in dieser bedenklichsten Zeit,
im August, die kleine Armee noch durch bedeutende Entsendungen zu schwächen,
um den Ort wieder zu nehmen. Der Feind hatte vielleicht das Unternehmen


Grenzboten IV. 1362. 50
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[0407] nur thun, was mir nöthig schien, um ihn an eine solche Absicht glauben zu machen; lieh die Verschanzung lebhaft beschießen und zeigte meine Truppen, als bereite ich mich zum Sturm. Es wäre das auch wohl keine sehr schwierige Aufgabe gewesen, besonders nachdem es gelungen war einen Fleck zu finden, von wo aus die Pallisaden-Verbindung mit der Brücke sehr gut einzuschießen war. Indessen wollte ich nichts unternehmen, was viel Blut gekostet haben würde, ohne sür den Erfolg im Ganzen etwas einzubringen. Ein Bataillon war aus eigner Bewegung seines tapfern Führers gegen die Verschanzung angelaufen und hatte nicht unbedeutenden Verlust erlitten. Darüber war es Abend geworden, und da ich von der Heftigkeit des' An¬ griffs auf Missunde sicher hoffte, er werde dem Feinde die Veranlassung werden, meine Stellung an der Sorge anzugreifen und dies für den andern Morgen erwartete, zog ich in der Nacht noch bis Kochendorf ab, um sicher zur rechten Zeit meine Kräfte beisammen zu haben. Das Unternehmen war, weil der Feind sich nicht rührte, nicht gelungen; aber mißlungen war nur die Absicht auf die vorgeschobene Brigade des Feindes, und man hat dem Schachzuge zur Zeit und später eine Bedeutung untergelegt, welche er nie hatte und niemals haben sollte. Als nun der Feind sich auf dieser Seite nicht wieder so unvorsichtig zeigte und also keine Gelegenheit zu einem zweiten Unternehmen der Art bot, sollte ein Versuch gemacht werden, ihn ebenso durch einen Angriff auf Friedrichs¬ stadt aus seiner Stellung herauszulocken. Friedrichsstadt, wichtig, weil es die Treene und die Eider beherrscht, war gleich nach der Schlacht von Jdstedt durch eine Abtheilung Jäger von mir besetzt worden, die sich da möglichst fest einrichten sollte. Weil aber zur Zeit nichts vom Feinde da zu sehen und zu hören war, so wurde das versäumt, und die Abtheilung zog es vor, Entsendungen bis nach Husum hin zu machen. So konnte es geschehen, daß, indem der Feind mit seiner großen Überlegenheit eine starke Entsendung nicht zu scheuen hatte und er eine Brigade mit schwerer Artillerie nach Friedrichsstadt abschickte, er dort gar keine Vertheidigungsanstalten fand und die kleine Truppe von der zehn¬ fachen Überlegenheit gezwungen wurde den Ort zu räumen, was vielleicht nicht nöthig geworden wäre, hätte der Führer sich auf seine Aufgabe beschränkt und die Stadt mit ihrer starken Wasservertheidigung möglichst gut in Vertheidigungs¬ stand gesetzt, wozu ihm volle vierzehn Tage Zeit vergönnt waren. Derselbe Offi¬ zier, welcher hier diesen Fehler beging, machte spater die bekannte kühne Un¬ ternehmung auf Tönningen, überfiel es und nahm die ganze Garnison gefangen. Die große Entfernung von der Hauptstellung und die schlechten Wege nach Friedrichsstadt ließen es nicht gerathen erscheinen, in dieser bedenklichsten Zeit, im August, die kleine Armee noch durch bedeutende Entsendungen zu schwächen, um den Ort wieder zu nehmen. Der Feind hatte vielleicht das Unternehmen Grenzboten IV. 1362. 50

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/407>, abgerufen am 27.09.2024.