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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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die Nachricht, daß der Feind Manassas geräumt habe, und daß das Heer der
Union ohne Verzug den Feldzug antreten werde.

"Nächsten Tages war die ganze Stadt Washington in Bewegung. Eine Masse
von Artillerie, von Wagen, von Cavallerie marschirte, die Straßen verstopfend,
nach den Potomac-Brücken. Auf den Trottoirs der Alleen sah man nichts als
Offiziere, die von Damen in Thränen Abschied nahmen. Die Civilbevölkerung
betrachtete diesen Abmarsch kühl. Sie zeigte nicht die leiseste Spur von Be¬
geisterung, was indeß vielleicht Schuld des in Strömen herabfallenden Regens
war. Auf der Longbridge begegnete ich in Mitten mehrer Batterien dem
General Mac Clellan. Er war zu Pferde, ohne Adjutanten, nur von einigen
Reitern begleitet, und zeigte eine bekümmerte Miene. Wer in der Seele des
Generals zu lesen verstanden hätte, würde vielleicht damals schon jenen Kummer
gesehen haben, der sich später so grausam steigern sollte. Drüben über den
Brücken fanden wir die ganze Armee im Marsch auf Fairfax Court House be¬
griffen, wo ein großer Theil derselben diesen Abend -das Lager bezog. Die
Reiterei drang rasch bis Centreville und Manassas vor, welche sie verlassen
fand. Das Hauptquartier richtete sich, so gut es ging, in Fairsax, einem hüb¬
schen Dorfe von großen, weitläufig in Gärten zerstreut gelegenen Holzhäusern,
ein. Die Bevölkerung war mit wenigen Ausnahmen bei unsrer Annäherung
geflüchtet.

Am nächsten Morgen begleitete ich ein auf Recognoscirung entsandtes
Detachement Cavallerie nach Centreville, wo ich die gewaltigen Barracken sah.
welche die Conföderirten den Winter hindurch innegehabt, und nach Manassas,
dessen rauchende Trümmer einen tieftraurigen Eindruck aus die Seele machten.
Auf der Rückkehr besuchten wir das Schlachtfeld von Bulls Rum. General
Mac Dowell war mit uns, er konnte sich beim Anblick dieser bleichenden Ge¬
beine, die ihm so lebhaft die grausame Erinnerung an seine Niederlage zurück¬
riefen, der Thränen nicht enthalten.

Aber während wir hier spazieren ritten, hatten in den.hohen Regionen der
Armee wichtige Ereignisse se"ttgefunden. Es gibt in dem amerikanischen Heer
wie in dem englischen einen Oberbefehlshaber, welcher über allen Generalen
die höchste Autorität ausübt, die Vertheilung der Truppen verfügt und die
militärischen Operationen leitet. Diese Befugnisse waren von dem alten General
Scott, der sie lange Jahre mit Ehren ausgefüllt, auf General Mac Clellan
übergegangen. Als wir in Fairfax eintrafen, erfuhren wir, daß sie ihm wieder
entzogen worden seien. Man begreift die Schwächung und Hemmung, welche
dieser von hinten kommende Streich gerade bei den ersten Schritten eines Feld¬
zugs dem General, in Chef verursachen mußte. Und dies war nur ein Theil
des Unglücks. Der Beginn des Feldzugs selvst war ihm zur unrechten Zeit
aufgenöthigt. Mac Clellan wußte längst und besser wie irgend einer, was er


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die Nachricht, daß der Feind Manassas geräumt habe, und daß das Heer der
Union ohne Verzug den Feldzug antreten werde.

„Nächsten Tages war die ganze Stadt Washington in Bewegung. Eine Masse
von Artillerie, von Wagen, von Cavallerie marschirte, die Straßen verstopfend,
nach den Potomac-Brücken. Auf den Trottoirs der Alleen sah man nichts als
Offiziere, die von Damen in Thränen Abschied nahmen. Die Civilbevölkerung
betrachtete diesen Abmarsch kühl. Sie zeigte nicht die leiseste Spur von Be¬
geisterung, was indeß vielleicht Schuld des in Strömen herabfallenden Regens
war. Auf der Longbridge begegnete ich in Mitten mehrer Batterien dem
General Mac Clellan. Er war zu Pferde, ohne Adjutanten, nur von einigen
Reitern begleitet, und zeigte eine bekümmerte Miene. Wer in der Seele des
Generals zu lesen verstanden hätte, würde vielleicht damals schon jenen Kummer
gesehen haben, der sich später so grausam steigern sollte. Drüben über den
Brücken fanden wir die ganze Armee im Marsch auf Fairfax Court House be¬
griffen, wo ein großer Theil derselben diesen Abend -das Lager bezog. Die
Reiterei drang rasch bis Centreville und Manassas vor, welche sie verlassen
fand. Das Hauptquartier richtete sich, so gut es ging, in Fairsax, einem hüb¬
schen Dorfe von großen, weitläufig in Gärten zerstreut gelegenen Holzhäusern,
ein. Die Bevölkerung war mit wenigen Ausnahmen bei unsrer Annäherung
geflüchtet.

Am nächsten Morgen begleitete ich ein auf Recognoscirung entsandtes
Detachement Cavallerie nach Centreville, wo ich die gewaltigen Barracken sah.
welche die Conföderirten den Winter hindurch innegehabt, und nach Manassas,
dessen rauchende Trümmer einen tieftraurigen Eindruck aus die Seele machten.
Auf der Rückkehr besuchten wir das Schlachtfeld von Bulls Rum. General
Mac Dowell war mit uns, er konnte sich beim Anblick dieser bleichenden Ge¬
beine, die ihm so lebhaft die grausame Erinnerung an seine Niederlage zurück¬
riefen, der Thränen nicht enthalten.

Aber während wir hier spazieren ritten, hatten in den.hohen Regionen der
Armee wichtige Ereignisse se«ttgefunden. Es gibt in dem amerikanischen Heer
wie in dem englischen einen Oberbefehlshaber, welcher über allen Generalen
die höchste Autorität ausübt, die Vertheilung der Truppen verfügt und die
militärischen Operationen leitet. Diese Befugnisse waren von dem alten General
Scott, der sie lange Jahre mit Ehren ausgefüllt, auf General Mac Clellan
übergegangen. Als wir in Fairfax eintrafen, erfuhren wir, daß sie ihm wieder
entzogen worden seien. Man begreift die Schwächung und Hemmung, welche
dieser von hinten kommende Streich gerade bei den ersten Schritten eines Feld¬
zugs dem General, in Chef verursachen mußte. Und dies war nur ein Theil
des Unglücks. Der Beginn des Feldzugs selvst war ihm zur unrechten Zeit
aufgenöthigt. Mac Clellan wußte längst und besser wie irgend einer, was er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/401>, abgerufen am 27.09.2024.