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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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erlegte. Es war jetzt das Gesetz, die Autorität, die Gewalt, welche alle
tauglichen Leute aushob und sie blind für das marschiren ließ, was ihnen
als Vertheidigung des Vaterlandes dargestellt wurde. Es gab keine Unschlüssig¬
keit mehr. Gefesselt durch das Band der Pflicht wurde der Soldat zugleich
unterwürfiger und opferwilliger."

"Bei der Lage des Südens waren diese Maßregeln gut, u"d es herrscht
kein Zweifel, daß sie zum großen Theil Ursache der Erfolge waren, welche er
in der ersten Zeit des Kriegs davontrug. Nichtsdestoweniger sind wir weit
entfernt davon, Lincoln zu tadeln, daß er nicht zu solchen Gewaltschritten seine
Zuflucht nahm. Die Führer eines Aufstandes kennen kein Hinderniß und kein
Bedenken, wenn es gilt, sich des Triumphs ihrer ehrsüchtigen Absichten zu ver<
sichern und den Folgen zu entgehen, welche das Unterliegen für sie mit sich
bringt. Sie schrecken vor keinem revolutionären Auskunftsmittel zurück. Lin¬
coln dagegen und seine Rathgeber waren die gesetzlichen Vertreter der Nation,
und wenn sie die Pflicht hatten, einen Aufstand zu unterdrücken, so wollten sie
doch nicht ohne unbedingte Nothwendigkeit die Rechte antasten, welche bis da¬
hin das amerikanische Volk zum glücklichsten und zugleich freiesten der Erde
gemacht hatten."

"Nachdem die Armee geschaffen war," fährt unser Aufsatz fort, "hatte man
sich die Frage vorzulegen, was mit ihr zu thun sei, mit andern Worten, man
mußte einen Feldzugsplan entwerfen. Derselbe war einfach: man konnte nicht
daran denken, ein so unermeßliches Gebiet wie das der conföderirtcn Staaten
zu erobern und besetzt zu halten, sondern mußte, um die von einem so furcht¬
baren Aufstande herausbcschwornen und noch drohenden Gefahren zurückzudrängen,
drei Ziele ins Auge fassen: wirksame Blockade der Küsten der insurgirten Staaten,
Gewinnung des Laufs des Mississippi und des ganzen Stromsystems im
Westen, endlich Vertreibung der Rebellenregierung von Richmond, ihrer Haupt¬
stadt."

Wir übergehen die Bemerkungen der Abhandlung über die beiden ersten
Punkte, da sie nur allgemein Bekanntes enthalten, und wenden uns sofort in
das Lager bei Washington und zu Mac Clellans Wirksamkeit in der Richtung
des dritten Zieles.

Der Winter war den Soldaten des Nordens mit Einexerciren, Herbei¬
schaffung von Proviant und andern Bedürfnissen, sowie mit dem Aufwerfen
von Verschanzungen vergangen, welche Washington gegen einen Handstreich
schützen sollten.' Der Feind behauptete noch immer mit starker Truppenmacht
seine Stellungen bei Manassas und Ccntreville. Gelegentlich gab es ein kleines
Vorpostengefecht mit ihm. Im Ganzen aber war es so still und ruhig in
Washington, daß man nur vorübergehend auf den Gedanken kam, daß die
Armee bald ins Feld rücken werde. Da verbreitete sich eines Tages plötzlich


erlegte. Es war jetzt das Gesetz, die Autorität, die Gewalt, welche alle
tauglichen Leute aushob und sie blind für das marschiren ließ, was ihnen
als Vertheidigung des Vaterlandes dargestellt wurde. Es gab keine Unschlüssig¬
keit mehr. Gefesselt durch das Band der Pflicht wurde der Soldat zugleich
unterwürfiger und opferwilliger."

„Bei der Lage des Südens waren diese Maßregeln gut, u«d es herrscht
kein Zweifel, daß sie zum großen Theil Ursache der Erfolge waren, welche er
in der ersten Zeit des Kriegs davontrug. Nichtsdestoweniger sind wir weit
entfernt davon, Lincoln zu tadeln, daß er nicht zu solchen Gewaltschritten seine
Zuflucht nahm. Die Führer eines Aufstandes kennen kein Hinderniß und kein
Bedenken, wenn es gilt, sich des Triumphs ihrer ehrsüchtigen Absichten zu ver<
sichern und den Folgen zu entgehen, welche das Unterliegen für sie mit sich
bringt. Sie schrecken vor keinem revolutionären Auskunftsmittel zurück. Lin¬
coln dagegen und seine Rathgeber waren die gesetzlichen Vertreter der Nation,
und wenn sie die Pflicht hatten, einen Aufstand zu unterdrücken, so wollten sie
doch nicht ohne unbedingte Nothwendigkeit die Rechte antasten, welche bis da¬
hin das amerikanische Volk zum glücklichsten und zugleich freiesten der Erde
gemacht hatten."

„Nachdem die Armee geschaffen war," fährt unser Aufsatz fort, „hatte man
sich die Frage vorzulegen, was mit ihr zu thun sei, mit andern Worten, man
mußte einen Feldzugsplan entwerfen. Derselbe war einfach: man konnte nicht
daran denken, ein so unermeßliches Gebiet wie das der conföderirtcn Staaten
zu erobern und besetzt zu halten, sondern mußte, um die von einem so furcht¬
baren Aufstande herausbcschwornen und noch drohenden Gefahren zurückzudrängen,
drei Ziele ins Auge fassen: wirksame Blockade der Küsten der insurgirten Staaten,
Gewinnung des Laufs des Mississippi und des ganzen Stromsystems im
Westen, endlich Vertreibung der Rebellenregierung von Richmond, ihrer Haupt¬
stadt."

Wir übergehen die Bemerkungen der Abhandlung über die beiden ersten
Punkte, da sie nur allgemein Bekanntes enthalten, und wenden uns sofort in
das Lager bei Washington und zu Mac Clellans Wirksamkeit in der Richtung
des dritten Zieles.

Der Winter war den Soldaten des Nordens mit Einexerciren, Herbei¬
schaffung von Proviant und andern Bedürfnissen, sowie mit dem Aufwerfen
von Verschanzungen vergangen, welche Washington gegen einen Handstreich
schützen sollten.' Der Feind behauptete noch immer mit starker Truppenmacht
seine Stellungen bei Manassas und Ccntreville. Gelegentlich gab es ein kleines
Vorpostengefecht mit ihm. Im Ganzen aber war es so still und ruhig in
Washington, daß man nur vorübergehend auf den Gedanken kam, daß die
Armee bald ins Feld rücken werde. Da verbreitete sich eines Tages plötzlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/400>, abgerufen am 27.09.2024.