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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Capitän, den andern zum Lieutenant, den dritten zum Sergeanten ernennt. Die
Cadres bilden sich und füllen sich zum Theil, es bleibt nur noch übrig, sie zu
vervollständigen. Das ist der Augenblick, wo man zu außerordentlichen Mit¬
teln greift. Man preist in gigantischen Anschlägen mit hochtrabenden Worten
die Vortheile an. welche der Eintritt in das Corps biete. Man geht zu dem
katholischen Priester, um die Jrländer zu bekommen. Man gibt einem Jndivi'
dünn, welches sich anheischig macht die Completirung der Mannschaften zu be¬
sorgen, die so gesuchte Markttenderstelle. Endlich ist das Regiment auf die
Beine gebracht. Man trägt die Liste zum Gouverneur, der Alles gut-heißt. Das
Regiment sammelt sich, faßt Bekleidung, erhält Waffen und wird per Eisenbahn
"to elf seat ok og,r" expedirt. Bisweilen, ja sogar oft, läßt man die Grade
durch Wahl bestimmen, aber das ist gewöhnlich nichts als eine Formalität:
Alles ist von Anfang an unter den Interessenten arrangirt."

Die Nachtheile dieses Systems springen in die Augen, Die Offiziere vom
Obersten bis zum letzten Lieutenant haben keine Ahnung von der Kriegskunst,
und die Soldaten wissen das und sprechen es ungescheut aus. Wie der Offi¬
zier durch seine militärische Kenntniß nicht über dem Gemeinen steht, so auch
nicht durch seine gesellschaftliche Stellung, da ein Unterschied der Art hier zu
Lande nicht anerkannt wird. Dazu kommt endlich, daß der Offizier häufig durch
politische Hintergedanken, etwa durch die Absicht auf einen Namen, der bei
spätern Wahlen guten Klang hat, auf die militärische Laufbahn geführt wird.
Die künftigen Wähler sind die Soldaten, und wie könnte man sich bei ihnen
beliebt machen, wenn man sie hart behandelte oder strenge Anforderungen im
Dienst an sie stellte? So hatten die Offiziere kein Ansehen, die Soldaten keinen
Respect und keinen Gehorsam.

"Alles das," so fährt unser Erzähler fort, "hat sich seitdem unter der Herrschaft
der Nothwendigkeit und in der Schule der Erfahrung gebessert. Ja zu Anfang schon
gab es Ausnahmen. Bisweilen errichtete ein Offizier der regulären Armee,
begierig, sich auszuzeichnen, und im Besitz von Einfluß in seinem Staat, ein
Regiment und erzielte bewundernswürdige Ergebnisse. So z. B. ein junger
Genielieutenant, Namens Warren, der mit dem 5. Neuyorker Regiment, dessen
Oberst er war, vortreffliche Dienste leistete. Es waren dies allerdings auch
Freiwillige, aber sie fühlten das Wissen und die Überlegenheit ihres Führers."

Meist aber ist der Chef nichts als ein Kamerad, nux. daß er einen andern Rock
anhat. Man gehorcht ihm in der täglichen Routine, aber freiwillig. Man
hat aber auch die Wahl, ihm, wenn es Ernst wird, nicht zu folgen; denn bei
der allgemeinen Gleichheit in Amerika gibt.es keinen zwingenden Grund, ihm
zu gehorchen. Ein Freiwilliger ist in den Augen der Meisten nicht ein Soldat,
der sich freiwillig dem Dienst des Vaterlandes weiht, sondern ein Soldat, der
gegen gute Bezahlung nach seinem freien Willen, nach seinem Belieben handelt.


Capitän, den andern zum Lieutenant, den dritten zum Sergeanten ernennt. Die
Cadres bilden sich und füllen sich zum Theil, es bleibt nur noch übrig, sie zu
vervollständigen. Das ist der Augenblick, wo man zu außerordentlichen Mit¬
teln greift. Man preist in gigantischen Anschlägen mit hochtrabenden Worten
die Vortheile an. welche der Eintritt in das Corps biete. Man geht zu dem
katholischen Priester, um die Jrländer zu bekommen. Man gibt einem Jndivi'
dünn, welches sich anheischig macht die Completirung der Mannschaften zu be¬
sorgen, die so gesuchte Markttenderstelle. Endlich ist das Regiment auf die
Beine gebracht. Man trägt die Liste zum Gouverneur, der Alles gut-heißt. Das
Regiment sammelt sich, faßt Bekleidung, erhält Waffen und wird per Eisenbahn
„to elf seat ok og,r" expedirt. Bisweilen, ja sogar oft, läßt man die Grade
durch Wahl bestimmen, aber das ist gewöhnlich nichts als eine Formalität:
Alles ist von Anfang an unter den Interessenten arrangirt."

Die Nachtheile dieses Systems springen in die Augen, Die Offiziere vom
Obersten bis zum letzten Lieutenant haben keine Ahnung von der Kriegskunst,
und die Soldaten wissen das und sprechen es ungescheut aus. Wie der Offi¬
zier durch seine militärische Kenntniß nicht über dem Gemeinen steht, so auch
nicht durch seine gesellschaftliche Stellung, da ein Unterschied der Art hier zu
Lande nicht anerkannt wird. Dazu kommt endlich, daß der Offizier häufig durch
politische Hintergedanken, etwa durch die Absicht auf einen Namen, der bei
spätern Wahlen guten Klang hat, auf die militärische Laufbahn geführt wird.
Die künftigen Wähler sind die Soldaten, und wie könnte man sich bei ihnen
beliebt machen, wenn man sie hart behandelte oder strenge Anforderungen im
Dienst an sie stellte? So hatten die Offiziere kein Ansehen, die Soldaten keinen
Respect und keinen Gehorsam.

„Alles das," so fährt unser Erzähler fort, „hat sich seitdem unter der Herrschaft
der Nothwendigkeit und in der Schule der Erfahrung gebessert. Ja zu Anfang schon
gab es Ausnahmen. Bisweilen errichtete ein Offizier der regulären Armee,
begierig, sich auszuzeichnen, und im Besitz von Einfluß in seinem Staat, ein
Regiment und erzielte bewundernswürdige Ergebnisse. So z. B. ein junger
Genielieutenant, Namens Warren, der mit dem 5. Neuyorker Regiment, dessen
Oberst er war, vortreffliche Dienste leistete. Es waren dies allerdings auch
Freiwillige, aber sie fühlten das Wissen und die Überlegenheit ihres Führers."

Meist aber ist der Chef nichts als ein Kamerad, nux. daß er einen andern Rock
anhat. Man gehorcht ihm in der täglichen Routine, aber freiwillig. Man
hat aber auch die Wahl, ihm, wenn es Ernst wird, nicht zu folgen; denn bei
der allgemeinen Gleichheit in Amerika gibt.es keinen zwingenden Grund, ihm
zu gehorchen. Ein Freiwilliger ist in den Augen der Meisten nicht ein Soldat,
der sich freiwillig dem Dienst des Vaterlandes weiht, sondern ein Soldat, der
gegen gute Bezahlung nach seinem freien Willen, nach seinem Belieben handelt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/397>, abgerufen am 20.10.2024.