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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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sich schweren politischen Gefahren aussetzen. Mit Freiwilligen macht man kei¬
nen achtzehnten Brumaire. So entschied man sich, da Alles zu schaffen war,
eine Armee von Freiwilligen zu schaffen, eine ephemere, vergleichsweise
unwirksame und vor Allem das Land ruinirende Armee. Denn der ameri¬
kanische Freiwillige ist (ebenso wie der Reguläre) sehr reichlich besoldet: sein Sold
beträgt 1" Dollars monatlich, außerdem wird seiner Frau, so lange er abwesend
ist eine Monatspension von 7V-. Dollars ausbezahlt, was beiläufig eine Menge
von improvisirten Heirathen im Augenblick, wo man sich unter die Fahnen
stellte, veranlaßt hat. Kein Abzug vom Solde für Beköstigung, Bekleidung
oder irgend eine andere Lieferung. Der Freiwillige hat Alles frei und ist so
überreichlich mit Lebensmitteln versorgt, daß man ihn täglich einen Theil seiner
Ration wegwerfen sieht. Was eine solche Armee kostet, kann man sich vor¬
stellen. Und wenn man mit solchen Ausgaben noch etwas erreicht hätte! Aber
man verfehlte seinen Zweck aus Mangel an Mannszucht; nicht weil die mili¬
tärischen Gesetze und Regeln nicht streng genug gewesen wären, sondern weil
sie nicht angewendet wurden und in Folge der ersten Organisation der Regimenter
und der Zusammensetzung der Officierscorps nicht angewendet werden konnten."

"Wie bildet sich eigentlich ein Freiwilligenregiment? -- Sobald der Con-
greß die Zahl der Mannschaften votirt hat, die man unter die Fahnen rufen
will, berechnet man in Washington, wie viel jeder Staat der Union nach sei¬
nen Hülfsquellen und seiner Bevölkerung davon zu stellen hat. Darauf macht
jeder Gouverneur bekannt, daß innerhalb seiner Jurisdiction so und so viele
Regimenter ausgehoben werden sollen. Das Regiment, eigentlich nur ein Ba¬
taillon, ist die taktische Einheit in Amerika. Die Sache entwickelt sich dann
folgendermaßen: Einige Leute erscheinen mit d"in Anerbieten, ein Regiment
zu errichten, jeder macht seine Ansprüche, seinen Einfluß im Staat oder in
einem Theil des Staats, welcher ihn leicht die gewünschte Zahl aufbringen
lassen wird, seine Hingebung für die Partei, die gerade am Ruder ist. u. A.
geltend. Unter denen, die sich so präsentirr haben, trifft der Gouverneur seine
Wahl. Gewöhnlich hat der, auf welchen sie fällt, als erste Bedingung gestellt,
daß er das Commando über das Regiment erhalte, und so wird Herr So und
so, ein Arzt oder Advocat, der nie einen Degen angerührt hat, der aber sofort
den Beruf zum Militär in sich spürt, ohne Weiteres Oberst und setzt sich unver¬
züglich mit allen Werbeagenten und allen mit der Ausrüstung und Bekleidung
des zukünftigen Regiments betrauten Lieferanten in Verbindung. Soldaten zu
finden hält schwer; denn es herrscht viel Concurrenz. Man macht sich an alle
seine Bekannten, man zieht durch das Land, man sinnt auf allerhand. Der¬
gleichen geht rasch und gut in Amerika, wo man einen erfinderischen Kopf hat.
Meist findet man etliche Freunde, die, von demselben Kriegseiser ergriffen, so
und so viele Recruten zu besorgen versprechen, wenn man sie, den einen zum


sich schweren politischen Gefahren aussetzen. Mit Freiwilligen macht man kei¬
nen achtzehnten Brumaire. So entschied man sich, da Alles zu schaffen war,
eine Armee von Freiwilligen zu schaffen, eine ephemere, vergleichsweise
unwirksame und vor Allem das Land ruinirende Armee. Denn der ameri¬
kanische Freiwillige ist (ebenso wie der Reguläre) sehr reichlich besoldet: sein Sold
beträgt 1» Dollars monatlich, außerdem wird seiner Frau, so lange er abwesend
ist eine Monatspension von 7V-. Dollars ausbezahlt, was beiläufig eine Menge
von improvisirten Heirathen im Augenblick, wo man sich unter die Fahnen
stellte, veranlaßt hat. Kein Abzug vom Solde für Beköstigung, Bekleidung
oder irgend eine andere Lieferung. Der Freiwillige hat Alles frei und ist so
überreichlich mit Lebensmitteln versorgt, daß man ihn täglich einen Theil seiner
Ration wegwerfen sieht. Was eine solche Armee kostet, kann man sich vor¬
stellen. Und wenn man mit solchen Ausgaben noch etwas erreicht hätte! Aber
man verfehlte seinen Zweck aus Mangel an Mannszucht; nicht weil die mili¬
tärischen Gesetze und Regeln nicht streng genug gewesen wären, sondern weil
sie nicht angewendet wurden und in Folge der ersten Organisation der Regimenter
und der Zusammensetzung der Officierscorps nicht angewendet werden konnten."

„Wie bildet sich eigentlich ein Freiwilligenregiment? — Sobald der Con-
greß die Zahl der Mannschaften votirt hat, die man unter die Fahnen rufen
will, berechnet man in Washington, wie viel jeder Staat der Union nach sei¬
nen Hülfsquellen und seiner Bevölkerung davon zu stellen hat. Darauf macht
jeder Gouverneur bekannt, daß innerhalb seiner Jurisdiction so und so viele
Regimenter ausgehoben werden sollen. Das Regiment, eigentlich nur ein Ba¬
taillon, ist die taktische Einheit in Amerika. Die Sache entwickelt sich dann
folgendermaßen: Einige Leute erscheinen mit d«in Anerbieten, ein Regiment
zu errichten, jeder macht seine Ansprüche, seinen Einfluß im Staat oder in
einem Theil des Staats, welcher ihn leicht die gewünschte Zahl aufbringen
lassen wird, seine Hingebung für die Partei, die gerade am Ruder ist. u. A.
geltend. Unter denen, die sich so präsentirr haben, trifft der Gouverneur seine
Wahl. Gewöhnlich hat der, auf welchen sie fällt, als erste Bedingung gestellt,
daß er das Commando über das Regiment erhalte, und so wird Herr So und
so, ein Arzt oder Advocat, der nie einen Degen angerührt hat, der aber sofort
den Beruf zum Militär in sich spürt, ohne Weiteres Oberst und setzt sich unver¬
züglich mit allen Werbeagenten und allen mit der Ausrüstung und Bekleidung
des zukünftigen Regiments betrauten Lieferanten in Verbindung. Soldaten zu
finden hält schwer; denn es herrscht viel Concurrenz. Man macht sich an alle
seine Bekannten, man zieht durch das Land, man sinnt auf allerhand. Der¬
gleichen geht rasch und gut in Amerika, wo man einen erfinderischen Kopf hat.
Meist findet man etliche Freunde, die, von demselben Kriegseiser ergriffen, so
und so viele Recruten zu besorgen versprechen, wenn man sie, den einen zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/396>, abgerufen am 20.10.2024.