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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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gen sich das gesagt sein lassen) außer Stand gewesen, durch sein Votum den
Geist der Mannszucht und des Gehorsams zu erwecken, ohne den es nur be¬
waffnete Haufen, aber keine Armee gibt."

"Nach den amerikanischen Gesetzen unterhält die Bundesregierung in Frie¬
denszeiten ein regelmäßiges stehendes Herr. Sie kann außerdem in Zeiten der
Gefahr, des Kriegs oder Aufstands so viele Freiwillige unter die Fahnen rufen,
als sie für passend hält. Die regelmäßige Armee, durch Werbung gebildet,
zählte vor der Secession nur 20,000 Mann. Das Offiziercorps, ganz aus der
Militärschule hervorgegangen, war vortrefflich. Sehr unterrichtet, wohl bewan¬
dert in der Praxis ihres Handwerks, überzeugt von der Nothwendigkeit abso¬
luten Gehorsams, hielten sie in ihrer kleinen Truppe auf die strengste Manns¬
zucht. Dieser Kern der Armee war ausgezeichnet, aber der Aufstand hatte ihn,
wie soeben bemerkt, ausgelöst. Die Mehrzahl der Offiziere (mehr als 300) waren
zum Süden übergegangen. Die Soldaten, nur (richtiger zu etwa zwei Dritteln)
Jrländer oder Deutsche, verloren in den Einöden von Texas, hatten sich zer¬
streut. Kaum 3000 Mann kamen aus Californien und dem Mormonenlande zurück,
um am Kriege theilzunehmen. Werthvoller war die Rückkehr einer gewissen
Anzahl von Offizieren, die bei der Organisation des Freiwilligenheeres, welches
man aufzustellen begann, die Oberleitung übernehmen konnten.

In unserm Lande, wo man gelernt hat, den Werth des Berufssoldaten
im Vergleich zu jenem kostspieligen und eigenwilligen Liebhabersvldaten heraus¬
zufinden, den man einen Freiwilligen nennt, würde man außer sich gewesen
sein, wenn man der Mitwirkung des stehenden Heeres, so klein es war, hätte
entbehren sollen. Wäre ein solches vorhanden gewesen, so würde man daran
gegangen sein, es durch Erweiterung der Cadres und Einreihung von Recru-
ten zu vergrößern. Eine Armee von sechzigtausend Regularen hätte viel bessere
Dienste geleistet, als die zwei- oder dreifache Anzahl von Freiwilligen; aber in
Amerika weiß man das nicht, und was schlimmer ist. man will es Nichtwissen.
Das hieße ja auf den tief eingewurzelten Glauben verzichten, daß jedweder
Amerikaner, wenn er etwas will, in sich, ohne Lehrzeit, das Vermögen dazu
findet, und daß es in Folge dessen keinen Freiwilligen gibt, welcher, indem er
die Uniform anzieht, nicht in demselben Augenblicke einen neuen Menschen mit
allen Eigenschaften des Soldaten anzöge.

Dazu kommt, daß die Offiziere von Westpoint schon deshalb, weil sie eine
höhere Erziehung genossen haben und die Nothwendigkeit einer militärischen
Rangordnung anerkennen, als Aristokraten betrachtet werden. Alles Aristo¬
kratische aber ist schlecht. Solche Offiziere sind gut für die Soldtnechte, die ein¬
gewilligt haben ihnen zu gehorchen und unter ihren Befehlen die beschwerliche
Polizei gegen die Indianer der Grenze zu üben, aber unter ihr Commando
eine große Armee stellen, gebunden an die Subordination des Feldlagers, hieße


gen sich das gesagt sein lassen) außer Stand gewesen, durch sein Votum den
Geist der Mannszucht und des Gehorsams zu erwecken, ohne den es nur be¬
waffnete Haufen, aber keine Armee gibt."

„Nach den amerikanischen Gesetzen unterhält die Bundesregierung in Frie¬
denszeiten ein regelmäßiges stehendes Herr. Sie kann außerdem in Zeiten der
Gefahr, des Kriegs oder Aufstands so viele Freiwillige unter die Fahnen rufen,
als sie für passend hält. Die regelmäßige Armee, durch Werbung gebildet,
zählte vor der Secession nur 20,000 Mann. Das Offiziercorps, ganz aus der
Militärschule hervorgegangen, war vortrefflich. Sehr unterrichtet, wohl bewan¬
dert in der Praxis ihres Handwerks, überzeugt von der Nothwendigkeit abso¬
luten Gehorsams, hielten sie in ihrer kleinen Truppe auf die strengste Manns¬
zucht. Dieser Kern der Armee war ausgezeichnet, aber der Aufstand hatte ihn,
wie soeben bemerkt, ausgelöst. Die Mehrzahl der Offiziere (mehr als 300) waren
zum Süden übergegangen. Die Soldaten, nur (richtiger zu etwa zwei Dritteln)
Jrländer oder Deutsche, verloren in den Einöden von Texas, hatten sich zer¬
streut. Kaum 3000 Mann kamen aus Californien und dem Mormonenlande zurück,
um am Kriege theilzunehmen. Werthvoller war die Rückkehr einer gewissen
Anzahl von Offizieren, die bei der Organisation des Freiwilligenheeres, welches
man aufzustellen begann, die Oberleitung übernehmen konnten.

In unserm Lande, wo man gelernt hat, den Werth des Berufssoldaten
im Vergleich zu jenem kostspieligen und eigenwilligen Liebhabersvldaten heraus¬
zufinden, den man einen Freiwilligen nennt, würde man außer sich gewesen
sein, wenn man der Mitwirkung des stehenden Heeres, so klein es war, hätte
entbehren sollen. Wäre ein solches vorhanden gewesen, so würde man daran
gegangen sein, es durch Erweiterung der Cadres und Einreihung von Recru-
ten zu vergrößern. Eine Armee von sechzigtausend Regularen hätte viel bessere
Dienste geleistet, als die zwei- oder dreifache Anzahl von Freiwilligen; aber in
Amerika weiß man das nicht, und was schlimmer ist. man will es Nichtwissen.
Das hieße ja auf den tief eingewurzelten Glauben verzichten, daß jedweder
Amerikaner, wenn er etwas will, in sich, ohne Lehrzeit, das Vermögen dazu
findet, und daß es in Folge dessen keinen Freiwilligen gibt, welcher, indem er
die Uniform anzieht, nicht in demselben Augenblicke einen neuen Menschen mit
allen Eigenschaften des Soldaten anzöge.

Dazu kommt, daß die Offiziere von Westpoint schon deshalb, weil sie eine
höhere Erziehung genossen haben und die Nothwendigkeit einer militärischen
Rangordnung anerkennen, als Aristokraten betrachtet werden. Alles Aristo¬
kratische aber ist schlecht. Solche Offiziere sind gut für die Soldtnechte, die ein¬
gewilligt haben ihnen zu gehorchen und unter ihren Befehlen die beschwerliche
Polizei gegen die Indianer der Grenze zu üben, aber unter ihr Commando
eine große Armee stellen, gebunden an die Subordination des Feldlagers, hieße


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/395>, abgerufen am 20.10.2024.