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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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mit ihren Creaturen anzufüllen, vor Allem die Militärschule und somit das
Heer*). Lange Zeit Kriegsminister, hat Jefferson Davis mehr als ein Andrer
in diesem Sinne gewirkt. Die Neigungen der Nordstaaten machten ihm über¬
dies seine Aufgabe leicht. Unter den arbeitsamen und immer ein wenig puri¬
tanischen Bevölkerungen Neuenglands wurde das Waffenhandwerk als eine Art
Müßiggängerleben betrachtet, die Akademie zu Westpoint stand bei ihnen in
nur mäßiges Achtung, und sie hielten ihre Kinder von ihr fern. Endlich hatte
kurz vor der Krise, welche durch Lincolns Erwählung eintrat, der Kriegsminister
Buchanans, Floyd, gegenwärtig einer der Generale der Secession, Sorge ge¬
tragen, den Inhalt aller Bundesarsenale nach dem Süden zu dirigiren und die
ganze reguläre Armee nach Texas zu senden, wodurch er zwischen diese und
Washington die Schranke der Sklavenstaaten schob und das Gefühl der Pflicht
ohnmächtig machte, welches die Soldaten antreiben konnte, der kleinen Zahl
der ihrer Fahne treugebliebenen Offiziere zu folgen. In gleicher Weise waren
die Cvnföderirten, keine Vorsichtsmaßregel versäumend, mit der Marine ver¬
fahren; sie war nach allen vier Ecken der Welt zerstreut.

Der Norden seinerseits that nichts, obwohl es ihm nicht an Warnungen
gefehlt hatte, obwohl schon seit geraumer Zeit der Abfall offen gepredigt worden, ob¬
wohl schon vor zwanzig Jahren ein Roman "IKs ?g.re.i3an I^aer" von dem
jetzt in Virginien wüthenden Kriege ein wahrhaft prophetisches Bild gegeben
hatte. Man glaubte eben hier, wie anderwärts, daß Alles sich noch auf fried¬
lichem Wege ordnen lassen würde. Man hielt sich für den stärkern Theil und
meinte, es sei nutzlos, sich vor der Zeit Sorge zu machen. Immer die alte
Geschichte vom Hasen und der Schildkröte. Endlich rechnete man für den
Nothfall auf die Hunderttausende von Freiwilligen, die in allen Almanachen
als die eigentliche militärische Stärke des Landes ausgeführt wurden, und
welche die Unerfahrenheit der öffentlichen Meinung für unwiderstehlich hielt.
Man wurde schnell enttäuscht. Der Süden zieht bei der Präsidentenwahl den
Kürzern. Noch hat er die Mehrheit im Senat, noch schwindet ihm nicht die
Macht, aber es ist eine Verwundung seines Stolzes. Die Aufwiegler und die
Ehrgeizigen benutzen diese Verwundung als Mittel des Erfolgs, sie erheben die
Fahne des Aufstandes. Die Bundesmacht, noch immer unbeweglich, läßt un¬
genützt die Periode der Compromisse, der Versöhnung sowie die einer sofortigen
energischen Niederwerfung der Rebellion verstreichen. Man rüstet sich auf beiden
Seiten für einen unvermeidlich gewordenen Kampf, aber der Süden hat die



") Die Zöglinge der Militärakademie zu Westpoint waren zu allen Zeiten zu mehr als
zwei Dritteln aus den Südstaaten. Bon den 137 Generalen, die das Heer der Cvnföderirten
D. Red. jetzt zählt, sind nicht weniger als S2 aus dieser Kriegsschule hervorgegangen.
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mit ihren Creaturen anzufüllen, vor Allem die Militärschule und somit das
Heer*). Lange Zeit Kriegsminister, hat Jefferson Davis mehr als ein Andrer
in diesem Sinne gewirkt. Die Neigungen der Nordstaaten machten ihm über¬
dies seine Aufgabe leicht. Unter den arbeitsamen und immer ein wenig puri¬
tanischen Bevölkerungen Neuenglands wurde das Waffenhandwerk als eine Art
Müßiggängerleben betrachtet, die Akademie zu Westpoint stand bei ihnen in
nur mäßiges Achtung, und sie hielten ihre Kinder von ihr fern. Endlich hatte
kurz vor der Krise, welche durch Lincolns Erwählung eintrat, der Kriegsminister
Buchanans, Floyd, gegenwärtig einer der Generale der Secession, Sorge ge¬
tragen, den Inhalt aller Bundesarsenale nach dem Süden zu dirigiren und die
ganze reguläre Armee nach Texas zu senden, wodurch er zwischen diese und
Washington die Schranke der Sklavenstaaten schob und das Gefühl der Pflicht
ohnmächtig machte, welches die Soldaten antreiben konnte, der kleinen Zahl
der ihrer Fahne treugebliebenen Offiziere zu folgen. In gleicher Weise waren
die Cvnföderirten, keine Vorsichtsmaßregel versäumend, mit der Marine ver¬
fahren; sie war nach allen vier Ecken der Welt zerstreut.

Der Norden seinerseits that nichts, obwohl es ihm nicht an Warnungen
gefehlt hatte, obwohl schon seit geraumer Zeit der Abfall offen gepredigt worden, ob¬
wohl schon vor zwanzig Jahren ein Roman „IKs ?g.re.i3an I^aer" von dem
jetzt in Virginien wüthenden Kriege ein wahrhaft prophetisches Bild gegeben
hatte. Man glaubte eben hier, wie anderwärts, daß Alles sich noch auf fried¬
lichem Wege ordnen lassen würde. Man hielt sich für den stärkern Theil und
meinte, es sei nutzlos, sich vor der Zeit Sorge zu machen. Immer die alte
Geschichte vom Hasen und der Schildkröte. Endlich rechnete man für den
Nothfall auf die Hunderttausende von Freiwilligen, die in allen Almanachen
als die eigentliche militärische Stärke des Landes ausgeführt wurden, und
welche die Unerfahrenheit der öffentlichen Meinung für unwiderstehlich hielt.
Man wurde schnell enttäuscht. Der Süden zieht bei der Präsidentenwahl den
Kürzern. Noch hat er die Mehrheit im Senat, noch schwindet ihm nicht die
Macht, aber es ist eine Verwundung seines Stolzes. Die Aufwiegler und die
Ehrgeizigen benutzen diese Verwundung als Mittel des Erfolgs, sie erheben die
Fahne des Aufstandes. Die Bundesmacht, noch immer unbeweglich, läßt un¬
genützt die Periode der Compromisse, der Versöhnung sowie die einer sofortigen
energischen Niederwerfung der Rebellion verstreichen. Man rüstet sich auf beiden
Seiten für einen unvermeidlich gewordenen Kampf, aber der Süden hat die



") Die Zöglinge der Militärakademie zu Westpoint waren zu allen Zeiten zu mehr als
zwei Dritteln aus den Südstaaten. Bon den 137 Generalen, die das Heer der Cvnföderirten
D. Red. jetzt zählt, sind nicht weniger als S2 aus dieser Kriegsschule hervorgegangen.
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[0393] mit ihren Creaturen anzufüllen, vor Allem die Militärschule und somit das Heer*). Lange Zeit Kriegsminister, hat Jefferson Davis mehr als ein Andrer in diesem Sinne gewirkt. Die Neigungen der Nordstaaten machten ihm über¬ dies seine Aufgabe leicht. Unter den arbeitsamen und immer ein wenig puri¬ tanischen Bevölkerungen Neuenglands wurde das Waffenhandwerk als eine Art Müßiggängerleben betrachtet, die Akademie zu Westpoint stand bei ihnen in nur mäßiges Achtung, und sie hielten ihre Kinder von ihr fern. Endlich hatte kurz vor der Krise, welche durch Lincolns Erwählung eintrat, der Kriegsminister Buchanans, Floyd, gegenwärtig einer der Generale der Secession, Sorge ge¬ tragen, den Inhalt aller Bundesarsenale nach dem Süden zu dirigiren und die ganze reguläre Armee nach Texas zu senden, wodurch er zwischen diese und Washington die Schranke der Sklavenstaaten schob und das Gefühl der Pflicht ohnmächtig machte, welches die Soldaten antreiben konnte, der kleinen Zahl der ihrer Fahne treugebliebenen Offiziere zu folgen. In gleicher Weise waren die Cvnföderirten, keine Vorsichtsmaßregel versäumend, mit der Marine ver¬ fahren; sie war nach allen vier Ecken der Welt zerstreut. Der Norden seinerseits that nichts, obwohl es ihm nicht an Warnungen gefehlt hatte, obwohl schon seit geraumer Zeit der Abfall offen gepredigt worden, ob¬ wohl schon vor zwanzig Jahren ein Roman „IKs ?g.re.i3an I^aer" von dem jetzt in Virginien wüthenden Kriege ein wahrhaft prophetisches Bild gegeben hatte. Man glaubte eben hier, wie anderwärts, daß Alles sich noch auf fried¬ lichem Wege ordnen lassen würde. Man hielt sich für den stärkern Theil und meinte, es sei nutzlos, sich vor der Zeit Sorge zu machen. Immer die alte Geschichte vom Hasen und der Schildkröte. Endlich rechnete man für den Nothfall auf die Hunderttausende von Freiwilligen, die in allen Almanachen als die eigentliche militärische Stärke des Landes ausgeführt wurden, und welche die Unerfahrenheit der öffentlichen Meinung für unwiderstehlich hielt. Man wurde schnell enttäuscht. Der Süden zieht bei der Präsidentenwahl den Kürzern. Noch hat er die Mehrheit im Senat, noch schwindet ihm nicht die Macht, aber es ist eine Verwundung seines Stolzes. Die Aufwiegler und die Ehrgeizigen benutzen diese Verwundung als Mittel des Erfolgs, sie erheben die Fahne des Aufstandes. Die Bundesmacht, noch immer unbeweglich, läßt un¬ genützt die Periode der Compromisse, der Versöhnung sowie die einer sofortigen energischen Niederwerfung der Rebellion verstreichen. Man rüstet sich auf beiden Seiten für einen unvermeidlich gewordenen Kampf, aber der Süden hat die ") Die Zöglinge der Militärakademie zu Westpoint waren zu allen Zeiten zu mehr als zwei Dritteln aus den Südstaaten. Bon den 137 Generalen, die das Heer der Cvnföderirten D. Red. jetzt zählt, sind nicht weniger als S2 aus dieser Kriegsschule hervorgegangen. 48"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/393>, abgerufen am 21.10.2024.