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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Worten: der General mag kein so bedeutender Strateg sein, wie er hier er¬
scheint, gewisser aber noch ist, daß er nicht so unfähig, wie er dort geschildert
wurde, gehandelt hat, und daß er zwar kein Abolitionist, aber auch nicht der
Verräther an den Interessen der Union war, für den ihn die republikanische
Presse mit gewohntem Declamatoren-Pathos erklärte.

Wie dem aber auch sei -- wir müssen uns eben vorläufig bescheiden, für
ein gerechtes Urtheil über den Kampf zwischen Union und Konföderation Ma¬
terial zu sammeln -- der Aufsatz in der "Revue des deux Mondes" gibt ein
so lebendiges Bild von der Entstehung und Zusammensetzung der föderalistischen
Armee und dem ganzen Verlauf des Feldzugs gegen die Hauptstadt der Seces-
sionisten, daß wir ihn schon als Ergänzung unsrer bisherigen Berichte in sei¬
nen Grundzügen mittheilen zu müssen glauben.

Ein letzter Grund, der uns bewog, die folgenden Auszüge zu geben, be¬
darf nur kurzer Erwähnung. Es ist die Lehre, die in ihnen für die Bornirten
unter unsern Demokraten und namentlich für die liegt, welche für sogenannte
"Volksheere" schwärmen und dem Glauben huldigen, daß man kriegstüchtige
Armeen aus der Erde stampfen kann.

"Als ich in Amerika eintraf," so beginnt der Verfasser des Aufsatzes, "war
soeben der Vorhang über den ersten Act des seccssionistischen Aufstands gefallen.
Der Angriff auf das Fort Sünder war das Vorspiel gewesen, dann war das
Unglück von Bulls Nun gekommen. Das Heer des Südens lagerte vor Was¬
hington. Man beeilte sich, um diese Hauptstadt Vertheidigungswerke aufzu¬
werfen.. Von Zeit zu Zeit dröhnte Kanonendonner von den Vorposten herüber.
Inmitten dieses aufregenden Zustandes entstand die Potomac-Armee.

Bis dahin hatte die Bundesregierung, durch die Ereignisse überrascht, in
der Eile nur vorläufige Maßregeln treffen können, welche die Gefahr vermehr¬
ten, statt sie zu beseitigen. Alle Vortheile waren zu Anfang des Aufstandes
auf Seiten der Aufständischen. Sie waren bereit für einen Kampf mit ge-
waffneter Hand, der Norden war es nicht. Seit geraumer Zeit schon war in
der That das Werk des Abfalls vorbereitet. Unter dem Vorwand, sich gegen
Erhebungen der Sklaven (wie der Brownsche Pulses) militärisch zu organisiren,
hatten die Staaten des Südens sich eine stehende Miliz geschaffen, die auf das
erste Zeichen marschiren konnte. Specialschulen waren gegründet worden, wo
die Söhne der Sklavenhalter sich die guten und üblen Eigenschaften aneigneten,
welche ein Geschlecht von Soldaten machen. Der Bewohner des Nordens blieb
währenddem, sich mit Vertrauen auf die regelmäßige Wirksamkeit der Verfassung
verlassend, einzig mit seinen nächsten Interessen beschäftigt, hinter seinem Laden¬
tisch. Die nationale Armee der Vereinigten Staaten war überdies fast ganz
in den Händen der Männer des Südens. Seit vielen Jahren waren sie im
Besitz der Bundesgewalt, und sie verfehlten nicht, alle Zweige der Verwaltung


Worten: der General mag kein so bedeutender Strateg sein, wie er hier er¬
scheint, gewisser aber noch ist, daß er nicht so unfähig, wie er dort geschildert
wurde, gehandelt hat, und daß er zwar kein Abolitionist, aber auch nicht der
Verräther an den Interessen der Union war, für den ihn die republikanische
Presse mit gewohntem Declamatoren-Pathos erklärte.

Wie dem aber auch sei — wir müssen uns eben vorläufig bescheiden, für
ein gerechtes Urtheil über den Kampf zwischen Union und Konföderation Ma¬
terial zu sammeln — der Aufsatz in der „Revue des deux Mondes" gibt ein
so lebendiges Bild von der Entstehung und Zusammensetzung der föderalistischen
Armee und dem ganzen Verlauf des Feldzugs gegen die Hauptstadt der Seces-
sionisten, daß wir ihn schon als Ergänzung unsrer bisherigen Berichte in sei¬
nen Grundzügen mittheilen zu müssen glauben.

Ein letzter Grund, der uns bewog, die folgenden Auszüge zu geben, be¬
darf nur kurzer Erwähnung. Es ist die Lehre, die in ihnen für die Bornirten
unter unsern Demokraten und namentlich für die liegt, welche für sogenannte
„Volksheere" schwärmen und dem Glauben huldigen, daß man kriegstüchtige
Armeen aus der Erde stampfen kann.

„Als ich in Amerika eintraf," so beginnt der Verfasser des Aufsatzes, „war
soeben der Vorhang über den ersten Act des seccssionistischen Aufstands gefallen.
Der Angriff auf das Fort Sünder war das Vorspiel gewesen, dann war das
Unglück von Bulls Nun gekommen. Das Heer des Südens lagerte vor Was¬
hington. Man beeilte sich, um diese Hauptstadt Vertheidigungswerke aufzu¬
werfen.. Von Zeit zu Zeit dröhnte Kanonendonner von den Vorposten herüber.
Inmitten dieses aufregenden Zustandes entstand die Potomac-Armee.

Bis dahin hatte die Bundesregierung, durch die Ereignisse überrascht, in
der Eile nur vorläufige Maßregeln treffen können, welche die Gefahr vermehr¬
ten, statt sie zu beseitigen. Alle Vortheile waren zu Anfang des Aufstandes
auf Seiten der Aufständischen. Sie waren bereit für einen Kampf mit ge-
waffneter Hand, der Norden war es nicht. Seit geraumer Zeit schon war in
der That das Werk des Abfalls vorbereitet. Unter dem Vorwand, sich gegen
Erhebungen der Sklaven (wie der Brownsche Pulses) militärisch zu organisiren,
hatten die Staaten des Südens sich eine stehende Miliz geschaffen, die auf das
erste Zeichen marschiren konnte. Specialschulen waren gegründet worden, wo
die Söhne der Sklavenhalter sich die guten und üblen Eigenschaften aneigneten,
welche ein Geschlecht von Soldaten machen. Der Bewohner des Nordens blieb
währenddem, sich mit Vertrauen auf die regelmäßige Wirksamkeit der Verfassung
verlassend, einzig mit seinen nächsten Interessen beschäftigt, hinter seinem Laden¬
tisch. Die nationale Armee der Vereinigten Staaten war überdies fast ganz
in den Händen der Männer des Südens. Seit vielen Jahren waren sie im
Besitz der Bundesgewalt, und sie verfehlten nicht, alle Zweige der Verwaltung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/392>, abgerufen am 21.10.2024.