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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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öffentlich durch die Vilmarsche "Hessenzeitung" und heimlich durch den Kanal
einer gewissen Kanunerfrau.

Herr v. Dehn-Rothfeiser, aus einer alten, aber nur gering begüterten
Adelsfamilie der Provinz Hanau abstammend, ist ebenfalls Jurist. Ein glatter
Herr! Von der Routine der Finanzverwaltung, geschweige denn von Finanz¬
wissenschaft, weiß er schwerlich auch nur das. Nothwendigste. Es kann also nur
seine politische Richtung sein, welche ihn zu dem Posten eines Finanzministers
empfohlen hat. Diese politische Richtung ist aber mehr als bedenklich. Als
Vertreter eines Prinzen hat er in der Ständeversammlung schon vor 1848 ent¬
schieden verfassungsfeindliche Tendenzen an den Tag gelegt. Nach dem Ab¬
leben Kurfürst Wilhelm des Zweiten im Herbst l847 war er in den damals schon
eingeleiteten Verfassungsbruch, der bekanntlich an dem Verfassungseid der Armee
scheiterte, eingeweiht. Seit 1,850 war Herr v. Dehn ein getreues Werkzeug
des Hassenpflugschen Vcrfassungsumsturzes und der Vilmarschen Richtung in
kirchlichen Angelegenheiten ergeben. Von der Jmmoralität, welche darin liegt, '
daß Herr V. Dehn sich jetzt Plötzlich einem Ministerium zugesellte, dessen
wesentliche Aufgabe in der Wiederherstellung der von ihm bekämpften Verfas¬
sung bestehen sollte und bestehen mußte, scheint er kaum eine Ahnung zu haben.
Eine gewisse Harmlosigkeit, Gutmüthigkeit, und unbegrenzte Fügsamkeit scheint
seinen Schritt erleichtert zu haben.

Ueber Herrn Pfeiffer, den Justizminister, ist dem schon Gesagten kaum
etwas beizufügen. Er ist übrigens gleichfalls der Vilmarschen Richtung zugethan
und zwar viel mehr als einem Leiter der Justiz zu wünschen ist. Herr
v. Osterhausen ist inzwischen schon an den Aufregungen, die sein Posten
bei dem Charakter des Kurfürsten mit sich bringt, erkrankt, und das Kriegs¬
ministerium wird dermalen von dem Obersten Kellermann versehen.

Aus diesen Männern ist also das Ministerium zusammengesetzt, welches
die'Verpflichtung übernommen hat, die Verfassung wieder herzustellen. Daß
die einzelnen Elemente dieses Ministeriums ' unter sich nicht homogen sind,
wurde schon angedeutet. Während die Mehrzahl der Vilmarschen Richtung er¬
geben ist. wird Herr v. Stiernberg von den Vilmarianern offen und heimlich
angefeindet. Daraus ergibt sich mit innerer Nothwendigkeit die auch schon
offenkundig gewordene Thatsache, daß das Ministerium, trotz aller übernommenen
Solidarität, nur aus äußerer Nöthigung eine geschlossene Einheit bildet, so¬
wohl dem Kurfürsten, als den Vertretern des Landes gegenüber. Die von
Herrn von Stiernberg in Angriff genommene Reform der Hassenpflugschen
Schulordnungen ist deshalb auch schon ins Stocken gerathen. Den schwersten
Stand hat das Ministerium, wie jedes seiner Vorgänger, dem Kurfürsten gegen¬
über. Nicht allein die natürliche Abneigung des eigenwilligen Herrn gegen die
Wiederherstellung der Verfassung ist zu überwinden; sondern auch der von den


öffentlich durch die Vilmarsche „Hessenzeitung" und heimlich durch den Kanal
einer gewissen Kanunerfrau.

Herr v. Dehn-Rothfeiser, aus einer alten, aber nur gering begüterten
Adelsfamilie der Provinz Hanau abstammend, ist ebenfalls Jurist. Ein glatter
Herr! Von der Routine der Finanzverwaltung, geschweige denn von Finanz¬
wissenschaft, weiß er schwerlich auch nur das. Nothwendigste. Es kann also nur
seine politische Richtung sein, welche ihn zu dem Posten eines Finanzministers
empfohlen hat. Diese politische Richtung ist aber mehr als bedenklich. Als
Vertreter eines Prinzen hat er in der Ständeversammlung schon vor 1848 ent¬
schieden verfassungsfeindliche Tendenzen an den Tag gelegt. Nach dem Ab¬
leben Kurfürst Wilhelm des Zweiten im Herbst l847 war er in den damals schon
eingeleiteten Verfassungsbruch, der bekanntlich an dem Verfassungseid der Armee
scheiterte, eingeweiht. Seit 1,850 war Herr v. Dehn ein getreues Werkzeug
des Hassenpflugschen Vcrfassungsumsturzes und der Vilmarschen Richtung in
kirchlichen Angelegenheiten ergeben. Von der Jmmoralität, welche darin liegt, '
daß Herr V. Dehn sich jetzt Plötzlich einem Ministerium zugesellte, dessen
wesentliche Aufgabe in der Wiederherstellung der von ihm bekämpften Verfas¬
sung bestehen sollte und bestehen mußte, scheint er kaum eine Ahnung zu haben.
Eine gewisse Harmlosigkeit, Gutmüthigkeit, und unbegrenzte Fügsamkeit scheint
seinen Schritt erleichtert zu haben.

Ueber Herrn Pfeiffer, den Justizminister, ist dem schon Gesagten kaum
etwas beizufügen. Er ist übrigens gleichfalls der Vilmarschen Richtung zugethan
und zwar viel mehr als einem Leiter der Justiz zu wünschen ist. Herr
v. Osterhausen ist inzwischen schon an den Aufregungen, die sein Posten
bei dem Charakter des Kurfürsten mit sich bringt, erkrankt, und das Kriegs¬
ministerium wird dermalen von dem Obersten Kellermann versehen.

Aus diesen Männern ist also das Ministerium zusammengesetzt, welches
die'Verpflichtung übernommen hat, die Verfassung wieder herzustellen. Daß
die einzelnen Elemente dieses Ministeriums ' unter sich nicht homogen sind,
wurde schon angedeutet. Während die Mehrzahl der Vilmarschen Richtung er¬
geben ist. wird Herr v. Stiernberg von den Vilmarianern offen und heimlich
angefeindet. Daraus ergibt sich mit innerer Nothwendigkeit die auch schon
offenkundig gewordene Thatsache, daß das Ministerium, trotz aller übernommenen
Solidarität, nur aus äußerer Nöthigung eine geschlossene Einheit bildet, so¬
wohl dem Kurfürsten, als den Vertretern des Landes gegenüber. Die von
Herrn von Stiernberg in Angriff genommene Reform der Hassenpflugschen
Schulordnungen ist deshalb auch schon ins Stocken gerathen. Den schwersten
Stand hat das Ministerium, wie jedes seiner Vorgänger, dem Kurfürsten gegen¬
über. Nicht allein die natürliche Abneigung des eigenwilligen Herrn gegen die
Wiederherstellung der Verfassung ist zu überwinden; sondern auch der von den


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[0378] öffentlich durch die Vilmarsche „Hessenzeitung" und heimlich durch den Kanal einer gewissen Kanunerfrau. Herr v. Dehn-Rothfeiser, aus einer alten, aber nur gering begüterten Adelsfamilie der Provinz Hanau abstammend, ist ebenfalls Jurist. Ein glatter Herr! Von der Routine der Finanzverwaltung, geschweige denn von Finanz¬ wissenschaft, weiß er schwerlich auch nur das. Nothwendigste. Es kann also nur seine politische Richtung sein, welche ihn zu dem Posten eines Finanzministers empfohlen hat. Diese politische Richtung ist aber mehr als bedenklich. Als Vertreter eines Prinzen hat er in der Ständeversammlung schon vor 1848 ent¬ schieden verfassungsfeindliche Tendenzen an den Tag gelegt. Nach dem Ab¬ leben Kurfürst Wilhelm des Zweiten im Herbst l847 war er in den damals schon eingeleiteten Verfassungsbruch, der bekanntlich an dem Verfassungseid der Armee scheiterte, eingeweiht. Seit 1,850 war Herr v. Dehn ein getreues Werkzeug des Hassenpflugschen Vcrfassungsumsturzes und der Vilmarschen Richtung in kirchlichen Angelegenheiten ergeben. Von der Jmmoralität, welche darin liegt, ' daß Herr V. Dehn sich jetzt Plötzlich einem Ministerium zugesellte, dessen wesentliche Aufgabe in der Wiederherstellung der von ihm bekämpften Verfas¬ sung bestehen sollte und bestehen mußte, scheint er kaum eine Ahnung zu haben. Eine gewisse Harmlosigkeit, Gutmüthigkeit, und unbegrenzte Fügsamkeit scheint seinen Schritt erleichtert zu haben. Ueber Herrn Pfeiffer, den Justizminister, ist dem schon Gesagten kaum etwas beizufügen. Er ist übrigens gleichfalls der Vilmarschen Richtung zugethan und zwar viel mehr als einem Leiter der Justiz zu wünschen ist. Herr v. Osterhausen ist inzwischen schon an den Aufregungen, die sein Posten bei dem Charakter des Kurfürsten mit sich bringt, erkrankt, und das Kriegs¬ ministerium wird dermalen von dem Obersten Kellermann versehen. Aus diesen Männern ist also das Ministerium zusammengesetzt, welches die'Verpflichtung übernommen hat, die Verfassung wieder herzustellen. Daß die einzelnen Elemente dieses Ministeriums ' unter sich nicht homogen sind, wurde schon angedeutet. Während die Mehrzahl der Vilmarschen Richtung er¬ geben ist. wird Herr v. Stiernberg von den Vilmarianern offen und heimlich angefeindet. Daraus ergibt sich mit innerer Nothwendigkeit die auch schon offenkundig gewordene Thatsache, daß das Ministerium, trotz aller übernommenen Solidarität, nur aus äußerer Nöthigung eine geschlossene Einheit bildet, so¬ wohl dem Kurfürsten, als den Vertretern des Landes gegenüber. Die von Herrn von Stiernberg in Angriff genommene Reform der Hassenpflugschen Schulordnungen ist deshalb auch schon ins Stocken gerathen. Den schwersten Stand hat das Ministerium, wie jedes seiner Vorgänger, dem Kurfürsten gegen¬ über. Nicht allein die natürliche Abneigung des eigenwilligen Herrn gegen die Wiederherstellung der Verfassung ist zu überwinden; sondern auch der von den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/378>, abgerufen am 20.10.2024.