Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.denn auch die Bleistift-Redaction schon am 21 Juni stattgefunden zu haben Die Residenz erwachte am 23. Juni mit der landesherrlichen Verkündigung, Mit jener landesherrlichen Verkündigung war die so lang und so heiß So hatten denn die Minister ein schweres Werk auf ihre Schultern ge¬ Herr v. Stiernberg, aus einer nicht begüterten Familie stammend, 46*
denn auch die Bleistift-Redaction schon am 21 Juni stattgefunden zu haben Die Residenz erwachte am 23. Juni mit der landesherrlichen Verkündigung, Mit jener landesherrlichen Verkündigung war die so lang und so heiß So hatten denn die Minister ein schweres Werk auf ihre Schultern ge¬ Herr v. Stiernberg, aus einer nicht begüterten Familie stammend, 46*
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denn auch die Bleistift-Redaction schon am 21 Juni stattgefunden zu haben
scheint.
Die Residenz erwachte am 23. Juni mit der landesherrlichen Verkündigung,
aber — ohne die erwarteten Preußen. Wäre am Abend des 22. Juni nur
eine halbe Compagnie Preußen vor den Thoren von Kassel erschienen, man
würde wunderliche Dinge erlebt haben. So verlief aber Alles ganz glatt, und
für dieses Mal war man im Palais noch mit der ausgestandenen Angst und
deren momentanen Folgen davongekommen.
Mit jener landesherrlichen Verkündigung war die so lang und so heiß
ersehnte Verfassung zurückgegeben, aber nicht die leiseste Spur einer Freuden-
bezeigung von Seiten der Bevölkerung konnte man bemerken. Die begleitenden
Umstände machten dieses unmöglich. Aus den Inhalt der landesherrlichen Ver¬
kündigung werden wir später zurückkommen. Der Kurfürst setzte die Vordere»-
tungen zu seiner Badereise fort, und die neuen Minister waren bemüht, die
bündigsten Versicherungen zu verbreiten, daß es ihnen mit der Wiederherstellung
der Verfassung voller Ernst sei. Blieben auch die Versicherungen de» Herrn
von Stiernberg durch eine gewisse Geradheit nicht ohne Eindruck, so konnten
die des Herrn von Dehn-Rothselser, in Anbetracht seiner Antecedentien ein-
gleiche Wirkung nicht haben. Wirklich wurde auch dem Kurfürsten, noch vor
seiner Abreise nach Teplitz, eine von tiefem Mißtrauen erfüllte Adresse der
Vertreter der Kasseler Bürgerschaft überreicht.
So hatten denn die Minister ein schweres Werk auf ihre Schultern ge¬
nommen. Auch den besten Willen vorausgesetzt, werden sie, so mußte man
schließen, kaum im Stande sein die Last zu bewältigen.
Herr v. Stiernberg, aus einer nicht begüterten Familie stammend,
welche der hessischen Ritterschaft nicht angehört, war ursprünglich Jurist. Er
bekleidete im Jahr 1350 die Stelle eines Justizbeamten zu Fritzlar und wurde
von Hafsenpflug noch dem Sturz der Verfassung zum Polizeidirector der Re¬
sidenz erkoren. Kein Zweifel, daß Hafsenpflug in ihm ein brauchbares Werk¬
zeug seiner Absichten zu finden hoffte. Später als Landrath nach Eschwege
versetzt, hat er zuletzt die Stelle eines Bezirksdirectors zu Schmalkalden beklei¬
det. Er wird als ein einsichtsvoller, thätiger, wohlwollender Mann bezeichnet,
der Abends bei einem Glase Wein gesellige Unterhaltung liebt. Kenntnisse,
wie sie für einen Minister des Innern erforderlich sind, hat er sich kaum er-
werben können, und von seiner politischen Begabung legt sein obenerwähntes
Inserat zu Gunsten der mißgeborenen Verfassung kein vorteilhaftes Zeugniß
ab. Redliches Streben und Festigkeit wird man gleichwohl bei ihm anerkennen
müssen, wenn sich diese Eigenschaften hiernächst bewähren. Herr v. Stiern¬
berg hat sogar eine gewisse Popularität schon dadurch erlangt, daß die „Mucker"
ihn hassen, und ihre giftigsten Pfeile auf ihn abschießen. Es geschieht dieses
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