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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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lich. In jüngster Zeit hat der engere Ausschuß und ebenso das Landtags-
directorium sich eine Ausschließung derjenigen Anträge, welche ihm dazu nicht
geeignet erscheinen, von der Inklination und Verhandlung erlaubt. Die Be¬
rechtigung zu solcher Ausschließung wie zur Verschweigung und stillschweigenden
Beiseitelegung oder Zurücksendung mißliebiger Eingänge, wovon gleichfalls Bei¬
spiele aus neuester Zeit vorliegen, hat das Landtagsdirectorium bisher nicht
nachgewiesen. .

Jedem der beiden Stände steht es frei, für sich zu deliberiren und zu be¬
schließen (illo in x-rrtss), in welchem Falle jeder Stand sein Votum über die
zur Verhandlung stehende Frage selbständig abgibt. Divergiren beide Vota,
so kommt ein Landtagsbeschluß über die fragliche Angelegenheit nicht zu
Stande.

Die Verhandlungen zwischen Landesherrschaft und Ständen werden durch
landesherrliche Comnnssarien geführt. Diese eröffnen zwar den Landtag in Per¬
son, bleiben auch beständig am Orte anwesend, sind aber nicht berechtigt, bei
den Verhandlungen des Landtags auch nur als Zeugen zugegen zu sein, ver¬
handeln daher mit dem Landtage nur schriftlich, sofern dieser es nicht in ein¬
zelnen Fällen angemessen findet, durch Deputirte mit den Commissarien in Ver¬
bindung zu treten.

Die Gegenstände der Landtagsverhandlungen bilden außer den landes¬
herrlichen Hauptpropositionen (oaxita) die Anträge, welche noch anderweitig von
den Landesherren an die Versammlung gebracht werden, die Anträge des
Landtagsdirectoriums, des engeren Ausschusses, sowie einzelner Stände¬
mitglieder, und die Petitionen von Privatpersonen, ferner Wahlen zu stän¬
dischen Aemtern, Rechnungsrevisionen u. f. w.

Außerhalb Landtags wird die Ritter- und Landschaft durch den schon er¬
wähnten "engeren Ausschuß" vertreten, ein "die gesammte Ritter- und Land¬
schaft vorstellendes Collegium", welches zu Rostock seinen Sitz hat, und aus
zwei Landräthen, drei ritterschaftlichen Deputirten, einem Deputirten der Stadt
Rostock und drei Deputirten der Vorderstädte besteht.

Vermöge der Verträge haben die Stände ein Recht der Steuerbewilligung,
sowohl was die Höhe als was den Modus der Steuer betrifft. Selbst für die
ein für allemal vertragsmäßig festgestellten Steuern ist die jährliche Wieder¬
holung der landesherrlichen Forderung und der ständischen Bewilligung als
Form beibehalten.

Was die Theilnahme der Stände an der Gesetzgebung anbetrifft, so wird
ein Unterschied gemacht zwischen solchen Verordnungen und Gesetzen, welche die
wohlerworbenen Rechte und Befugnisse der Ritter- und Landschaft oder des
einen dieser beiden Stände berühren, und solchen, welche "gleichgültig, jedoch
zur Wohlfahrt und zum Vortheil des ganzen Landes absichtlich und diensam


lich. In jüngster Zeit hat der engere Ausschuß und ebenso das Landtags-
directorium sich eine Ausschließung derjenigen Anträge, welche ihm dazu nicht
geeignet erscheinen, von der Inklination und Verhandlung erlaubt. Die Be¬
rechtigung zu solcher Ausschließung wie zur Verschweigung und stillschweigenden
Beiseitelegung oder Zurücksendung mißliebiger Eingänge, wovon gleichfalls Bei¬
spiele aus neuester Zeit vorliegen, hat das Landtagsdirectorium bisher nicht
nachgewiesen. .

Jedem der beiden Stände steht es frei, für sich zu deliberiren und zu be¬
schließen (illo in x-rrtss), in welchem Falle jeder Stand sein Votum über die
zur Verhandlung stehende Frage selbständig abgibt. Divergiren beide Vota,
so kommt ein Landtagsbeschluß über die fragliche Angelegenheit nicht zu
Stande.

Die Verhandlungen zwischen Landesherrschaft und Ständen werden durch
landesherrliche Comnnssarien geführt. Diese eröffnen zwar den Landtag in Per¬
son, bleiben auch beständig am Orte anwesend, sind aber nicht berechtigt, bei
den Verhandlungen des Landtags auch nur als Zeugen zugegen zu sein, ver¬
handeln daher mit dem Landtage nur schriftlich, sofern dieser es nicht in ein¬
zelnen Fällen angemessen findet, durch Deputirte mit den Commissarien in Ver¬
bindung zu treten.

Die Gegenstände der Landtagsverhandlungen bilden außer den landes¬
herrlichen Hauptpropositionen (oaxita) die Anträge, welche noch anderweitig von
den Landesherren an die Versammlung gebracht werden, die Anträge des
Landtagsdirectoriums, des engeren Ausschusses, sowie einzelner Stände¬
mitglieder, und die Petitionen von Privatpersonen, ferner Wahlen zu stän¬
dischen Aemtern, Rechnungsrevisionen u. f. w.

Außerhalb Landtags wird die Ritter- und Landschaft durch den schon er¬
wähnten „engeren Ausschuß" vertreten, ein „die gesammte Ritter- und Land¬
schaft vorstellendes Collegium", welches zu Rostock seinen Sitz hat, und aus
zwei Landräthen, drei ritterschaftlichen Deputirten, einem Deputirten der Stadt
Rostock und drei Deputirten der Vorderstädte besteht.

Vermöge der Verträge haben die Stände ein Recht der Steuerbewilligung,
sowohl was die Höhe als was den Modus der Steuer betrifft. Selbst für die
ein für allemal vertragsmäßig festgestellten Steuern ist die jährliche Wieder¬
holung der landesherrlichen Forderung und der ständischen Bewilligung als
Form beibehalten.

Was die Theilnahme der Stände an der Gesetzgebung anbetrifft, so wird
ein Unterschied gemacht zwischen solchen Verordnungen und Gesetzen, welche die
wohlerworbenen Rechte und Befugnisse der Ritter- und Landschaft oder des
einen dieser beiden Stände berühren, und solchen, welche „gleichgültig, jedoch
zur Wohlfahrt und zum Vortheil des ganzen Landes absichtlich und diensam


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[0336] lich. In jüngster Zeit hat der engere Ausschuß und ebenso das Landtags- directorium sich eine Ausschließung derjenigen Anträge, welche ihm dazu nicht geeignet erscheinen, von der Inklination und Verhandlung erlaubt. Die Be¬ rechtigung zu solcher Ausschließung wie zur Verschweigung und stillschweigenden Beiseitelegung oder Zurücksendung mißliebiger Eingänge, wovon gleichfalls Bei¬ spiele aus neuester Zeit vorliegen, hat das Landtagsdirectorium bisher nicht nachgewiesen. . Jedem der beiden Stände steht es frei, für sich zu deliberiren und zu be¬ schließen (illo in x-rrtss), in welchem Falle jeder Stand sein Votum über die zur Verhandlung stehende Frage selbständig abgibt. Divergiren beide Vota, so kommt ein Landtagsbeschluß über die fragliche Angelegenheit nicht zu Stande. Die Verhandlungen zwischen Landesherrschaft und Ständen werden durch landesherrliche Comnnssarien geführt. Diese eröffnen zwar den Landtag in Per¬ son, bleiben auch beständig am Orte anwesend, sind aber nicht berechtigt, bei den Verhandlungen des Landtags auch nur als Zeugen zugegen zu sein, ver¬ handeln daher mit dem Landtage nur schriftlich, sofern dieser es nicht in ein¬ zelnen Fällen angemessen findet, durch Deputirte mit den Commissarien in Ver¬ bindung zu treten. Die Gegenstände der Landtagsverhandlungen bilden außer den landes¬ herrlichen Hauptpropositionen (oaxita) die Anträge, welche noch anderweitig von den Landesherren an die Versammlung gebracht werden, die Anträge des Landtagsdirectoriums, des engeren Ausschusses, sowie einzelner Stände¬ mitglieder, und die Petitionen von Privatpersonen, ferner Wahlen zu stän¬ dischen Aemtern, Rechnungsrevisionen u. f. w. Außerhalb Landtags wird die Ritter- und Landschaft durch den schon er¬ wähnten „engeren Ausschuß" vertreten, ein „die gesammte Ritter- und Land¬ schaft vorstellendes Collegium", welches zu Rostock seinen Sitz hat, und aus zwei Landräthen, drei ritterschaftlichen Deputirten, einem Deputirten der Stadt Rostock und drei Deputirten der Vorderstädte besteht. Vermöge der Verträge haben die Stände ein Recht der Steuerbewilligung, sowohl was die Höhe als was den Modus der Steuer betrifft. Selbst für die ein für allemal vertragsmäßig festgestellten Steuern ist die jährliche Wieder¬ holung der landesherrlichen Forderung und der ständischen Bewilligung als Form beibehalten. Was die Theilnahme der Stände an der Gesetzgebung anbetrifft, so wird ein Unterschied gemacht zwischen solchen Verordnungen und Gesetzen, welche die wohlerworbenen Rechte und Befugnisse der Ritter- und Landschaft oder des einen dieser beiden Stände berühren, und solchen, welche „gleichgültig, jedoch zur Wohlfahrt und zum Vortheil des ganzen Landes absichtlich und diensam

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/336>, abgerufen am 20.10.2024.