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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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im Jahre 1850 ist es eingeführt worden, daß die Gelder aus einer gemein-
samen, unter Verwaltung der Landschaft stehenden Kasse entnommen werden,
weil man damals die sehr begründete Besorgniß hegte, daß die Bürger¬
ausschüsse mancher Städte ihrer Rechtsüberzeugung von der Ungültigkeit der
factisch zurückgeführten Verfassung durch Verweigerung der Landtagskosten für
ihren Repräsentanten Ausdruck geben würden.

Die Leitung der Landtagsgeschäfte führt ein aus acht Landräthen, drei Land-
marschällen und einem Bürgermeister der Stadt Rostock bestehendes Landtags-
directorium. Die Landräthe, deren Bestellung in der Weise geschieht, daß drei
in dem betreffenden Herzogthum "angesessene Personen vom eingeborenen oder
recipirten Adel" von den Ständen dem Landesherrn vorgeschlagen werden und
dieser einen davon erwählt, sind sowohl dem Landesherrn als den Ständen
verpflichtet. Sie führenUhr Amt lebenslänglich. Das Amt >r Landmarschälle,
welche die Sprecher der Ritter- und Landschaft sind, ist in drei adeligen Fami¬
lien (von Lützow, von Maltzan, von Hahn) erblich. Die Landräthe und Land-
marschälle erhalten während der Landtage Tagegelder aus landesherrlicher Kasse.

Dem Directorium gegenüber steht das Plenum der Ritter- und Landschaft.
DaS Plenum hat das Recht, in einem besonderen Local, wo es von dem
Directorium getrennt ist, zu "deliberiren" und zu stimmen, und versäumt da¬
her nicht, zu Anfang jedes Landtags durch einen Beschluß festzusetzen, daß es nur
eitiÄ voll86im"zlitig,ip im Directorialzimmer, anstatt im Deliberationszimmer
verhandeln wolle. Auch erwählt das Plenum aus seiner Mitte für die Land¬
tagsverhandlungen einen Protokolldirigentcn. Dieser läßt die Beschlüsse nieder¬
schreiben, welche jedoch so lange als bloße Entwürfe gelten, bis denselben zwei
Namen von der Ritterschaft und zwei von der Landschaft vorgesetzt sind, die zu
diesem Zweck vom dirigirenden Landrath aufgerufen werden. Wie weit das
Directorium berechtigt ist, einem Beschlusse des Plenum die Sanction- zu er¬
theilen oder zu versagen und welche rechtliche Bedeutung eine solche Versagung
hat, darüber ist wiederholt Streit gewesen, der bis dahin nicht zum Austrag
gekommen ist. Die wichtigeren Gegenstände werden durch Ausschüsse, "Com-
mitten" genannt und geschrieben, für die Verhandlung im Plenum vorbereitet.
Die Tagesordnung wird vom dirigirenden Landrath bestimmt, ohne daß die
Versammlung vorgängige Kunde davon empfängt, und es ist das Gewöhnliche,
daß sogar die Berichte der Ausschüsse unvermuthet verlesen werden und sofort
zur Verhandlung gelangen, auch wenn der Gegenstand noch so schwierig und
verwickelt ist. Jeder Landstand ist zur Stellung von Anträgen auch noch auf
dem Landtage selbst berechtigt, und nur für diejenigen Anträge, welche eine Ver¬
fassungsänderung oder eine Geldbewilligung bezielen. gilt eine vorgängige In-
klination durch den "ständischen engeren Ausschuß" bei dem vier Wochen vor
Beginn des Landtags zusammentretender "Ante-Comitial-Convent" für erforder-


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im Jahre 1850 ist es eingeführt worden, daß die Gelder aus einer gemein-
samen, unter Verwaltung der Landschaft stehenden Kasse entnommen werden,
weil man damals die sehr begründete Besorgniß hegte, daß die Bürger¬
ausschüsse mancher Städte ihrer Rechtsüberzeugung von der Ungültigkeit der
factisch zurückgeführten Verfassung durch Verweigerung der Landtagskosten für
ihren Repräsentanten Ausdruck geben würden.

Die Leitung der Landtagsgeschäfte führt ein aus acht Landräthen, drei Land-
marschällen und einem Bürgermeister der Stadt Rostock bestehendes Landtags-
directorium. Die Landräthe, deren Bestellung in der Weise geschieht, daß drei
in dem betreffenden Herzogthum „angesessene Personen vom eingeborenen oder
recipirten Adel" von den Ständen dem Landesherrn vorgeschlagen werden und
dieser einen davon erwählt, sind sowohl dem Landesherrn als den Ständen
verpflichtet. Sie führenUhr Amt lebenslänglich. Das Amt >r Landmarschälle,
welche die Sprecher der Ritter- und Landschaft sind, ist in drei adeligen Fami¬
lien (von Lützow, von Maltzan, von Hahn) erblich. Die Landräthe und Land-
marschälle erhalten während der Landtage Tagegelder aus landesherrlicher Kasse.

Dem Directorium gegenüber steht das Plenum der Ritter- und Landschaft.
DaS Plenum hat das Recht, in einem besonderen Local, wo es von dem
Directorium getrennt ist, zu „deliberiren" und zu stimmen, und versäumt da¬
her nicht, zu Anfang jedes Landtags durch einen Beschluß festzusetzen, daß es nur
eitiÄ voll86im«zlitig,ip im Directorialzimmer, anstatt im Deliberationszimmer
verhandeln wolle. Auch erwählt das Plenum aus seiner Mitte für die Land¬
tagsverhandlungen einen Protokolldirigentcn. Dieser läßt die Beschlüsse nieder¬
schreiben, welche jedoch so lange als bloße Entwürfe gelten, bis denselben zwei
Namen von der Ritterschaft und zwei von der Landschaft vorgesetzt sind, die zu
diesem Zweck vom dirigirenden Landrath aufgerufen werden. Wie weit das
Directorium berechtigt ist, einem Beschlusse des Plenum die Sanction- zu er¬
theilen oder zu versagen und welche rechtliche Bedeutung eine solche Versagung
hat, darüber ist wiederholt Streit gewesen, der bis dahin nicht zum Austrag
gekommen ist. Die wichtigeren Gegenstände werden durch Ausschüsse, „Com-
mitten" genannt und geschrieben, für die Verhandlung im Plenum vorbereitet.
Die Tagesordnung wird vom dirigirenden Landrath bestimmt, ohne daß die
Versammlung vorgängige Kunde davon empfängt, und es ist das Gewöhnliche,
daß sogar die Berichte der Ausschüsse unvermuthet verlesen werden und sofort
zur Verhandlung gelangen, auch wenn der Gegenstand noch so schwierig und
verwickelt ist. Jeder Landstand ist zur Stellung von Anträgen auch noch auf
dem Landtage selbst berechtigt, und nur für diejenigen Anträge, welche eine Ver¬
fassungsänderung oder eine Geldbewilligung bezielen. gilt eine vorgängige In-
klination durch den „ständischen engeren Ausschuß" bei dem vier Wochen vor
Beginn des Landtags zusammentretender „Ante-Comitial-Convent" für erforder-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/335>, abgerufen am 27.09.2024.