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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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dress solcher Unterstützungsgesuche sich jetzt zunächst mehr auf Deutschland zu
beschränken und Anträge, die auf das ferne Ausland hinweisen, vorläufig nicht,
"der doch nicht in dem Maße zu berücksichtigen gedenkt, wie man, die Verhält¬
nisse und die einzig richtigen Ziele mißkennend. von gewisser Seite verlangte
Schaffe man erst im eignen Hause, in der Heimath des Protestantismus, in
Deutschland und der Schweiz, dann in den unmittelbaren Grenzländern. wo
der deutsche Geist Eroberungen zu bewahren und zu erweitern hat, vor Allem
in Posen, was zu schaffen ist. ehe man seine Gedanken nach Amerika oder nach
den künstlichen Pflanzungen der levantinischen Gemeinden schweifen läßt. Für
die Missionsstation in Jerusalem mag die Romantik sorgen, die sie gegründet,
und der Johanniterorden. der dann wenigstens einen Schein der Rechtfertigung
für seine Fortexistenz haben wird. Amerika aber zählt wohlhabende deutsche
und freigebige nichtdeulsche Protestanten genug, um ohne Hülfe von diesseits
des Meeres helfen zu können, wo es den dortigen Evangelischen etwa fehlt.
Wahr, daß der Gustav-Adolph-Verein den ganzen großen Lebensbaum des
Protestantismus zu Pflegen, daß er nicht allein auf die Nation und das Land,
in welchem dieser wurzelt, zu sehen hat. Aber den Baum Pflegt der Gärtner
am besten durch Sorge für die Wurzeln, und ein schönes Wort war es, was
der Abgeordnete der Schweizer in Nürnberg sprach, wenn er sagte: "jede Ge¬
sittung der Menschheit ruht zum guten Theil auf dem Gedeihen Deutschlands."

Wir lassen nun aus den Vorträgen, welche in der Versammlung von ein¬
zelnen Deputirten gehalten wurden, einige Mittheilungen von allgemeinerem
Interesse folgen.

Pfarrer Hosemann aus Paris berichtete über die Lage der evangelisch¬
lutherischen Kirche in der Hauptstadt Frankreichs. Dieselbe zählt,
nach der Zahl der Taufen im Jahr 1861 zu schließen, ungefähr 30.000 See¬
len und hat 17 Geistliche, von denen 7 vom Staat oder der Stadt angestellt
sind, während die übrigen theils vom Consistorium, theils von der deutschen
Mission, mit Beihülfe des Gustav-Adolph-Vereins. besoldet werden. Der
Gottesdienst findet in et verschiedenen Kirchen. Kapellen und Betsälen statt;
in 11 derselben wird in deutscher Sprache gepredigt. Schulen hat man 28,
in welchen mehr als 2000 Kinder Unterricht empfangen, und von denen 6
ganz deutsch sind.

Die Pfarrer Grandpierre und Mayer gaben dazu noch andere Notizen.
Nach diesen gibt es gegenwärtig in Paris 23 protestantische Kirchen und Bet¬
häuser mit 48 Pastoren, während man vor vierzig Jahren von jenen nur 4.
von diesen nicht mehr als e hatte. Die Zahl der Protestanten in ganz
Frankreich beträgt circa anderthalb Millionen, für deren religiöses Bedürf¬
niß gegen tausend Prediger, etwa 600 reformirte. 300 lutherische und ungefähr
ivo Independenzprediger Sorge tragen. Kirchen und Kapellen haben die
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dress solcher Unterstützungsgesuche sich jetzt zunächst mehr auf Deutschland zu
beschränken und Anträge, die auf das ferne Ausland hinweisen, vorläufig nicht,
»der doch nicht in dem Maße zu berücksichtigen gedenkt, wie man, die Verhält¬
nisse und die einzig richtigen Ziele mißkennend. von gewisser Seite verlangte
Schaffe man erst im eignen Hause, in der Heimath des Protestantismus, in
Deutschland und der Schweiz, dann in den unmittelbaren Grenzländern. wo
der deutsche Geist Eroberungen zu bewahren und zu erweitern hat, vor Allem
in Posen, was zu schaffen ist. ehe man seine Gedanken nach Amerika oder nach
den künstlichen Pflanzungen der levantinischen Gemeinden schweifen läßt. Für
die Missionsstation in Jerusalem mag die Romantik sorgen, die sie gegründet,
und der Johanniterorden. der dann wenigstens einen Schein der Rechtfertigung
für seine Fortexistenz haben wird. Amerika aber zählt wohlhabende deutsche
und freigebige nichtdeulsche Protestanten genug, um ohne Hülfe von diesseits
des Meeres helfen zu können, wo es den dortigen Evangelischen etwa fehlt.
Wahr, daß der Gustav-Adolph-Verein den ganzen großen Lebensbaum des
Protestantismus zu Pflegen, daß er nicht allein auf die Nation und das Land,
in welchem dieser wurzelt, zu sehen hat. Aber den Baum Pflegt der Gärtner
am besten durch Sorge für die Wurzeln, und ein schönes Wort war es, was
der Abgeordnete der Schweizer in Nürnberg sprach, wenn er sagte: „jede Ge¬
sittung der Menschheit ruht zum guten Theil auf dem Gedeihen Deutschlands."

Wir lassen nun aus den Vorträgen, welche in der Versammlung von ein¬
zelnen Deputirten gehalten wurden, einige Mittheilungen von allgemeinerem
Interesse folgen.

Pfarrer Hosemann aus Paris berichtete über die Lage der evangelisch¬
lutherischen Kirche in der Hauptstadt Frankreichs. Dieselbe zählt,
nach der Zahl der Taufen im Jahr 1861 zu schließen, ungefähr 30.000 See¬
len und hat 17 Geistliche, von denen 7 vom Staat oder der Stadt angestellt
sind, während die übrigen theils vom Consistorium, theils von der deutschen
Mission, mit Beihülfe des Gustav-Adolph-Vereins. besoldet werden. Der
Gottesdienst findet in et verschiedenen Kirchen. Kapellen und Betsälen statt;
in 11 derselben wird in deutscher Sprache gepredigt. Schulen hat man 28,
in welchen mehr als 2000 Kinder Unterricht empfangen, und von denen 6
ganz deutsch sind.

Die Pfarrer Grandpierre und Mayer gaben dazu noch andere Notizen.
Nach diesen gibt es gegenwärtig in Paris 23 protestantische Kirchen und Bet¬
häuser mit 48 Pastoren, während man vor vierzig Jahren von jenen nur 4.
von diesen nicht mehr als e hatte. Die Zahl der Protestanten in ganz
Frankreich beträgt circa anderthalb Millionen, für deren religiöses Bedürf¬
niß gegen tausend Prediger, etwa 600 reformirte. 300 lutherische und ungefähr
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/315>, abgerufen am 27.09.2024.