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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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gewalt die cvllegiale Bundesexecutive, dem Parlament die Delegirtenversamm¬
lung, dem handelspolitischen Fortschritt die Fesselung des wirthschaftlichen Le¬
bens an Oestreich, dem Nationalverein der Neformverein. In Wahrheit ist
jede, dieser Positionen nur ein schlecht verhüllter Widerspruch.

Das Parlament und der Bundes.Staat innerhalb des weiteren Bundes wer¬
den bekämpft, weil sie nicht durchführbar seien, weil , sie am Widerstand der
Regierungen wie der süddeutschen Bevölkerungen scheitern würden. Als ob die
Delegirtenversammlung durchführbar wäre, als ob sie nicht bereits gescheitert
wäre an dem Widerspruch der größten rein deutschen Macht, als ob sie nicht
scheitern müßte an der Weigerung der nord--und mitteldeutschen Kammern.
Nur ein Weg wäre, die Delegirtenversammlung ins Leben zu rufen, ein ver-
hängnißvoller, wie er aus der Mitte der Frankfurter Versammlung selbst be¬
zeichnet worden ist, wenn nämlich die Würzburger Eabinete mit Oestreich ein¬
seitig mit ihrer Einsetzung vorgehen würden. Auch dieser Weg, der einer
sofortigen Sprengung des Bundesverbands gleichkäme, hat gleichwohl seine Ber¬
theidiger gefunden. Er würde zu einem Kleindeutschland sühren, mit welchem
die großdeutschen Bestrebungen in einer großartigen Selbstironie ihre Verwirk¬
lichung fänden.

Was an die Stelle einer einheitlichen Centralgewalt gesetzt wurde, ist schon
in seiner sinnreichen Zusammensetzung: "kräftige, concentrirte collegialische
Bunbesexecutive mit richtiger Ausmessung des Stimmenverhältnisses" nur ein
Complex innerer Widersprüche. Eine cvllegiale Bundesexecutive ist keine Bunbes¬
executive, denn sie trägt die Vielheit nur in die ausübende Behörde selbst, und
der Zusatz concentrirt bedeutet nur die Herausschraubung der Mittelstaaten zu
einer Bedeutung, welche die Zerspaltung des Vaterlands verewigen würde.
Und welches ist das Verhältniß dieser Bundesexecutive zu Oestreich, dem euro¬
päischen Großstaat? Ist nun endlich das große Wort zur Lösung der Schwierig¬
keit eines mit Oestreich zusammen zu construirenden Deutschlands ausgesprochen
worden? Gerade hierüber befleißigte sich die Versammlung des unverbrüchlichsten
Stillschweigens. Mit der einen Phrase, daß die Bundesreform keinen Theil
Deutschlands ausschließen dürfe, sind alle Fragen über das Verhältniß Deutsch¬
lands und Oestreichs niedergeschiviegen. Der Antrag von Michelis, die außer¬
deutschen Besitzungen dem Hause Habsburg zu garantiren, der einer Aufforde¬
rung an Großdeutschland gleichkam, Farbe zu bekennen, wird als nicht auf der
Tagesordnung stehend, trotz heftigen Widerspruchs des Antragstellers beseitigt,
die vorlaute Frage, wie ein einheitliches Oestreich an der Bundesreform sich
betheiligen könne wird mit der Ermahnung, doch ja nicht in die inneren Ver¬
hältnisse des Kaiserstaats sich zu mischen, zurückgewiesen, und selbst bei Hein¬
rich von Gagern mäßigte sich der stereotype Jubel, als er es wagte, die Oest¬
reicher an die Pflichten zu erinnern, die sie einer zu bildenden Centralgewalt


gewalt die cvllegiale Bundesexecutive, dem Parlament die Delegirtenversamm¬
lung, dem handelspolitischen Fortschritt die Fesselung des wirthschaftlichen Le¬
bens an Oestreich, dem Nationalverein der Neformverein. In Wahrheit ist
jede, dieser Positionen nur ein schlecht verhüllter Widerspruch.

Das Parlament und der Bundes.Staat innerhalb des weiteren Bundes wer¬
den bekämpft, weil sie nicht durchführbar seien, weil , sie am Widerstand der
Regierungen wie der süddeutschen Bevölkerungen scheitern würden. Als ob die
Delegirtenversammlung durchführbar wäre, als ob sie nicht bereits gescheitert
wäre an dem Widerspruch der größten rein deutschen Macht, als ob sie nicht
scheitern müßte an der Weigerung der nord--und mitteldeutschen Kammern.
Nur ein Weg wäre, die Delegirtenversammlung ins Leben zu rufen, ein ver-
hängnißvoller, wie er aus der Mitte der Frankfurter Versammlung selbst be¬
zeichnet worden ist, wenn nämlich die Würzburger Eabinete mit Oestreich ein¬
seitig mit ihrer Einsetzung vorgehen würden. Auch dieser Weg, der einer
sofortigen Sprengung des Bundesverbands gleichkäme, hat gleichwohl seine Ber¬
theidiger gefunden. Er würde zu einem Kleindeutschland sühren, mit welchem
die großdeutschen Bestrebungen in einer großartigen Selbstironie ihre Verwirk¬
lichung fänden.

Was an die Stelle einer einheitlichen Centralgewalt gesetzt wurde, ist schon
in seiner sinnreichen Zusammensetzung: „kräftige, concentrirte collegialische
Bunbesexecutive mit richtiger Ausmessung des Stimmenverhältnisses" nur ein
Complex innerer Widersprüche. Eine cvllegiale Bundesexecutive ist keine Bunbes¬
executive, denn sie trägt die Vielheit nur in die ausübende Behörde selbst, und
der Zusatz concentrirt bedeutet nur die Herausschraubung der Mittelstaaten zu
einer Bedeutung, welche die Zerspaltung des Vaterlands verewigen würde.
Und welches ist das Verhältniß dieser Bundesexecutive zu Oestreich, dem euro¬
päischen Großstaat? Ist nun endlich das große Wort zur Lösung der Schwierig¬
keit eines mit Oestreich zusammen zu construirenden Deutschlands ausgesprochen
worden? Gerade hierüber befleißigte sich die Versammlung des unverbrüchlichsten
Stillschweigens. Mit der einen Phrase, daß die Bundesreform keinen Theil
Deutschlands ausschließen dürfe, sind alle Fragen über das Verhältniß Deutsch¬
lands und Oestreichs niedergeschiviegen. Der Antrag von Michelis, die außer¬
deutschen Besitzungen dem Hause Habsburg zu garantiren, der einer Aufforde¬
rung an Großdeutschland gleichkam, Farbe zu bekennen, wird als nicht auf der
Tagesordnung stehend, trotz heftigen Widerspruchs des Antragstellers beseitigt,
die vorlaute Frage, wie ein einheitliches Oestreich an der Bundesreform sich
betheiligen könne wird mit der Ermahnung, doch ja nicht in die inneren Ver¬
hältnisse des Kaiserstaats sich zu mischen, zurückgewiesen, und selbst bei Hein¬
rich von Gagern mäßigte sich der stereotype Jubel, als er es wagte, die Oest¬
reicher an die Pflichten zu erinnern, die sie einer zu bildenden Centralgewalt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/310>, abgerufen am 27.09.2024.