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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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zehnten Jahrhundert. Der Adel beschuldigte die Städte, daß sie in einem
Walde bei Dönitz eine Zusammenkunft gehalten und sich daselbst verbunden hät¬
ten, "den gemeinen Adel dieser Lande zu vertilgen". In den Beschwerden, welche
die Landstädte im Jahre 1536 den Fürsten überreichten, finden sich nachstehende
Klagepunkte gegen den Adel: Einige von Adel erheben von jedem Rind, wel¬
ches ihre Bauern an den Bürger verkaufen, eine Abgabe von einem halben
Gulden, zwingen auch ihre Bauern, ihr Vieh nur an solche Personen zu ver¬
kaufen, denen sie es gönnen. Einige von Adel kaufen von ihren Bauern und
Anderen, wenn Mast vorhanden, eine große Anzahl Schweine, machen sie fett
und treiben sie zum Theil selbst in fremde Lande auf Jahrmärkte. "Etliche
Edelleute legen Geld zusammen, kaufen Ochsen, treiben sie zum Theil in eigner
Person (das doch in keinem Lande vom Adel je vernommen, auch wider Gott
und alle geschriebene Rechte ist) in fremde Lande auf Jahrmärkte." Die Kla¬
gen der Uebervortheilung bei den Kontributionen, der widergesetzlichen Verpflan¬
zung bürgerlicher Nahrung auf das Land u. f. w. ziehen sich unablässig durch
die folgenden Jahrhunderte hindurch, und die ständischen Verhandlungen bieten
auch nach dieser Richtung hin nichts als das Bild endlosen Haders dar. Noch
in einem an den Landesherrn gerichteten Actenstück vom 1. October 1808 be¬
kunden die Städte die tief eingewurzelte Uneinigkeit zwischen ihnen und der
Ritterschaft durch folgenden Ausspruch: "Bekannt ist es leider genug und selbst
die Vorgänge dieser Tage beweisen es. daß Eintracht zwischen beiden Ständen
und gemeinsames Wirken beider zu Einem großen Zweck bisher blos zu den
wünschenswerthen Dingen gehörten." Von einer Sorge um das Aufblühen
der Städte findet sich zu keiner Zeit bei dem Adel eine Spur. Wohl aber
suchte derselbe, je mehr er selbst industriellen Speculationen sich zuwandte, sich
allerlei künstliche Vortheile für seine Industrie aus Kosten des Ganzen, zu
verschaffen. So legte im Jahre 1786 der Erblandmarschall von Hahn auf
Remplin. nachdem er eine Fabrik von weißem Glase eingerichtet hatte, einen
Plan vor, diesem Betrieb durch einen Eingangszoll auf fremde Glaswaaren
aufzuhelfen, und im Jahre 178? beantragte der Neichssreiherr von Maltzan
auf Penzlin, welcher eine Wachsbleiche und Wachskerzensabrik angelegt hatte,
daß zum Schutze dieses Etablissements die Ausfuhr des rohen Wachses durch
einen Ausfuhrzoll von 4 Schill. pro Pfund erschwert und ihm dadurch der
Einkauf des Rohmaterials erleichert werden möchte. Seinen Verkehr mit den
Städten benutzte der Adel daneben, um einen Einfluß auf die politische Hal¬
tung der Bürger zu gewinnen. Als zu Anfang der letzten vierziger Jahre die
Bürger der Stadt Hagenow ihre Mißstimmung über die Adelsherrschaft ziem¬
lich deutlich an den Tag gelegt hatten, bildete sich unter dem benachbarten Adel
ein förmliches Bündniß, um durch Entziehung des Verkehrs die Stadt für
ihre freisinnigen Kundgebungen zu strafen.


zehnten Jahrhundert. Der Adel beschuldigte die Städte, daß sie in einem
Walde bei Dönitz eine Zusammenkunft gehalten und sich daselbst verbunden hät¬
ten, „den gemeinen Adel dieser Lande zu vertilgen". In den Beschwerden, welche
die Landstädte im Jahre 1536 den Fürsten überreichten, finden sich nachstehende
Klagepunkte gegen den Adel: Einige von Adel erheben von jedem Rind, wel¬
ches ihre Bauern an den Bürger verkaufen, eine Abgabe von einem halben
Gulden, zwingen auch ihre Bauern, ihr Vieh nur an solche Personen zu ver¬
kaufen, denen sie es gönnen. Einige von Adel kaufen von ihren Bauern und
Anderen, wenn Mast vorhanden, eine große Anzahl Schweine, machen sie fett
und treiben sie zum Theil selbst in fremde Lande auf Jahrmärkte. „Etliche
Edelleute legen Geld zusammen, kaufen Ochsen, treiben sie zum Theil in eigner
Person (das doch in keinem Lande vom Adel je vernommen, auch wider Gott
und alle geschriebene Rechte ist) in fremde Lande auf Jahrmärkte." Die Kla¬
gen der Uebervortheilung bei den Kontributionen, der widergesetzlichen Verpflan¬
zung bürgerlicher Nahrung auf das Land u. f. w. ziehen sich unablässig durch
die folgenden Jahrhunderte hindurch, und die ständischen Verhandlungen bieten
auch nach dieser Richtung hin nichts als das Bild endlosen Haders dar. Noch
in einem an den Landesherrn gerichteten Actenstück vom 1. October 1808 be¬
kunden die Städte die tief eingewurzelte Uneinigkeit zwischen ihnen und der
Ritterschaft durch folgenden Ausspruch: „Bekannt ist es leider genug und selbst
die Vorgänge dieser Tage beweisen es. daß Eintracht zwischen beiden Ständen
und gemeinsames Wirken beider zu Einem großen Zweck bisher blos zu den
wünschenswerthen Dingen gehörten." Von einer Sorge um das Aufblühen
der Städte findet sich zu keiner Zeit bei dem Adel eine Spur. Wohl aber
suchte derselbe, je mehr er selbst industriellen Speculationen sich zuwandte, sich
allerlei künstliche Vortheile für seine Industrie aus Kosten des Ganzen, zu
verschaffen. So legte im Jahre 1786 der Erblandmarschall von Hahn auf
Remplin. nachdem er eine Fabrik von weißem Glase eingerichtet hatte, einen
Plan vor, diesem Betrieb durch einen Eingangszoll auf fremde Glaswaaren
aufzuhelfen, und im Jahre 178? beantragte der Neichssreiherr von Maltzan
auf Penzlin, welcher eine Wachsbleiche und Wachskerzensabrik angelegt hatte,
daß zum Schutze dieses Etablissements die Ausfuhr des rohen Wachses durch
einen Ausfuhrzoll von 4 Schill. pro Pfund erschwert und ihm dadurch der
Einkauf des Rohmaterials erleichert werden möchte. Seinen Verkehr mit den
Städten benutzte der Adel daneben, um einen Einfluß auf die politische Hal¬
tung der Bürger zu gewinnen. Als zu Anfang der letzten vierziger Jahre die
Bürger der Stadt Hagenow ihre Mißstimmung über die Adelsherrschaft ziem¬
lich deutlich an den Tag gelegt hatten, bildete sich unter dem benachbarten Adel
ein förmliches Bündniß, um durch Entziehung des Verkehrs die Stadt für
ihre freisinnigen Kundgebungen zu strafen.


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[0304] zehnten Jahrhundert. Der Adel beschuldigte die Städte, daß sie in einem Walde bei Dönitz eine Zusammenkunft gehalten und sich daselbst verbunden hät¬ ten, „den gemeinen Adel dieser Lande zu vertilgen". In den Beschwerden, welche die Landstädte im Jahre 1536 den Fürsten überreichten, finden sich nachstehende Klagepunkte gegen den Adel: Einige von Adel erheben von jedem Rind, wel¬ ches ihre Bauern an den Bürger verkaufen, eine Abgabe von einem halben Gulden, zwingen auch ihre Bauern, ihr Vieh nur an solche Personen zu ver¬ kaufen, denen sie es gönnen. Einige von Adel kaufen von ihren Bauern und Anderen, wenn Mast vorhanden, eine große Anzahl Schweine, machen sie fett und treiben sie zum Theil selbst in fremde Lande auf Jahrmärkte. „Etliche Edelleute legen Geld zusammen, kaufen Ochsen, treiben sie zum Theil in eigner Person (das doch in keinem Lande vom Adel je vernommen, auch wider Gott und alle geschriebene Rechte ist) in fremde Lande auf Jahrmärkte." Die Kla¬ gen der Uebervortheilung bei den Kontributionen, der widergesetzlichen Verpflan¬ zung bürgerlicher Nahrung auf das Land u. f. w. ziehen sich unablässig durch die folgenden Jahrhunderte hindurch, und die ständischen Verhandlungen bieten auch nach dieser Richtung hin nichts als das Bild endlosen Haders dar. Noch in einem an den Landesherrn gerichteten Actenstück vom 1. October 1808 be¬ kunden die Städte die tief eingewurzelte Uneinigkeit zwischen ihnen und der Ritterschaft durch folgenden Ausspruch: „Bekannt ist es leider genug und selbst die Vorgänge dieser Tage beweisen es. daß Eintracht zwischen beiden Ständen und gemeinsames Wirken beider zu Einem großen Zweck bisher blos zu den wünschenswerthen Dingen gehörten." Von einer Sorge um das Aufblühen der Städte findet sich zu keiner Zeit bei dem Adel eine Spur. Wohl aber suchte derselbe, je mehr er selbst industriellen Speculationen sich zuwandte, sich allerlei künstliche Vortheile für seine Industrie aus Kosten des Ganzen, zu verschaffen. So legte im Jahre 1786 der Erblandmarschall von Hahn auf Remplin. nachdem er eine Fabrik von weißem Glase eingerichtet hatte, einen Plan vor, diesem Betrieb durch einen Eingangszoll auf fremde Glaswaaren aufzuhelfen, und im Jahre 178? beantragte der Neichssreiherr von Maltzan auf Penzlin, welcher eine Wachsbleiche und Wachskerzensabrik angelegt hatte, daß zum Schutze dieses Etablissements die Ausfuhr des rohen Wachses durch einen Ausfuhrzoll von 4 Schill. pro Pfund erschwert und ihm dadurch der Einkauf des Rohmaterials erleichert werden möchte. Seinen Verkehr mit den Städten benutzte der Adel daneben, um einen Einfluß auf die politische Hal¬ tung der Bürger zu gewinnen. Als zu Anfang der letzten vierziger Jahre die Bürger der Stadt Hagenow ihre Mißstimmung über die Adelsherrschaft ziem¬ lich deutlich an den Tag gelegt hatten, bildete sich unter dem benachbarten Adel ein förmliches Bündniß, um durch Entziehung des Verkehrs die Stadt für ihre freisinnigen Kundgebungen zu strafen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/304>, abgerufen am 27.09.2024.