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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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wig und Rendsburg schon ganz verloren schien. Ich schickte nun zunächst, was
ich noch an Truppen disponibel hatte, zwei Bataillone der ersten Brigade und die
Reservecavallerie, der feindlichen Umgehung entgegen, um diese aufzuhalten, gab
den Befehl, die Stellung langsam und in möglichster Haltung zu räumen, und
eilte selbst den Truppen nach, welche der feindlichen Umgehung begegnen sollten,
weil mir es für den Augenblick das Wichtigste schien, mich von dem Stande
der Dinge dort durch eigne Anschauung zu überzeugen.

Hier nun tritt wieder ein Moment der Entscheidung ein, wie ihn nur die
wunderlichste Laune des Geschicks herbeiführen konnte. Als die Wendung der
Dinge in der Hauptstellung durch meine verschiedenen Angriffe dem Feinde
bedenklich wurde, schickte er eiligst wiederholte Befehle ab, welche seinen rechten
Flügel zurückrufen sollten, er hätte viel darum gegeben, ihn gleich zurück zu
haben. Der Offizier aber, welcher den Befehl überbringen sollte, erreichte seine
Truppen so spät, daß diese ihre Bewegung, wie sie befohlen war, bis Schuby
fortsetzen konnten, also etwa eine halbe Stunde später als mir ihre Ankunft
bei Schuby gemeldet wurde, und gewiß mehr als eine Stunde später als der
Feind es gewünscht und erwartet hatte. Hätte nun dieser Befehl die feindlichen
Truppen so früh erreicht, als es ihr Anführer sehnlich wünschte, so wären sie
so früh umgekehrt, daß das Gefecht in - meinem Rücken gar nicht stattgefunden
hätte, ich hätte also auch von der Seite her wenigstens keine Veranlassung ge¬
sunden, die Schlacht aufzugeben und hätte wohl an dem Tage wenigstens meine
Stellung behauptet, da der Feind es schwerlich auch nur versucht hätte, sie von
vorn zu forciren, und vielleicht hätte dann das Behaupten derselben meine
Truppen wieder so gehoben, daß ich auch einen zweiten Angriff darin abge¬
wartet hätte. Sobald ich nun gewahr wurde, daß die feindliche Umgehung
den Rückweg antrat, was ich freilich nur für die Folge meiner Bewegung
gegen sie nehmen konnte, eilte ich in die Stellung zurück, um zu sehen, was
da unterdessen geschehen war, und ob es vielleicht noch möglich sei, wenigstens
die zweite Stellung hinter den Seen zu halten. Der Rückzug war aber wäh¬
rend meiner Abwesenheit so schnell erfolgt, und ich fand besonders die Infanterie
in einem Zustande, daß mir alle Hoffnung eines ferneren Widerstandes ver¬
ging und ich mich damit begnügen mußte, durch meine persönliche Einwirkung
einen möglichst geordneten Rückzug zu bewerkstelligen. Ich setzte denselben mit
einigen Resten der Avantgarde und einiger Artillerie nach Schleswig fort, wäh¬
rend das Gros, wie es befohlen war, nach Missunde ging und der Theil, welchen
ich der feindlichen Umgehung entgegengeworfen hatte, über Schuby in der
Richtung nach Rendsburg abzog.

Es waren schwere Stunden und Tage, die nun folgten. Die härteste
Prüfung, welcher Charakter, Besonnenheit, Muth und Einsicht eines Generals
unterworfen werden kann, ist die nächste Zeit nach einer Verlornen Schlacht,


Grenzboten IV. 1S62. 3^

wig und Rendsburg schon ganz verloren schien. Ich schickte nun zunächst, was
ich noch an Truppen disponibel hatte, zwei Bataillone der ersten Brigade und die
Reservecavallerie, der feindlichen Umgehung entgegen, um diese aufzuhalten, gab
den Befehl, die Stellung langsam und in möglichster Haltung zu räumen, und
eilte selbst den Truppen nach, welche der feindlichen Umgehung begegnen sollten,
weil mir es für den Augenblick das Wichtigste schien, mich von dem Stande
der Dinge dort durch eigne Anschauung zu überzeugen.

Hier nun tritt wieder ein Moment der Entscheidung ein, wie ihn nur die
wunderlichste Laune des Geschicks herbeiführen konnte. Als die Wendung der
Dinge in der Hauptstellung durch meine verschiedenen Angriffe dem Feinde
bedenklich wurde, schickte er eiligst wiederholte Befehle ab, welche seinen rechten
Flügel zurückrufen sollten, er hätte viel darum gegeben, ihn gleich zurück zu
haben. Der Offizier aber, welcher den Befehl überbringen sollte, erreichte seine
Truppen so spät, daß diese ihre Bewegung, wie sie befohlen war, bis Schuby
fortsetzen konnten, also etwa eine halbe Stunde später als mir ihre Ankunft
bei Schuby gemeldet wurde, und gewiß mehr als eine Stunde später als der
Feind es gewünscht und erwartet hatte. Hätte nun dieser Befehl die feindlichen
Truppen so früh erreicht, als es ihr Anführer sehnlich wünschte, so wären sie
so früh umgekehrt, daß das Gefecht in - meinem Rücken gar nicht stattgefunden
hätte, ich hätte also auch von der Seite her wenigstens keine Veranlassung ge¬
sunden, die Schlacht aufzugeben und hätte wohl an dem Tage wenigstens meine
Stellung behauptet, da der Feind es schwerlich auch nur versucht hätte, sie von
vorn zu forciren, und vielleicht hätte dann das Behaupten derselben meine
Truppen wieder so gehoben, daß ich auch einen zweiten Angriff darin abge¬
wartet hätte. Sobald ich nun gewahr wurde, daß die feindliche Umgehung
den Rückweg antrat, was ich freilich nur für die Folge meiner Bewegung
gegen sie nehmen konnte, eilte ich in die Stellung zurück, um zu sehen, was
da unterdessen geschehen war, und ob es vielleicht noch möglich sei, wenigstens
die zweite Stellung hinter den Seen zu halten. Der Rückzug war aber wäh¬
rend meiner Abwesenheit so schnell erfolgt, und ich fand besonders die Infanterie
in einem Zustande, daß mir alle Hoffnung eines ferneren Widerstandes ver¬
ging und ich mich damit begnügen mußte, durch meine persönliche Einwirkung
einen möglichst geordneten Rückzug zu bewerkstelligen. Ich setzte denselben mit
einigen Resten der Avantgarde und einiger Artillerie nach Schleswig fort, wäh¬
rend das Gros, wie es befohlen war, nach Missunde ging und der Theil, welchen
ich der feindlichen Umgehung entgegengeworfen hatte, über Schuby in der
Richtung nach Rendsburg abzog.

Es waren schwere Stunden und Tage, die nun folgten. Die härteste
Prüfung, welcher Charakter, Besonnenheit, Muth und Einsicht eines Generals
unterworfen werden kann, ist die nächste Zeit nach einer Verlornen Schlacht,


Grenzboten IV. 1S62. 3^
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/265>, abgerufen am 21.10.2024.