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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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verdiente, daß es der Regierung zur Disposition stand, Depeschen und Truppen¬
transporte vermittelte :c.*)

Das Wetter klärte sich wieder auf, als wir die Rhede von Port-Royal ver¬
ließen, und die scheidende Sonne warf ihre glühenden Strahlen, nur noch hier
und da von schwarzen Wolkenmassen verdunkelt, auf die Ufer des Broadriver,
welche, je weiter wir uns vom Schauplatze des Soldatenlebens und der Kriegs-
einrichtungcn entfernten, einen mehr landschaftlichen Charakter annahmen. Hier
und da erhob sich eine verlassene Pflanzerwohnung mit ihren Sklavenquartieren;
die schwarzen Breterhütten der "Haushände" (Irouse-iriuräs), hinter der Herren¬
wohnung, um dem Rufe der Glocke sogleich folgen zu tonnen, die der Feid-
hände (UM-Klaas) in weiterer Entfernung auf den umliegenden Aeckern zer¬
streut; dazwischen lagen die vernachlässigten Baumwollenfelder, deren Ernte
dies Mai ungepflückt verwitterte.

Man muß sich unter diesen Pflanzerwohnungen nicht etwa Paläste oder
Villen vorstellen, wie sie im Norden zu finden sind, wie sie bei uns in der
Umgebung großer Städte oder auf reichen Gütern gebaut werden. Es sind
meist höchst unansehnliche, schlechtgebaute Häuser; die Thüren..schließen nicht,
die Fenster klappern, selbst das Meublement ist meist kahl; kurz, das Wort Comfort
ist dem Süden in der Mehrzahl seiner Landbewohner fast ganz fremd. Der Pflan¬
zer hat kein Interesse, keine Liebe zu seinem Boden. Er sucht ihn nicht zu verbessern,
um ihn in mehrfacher Beziehung nutzbar und seine eigne Lage unmittelbar
behaglicher zu machen und zu verfeinern. Er saugt ihn aus, um die Mittel zu
erschwingen, welche er dem nördlichen Kaufmann für die Befriedigung seiner
Bedürfnisse und seiner despotischen Extravaganzen überliefern muß, und illustrirt
in krassester Weise das Wort des Franzosen: "^.xrös nous I<z äölugs".

Der Broadriver schlängelt sich in lieblichen Windungen zwischen reich-
bewachsenen Ufern ungefähr 20 Meilen ins Land hinein, und nach einigen
Stunden, während welcher nach kurzer Dämmerung eine sternhelle Nacht herauf¬
gezogen war, warfen wir vor der Stadt Beaufort Anker. Wir zogen es
natürlich vor, bis zum andern Morgen an Bord zu bleiben, da wir in den
Lagern durchaus nicht Bescheid wußten und auf eine noch üblere Versorgung
als auf Hilton-Head gefaßt sein mußten. -- Unter der Mannschaft der Dela-
ware befanden sich wieder eine Menge "Contrebands", und ich folgte nach dem
Abendessen, als sie Alle im Vorderraum des Schiffes versammelt waren, wieder



") Auf diesem Wege hat der KriegSctat des Nordens höchst verschwenderischer Weise eine
nicht unbedeutende Steigerung erlitten. Jeder einflußreiche Mann in Washington sorgte dafür,
seinen Freunden um den "Regierungs-Job's" Antheil zu verschaffen, und Millionen sind vergeudet,
um einzelnen Schiffsbesitzern solche "Charters" zu verschaffen. Schiffe, die täglich von lillO--1500
Dollars kosteten, lagen wochenlang unthätig und verrichteten gemeiniglich Dienste, welche von
den kleinsten Fahrzeugen mit demselben Erfolge hätten wahrgenommen werden können.

verdiente, daß es der Regierung zur Disposition stand, Depeschen und Truppen¬
transporte vermittelte :c.*)

Das Wetter klärte sich wieder auf, als wir die Rhede von Port-Royal ver¬
ließen, und die scheidende Sonne warf ihre glühenden Strahlen, nur noch hier
und da von schwarzen Wolkenmassen verdunkelt, auf die Ufer des Broadriver,
welche, je weiter wir uns vom Schauplatze des Soldatenlebens und der Kriegs-
einrichtungcn entfernten, einen mehr landschaftlichen Charakter annahmen. Hier
und da erhob sich eine verlassene Pflanzerwohnung mit ihren Sklavenquartieren;
die schwarzen Breterhütten der „Haushände" (Irouse-iriuräs), hinter der Herren¬
wohnung, um dem Rufe der Glocke sogleich folgen zu tonnen, die der Feid-
hände (UM-Klaas) in weiterer Entfernung auf den umliegenden Aeckern zer¬
streut; dazwischen lagen die vernachlässigten Baumwollenfelder, deren Ernte
dies Mai ungepflückt verwitterte.

Man muß sich unter diesen Pflanzerwohnungen nicht etwa Paläste oder
Villen vorstellen, wie sie im Norden zu finden sind, wie sie bei uns in der
Umgebung großer Städte oder auf reichen Gütern gebaut werden. Es sind
meist höchst unansehnliche, schlechtgebaute Häuser; die Thüren..schließen nicht,
die Fenster klappern, selbst das Meublement ist meist kahl; kurz, das Wort Comfort
ist dem Süden in der Mehrzahl seiner Landbewohner fast ganz fremd. Der Pflan¬
zer hat kein Interesse, keine Liebe zu seinem Boden. Er sucht ihn nicht zu verbessern,
um ihn in mehrfacher Beziehung nutzbar und seine eigne Lage unmittelbar
behaglicher zu machen und zu verfeinern. Er saugt ihn aus, um die Mittel zu
erschwingen, welche er dem nördlichen Kaufmann für die Befriedigung seiner
Bedürfnisse und seiner despotischen Extravaganzen überliefern muß, und illustrirt
in krassester Weise das Wort des Franzosen: „^.xrös nous I<z äölugs".

Der Broadriver schlängelt sich in lieblichen Windungen zwischen reich-
bewachsenen Ufern ungefähr 20 Meilen ins Land hinein, und nach einigen
Stunden, während welcher nach kurzer Dämmerung eine sternhelle Nacht herauf¬
gezogen war, warfen wir vor der Stadt Beaufort Anker. Wir zogen es
natürlich vor, bis zum andern Morgen an Bord zu bleiben, da wir in den
Lagern durchaus nicht Bescheid wußten und auf eine noch üblere Versorgung
als auf Hilton-Head gefaßt sein mußten. — Unter der Mannschaft der Dela-
ware befanden sich wieder eine Menge „Contrebands", und ich folgte nach dem
Abendessen, als sie Alle im Vorderraum des Schiffes versammelt waren, wieder



") Auf diesem Wege hat der KriegSctat des Nordens höchst verschwenderischer Weise eine
nicht unbedeutende Steigerung erlitten. Jeder einflußreiche Mann in Washington sorgte dafür,
seinen Freunden um den „Regierungs-Job's" Antheil zu verschaffen, und Millionen sind vergeudet,
um einzelnen Schiffsbesitzern solche „Charters" zu verschaffen. Schiffe, die täglich von lillO—1500
Dollars kosteten, lagen wochenlang unthätig und verrichteten gemeiniglich Dienste, welche von
den kleinsten Fahrzeugen mit demselben Erfolge hätten wahrgenommen werden können.
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[0223] verdiente, daß es der Regierung zur Disposition stand, Depeschen und Truppen¬ transporte vermittelte :c.*) Das Wetter klärte sich wieder auf, als wir die Rhede von Port-Royal ver¬ ließen, und die scheidende Sonne warf ihre glühenden Strahlen, nur noch hier und da von schwarzen Wolkenmassen verdunkelt, auf die Ufer des Broadriver, welche, je weiter wir uns vom Schauplatze des Soldatenlebens und der Kriegs- einrichtungcn entfernten, einen mehr landschaftlichen Charakter annahmen. Hier und da erhob sich eine verlassene Pflanzerwohnung mit ihren Sklavenquartieren; die schwarzen Breterhütten der „Haushände" (Irouse-iriuräs), hinter der Herren¬ wohnung, um dem Rufe der Glocke sogleich folgen zu tonnen, die der Feid- hände (UM-Klaas) in weiterer Entfernung auf den umliegenden Aeckern zer¬ streut; dazwischen lagen die vernachlässigten Baumwollenfelder, deren Ernte dies Mai ungepflückt verwitterte. Man muß sich unter diesen Pflanzerwohnungen nicht etwa Paläste oder Villen vorstellen, wie sie im Norden zu finden sind, wie sie bei uns in der Umgebung großer Städte oder auf reichen Gütern gebaut werden. Es sind meist höchst unansehnliche, schlechtgebaute Häuser; die Thüren..schließen nicht, die Fenster klappern, selbst das Meublement ist meist kahl; kurz, das Wort Comfort ist dem Süden in der Mehrzahl seiner Landbewohner fast ganz fremd. Der Pflan¬ zer hat kein Interesse, keine Liebe zu seinem Boden. Er sucht ihn nicht zu verbessern, um ihn in mehrfacher Beziehung nutzbar und seine eigne Lage unmittelbar behaglicher zu machen und zu verfeinern. Er saugt ihn aus, um die Mittel zu erschwingen, welche er dem nördlichen Kaufmann für die Befriedigung seiner Bedürfnisse und seiner despotischen Extravaganzen überliefern muß, und illustrirt in krassester Weise das Wort des Franzosen: „^.xrös nous I<z äölugs". Der Broadriver schlängelt sich in lieblichen Windungen zwischen reich- bewachsenen Ufern ungefähr 20 Meilen ins Land hinein, und nach einigen Stunden, während welcher nach kurzer Dämmerung eine sternhelle Nacht herauf¬ gezogen war, warfen wir vor der Stadt Beaufort Anker. Wir zogen es natürlich vor, bis zum andern Morgen an Bord zu bleiben, da wir in den Lagern durchaus nicht Bescheid wußten und auf eine noch üblere Versorgung als auf Hilton-Head gefaßt sein mußten. — Unter der Mannschaft der Dela- ware befanden sich wieder eine Menge „Contrebands", und ich folgte nach dem Abendessen, als sie Alle im Vorderraum des Schiffes versammelt waren, wieder ") Auf diesem Wege hat der KriegSctat des Nordens höchst verschwenderischer Weise eine nicht unbedeutende Steigerung erlitten. Jeder einflußreiche Mann in Washington sorgte dafür, seinen Freunden um den „Regierungs-Job's" Antheil zu verschaffen, und Millionen sind vergeudet, um einzelnen Schiffsbesitzern solche „Charters" zu verschaffen. Schiffe, die täglich von lillO—1500 Dollars kosteten, lagen wochenlang unthätig und verrichteten gemeiniglich Dienste, welche von den kleinsten Fahrzeugen mit demselben Erfolge hätten wahrgenommen werden können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/223>, abgerufen am 27.09.2024.