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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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bei seinen Vorgesetzten, worauf er behauptete, daß er seine Functionen kenne
und uns arretiren werde, wenn wir ihn ferner in seinen "Amtshandlungen"
beeinträchtigten. Er ging wieder auf sein Opfer los, welches die Scene wäh¬
rend der ganzen Zeit regungslos und lautlos beobachtete, wurde aber dies Mal
noch unsanfter von den anwesenden Soldaten abgehalten, welche im breitesten
Jllinois-Nasentoy'erklärten, daß es ihnen" nicht einfallen sollte, weiter für die
Union zu kämpfen, wenn Onkel Sam seine schwarzen Kinder so schlecht be¬
handeln ließe.

Der beleidigte Functionär entfernte sich wüthend und kam bald darauf
mit drei Mann Wache wieder, um uns als Rädelsführer der aufrührerischen
Partei festzunehmen. Wir hätten ihm für den Augenblick allerdings folgen
müssen, hätten wir nickt einen Talisman besessen, dessen Vorzeigung ihn be->
wog. andere Segel aufzuziehn und nun seinerseits sich zu entschuldigen. Er
sagte, daß er ein guter Christ und von Natur ein sehr weichherziger Mensch
sei, nur der Zorn übermanne ihn mitunter, und dann wisse er sich nicht mehr
zu helfen. Mit den Niggern sei auch gar so schlecht nicht auskommen, wenn
sie nicht von den Lehrern, welche sie zur Faulheit und zur Widersetzlichkeit an¬
hielten, verdorben würden. In den Schulen würden sie, unter der Prätenz gei¬
stiger und religiöser Ausbildung von der Arbeit abgehalten, und nachher sei
selbst mit der schärfsten Zucht nichts mit ihnen anzufangen.

Dieser Einwand hatte allerdings mehr oder minder seine Berechtigung; er
würde jedoch unsre Empörung über die unverzeihliche Brutalität nicht gedämpft
haben, wenn uns der Diener der Gerechtigkeit nicht bei der größten aller mensch¬
lichen Schwächen, dem Egoismus gepackt hätte. Er wußte, daß wir an Bord
der Delaware wollten, und kannte ebenfalls die Schwierigkeit, dahin zu gelangen.
Am Ende des Docks lag ein nettes Boot mit einem Neger, der auf Ordre zu
warten schien. Mit einer Siegesgewißheit, welche eine nicht unbedeutende
Menschenkenntniß voraussetzen ließ, lud er uns ein, von diesem Fahrzeug Ge¬
brauch zu machen, indem er nochmals versicherte, daß er seinen Zorn in Zu¬
kunft in angemesseneren Schranken halten wollte. Auf Hilton-Head erwartete
uns Hunger, Nässe und voraussichtlich ein sehr schlechtes Nachtlager; auf dem
Dampfschiff, das jeden Augenblick abfahren konnte, Wärme, Comfort und ein
gutes Abendessen; zudem war der Zeitverlust, welchen wir durch unser Zurück¬
bleiben erleiden konnten, bei der Unregelmäßigkeit der Communication kaum zu
veranschlagen und -- wir thaten, was Wohl jeder gethan haben würde, der so
stand, wie wir standen, wir fanden uns mit unserm Gerechtigkeitsgefühl ab
und ließen uns von dem Neger in das Boot tragen, das uns in wenigen
Minuten an Bord des Dampfers brachte. Die Delaware war ein schönes
Schiff, welches früher zwischen Camden-Amboy, der Eisenbahnstation von Phi¬
ladelphia und New-York gefahren war, jetzt aber 1000 Dollars täglich dadurch


bei seinen Vorgesetzten, worauf er behauptete, daß er seine Functionen kenne
und uns arretiren werde, wenn wir ihn ferner in seinen „Amtshandlungen"
beeinträchtigten. Er ging wieder auf sein Opfer los, welches die Scene wäh¬
rend der ganzen Zeit regungslos und lautlos beobachtete, wurde aber dies Mal
noch unsanfter von den anwesenden Soldaten abgehalten, welche im breitesten
Jllinois-Nasentoy'erklärten, daß es ihnen" nicht einfallen sollte, weiter für die
Union zu kämpfen, wenn Onkel Sam seine schwarzen Kinder so schlecht be¬
handeln ließe.

Der beleidigte Functionär entfernte sich wüthend und kam bald darauf
mit drei Mann Wache wieder, um uns als Rädelsführer der aufrührerischen
Partei festzunehmen. Wir hätten ihm für den Augenblick allerdings folgen
müssen, hätten wir nickt einen Talisman besessen, dessen Vorzeigung ihn be->
wog. andere Segel aufzuziehn und nun seinerseits sich zu entschuldigen. Er
sagte, daß er ein guter Christ und von Natur ein sehr weichherziger Mensch
sei, nur der Zorn übermanne ihn mitunter, und dann wisse er sich nicht mehr
zu helfen. Mit den Niggern sei auch gar so schlecht nicht auskommen, wenn
sie nicht von den Lehrern, welche sie zur Faulheit und zur Widersetzlichkeit an¬
hielten, verdorben würden. In den Schulen würden sie, unter der Prätenz gei¬
stiger und religiöser Ausbildung von der Arbeit abgehalten, und nachher sei
selbst mit der schärfsten Zucht nichts mit ihnen anzufangen.

Dieser Einwand hatte allerdings mehr oder minder seine Berechtigung; er
würde jedoch unsre Empörung über die unverzeihliche Brutalität nicht gedämpft
haben, wenn uns der Diener der Gerechtigkeit nicht bei der größten aller mensch¬
lichen Schwächen, dem Egoismus gepackt hätte. Er wußte, daß wir an Bord
der Delaware wollten, und kannte ebenfalls die Schwierigkeit, dahin zu gelangen.
Am Ende des Docks lag ein nettes Boot mit einem Neger, der auf Ordre zu
warten schien. Mit einer Siegesgewißheit, welche eine nicht unbedeutende
Menschenkenntniß voraussetzen ließ, lud er uns ein, von diesem Fahrzeug Ge¬
brauch zu machen, indem er nochmals versicherte, daß er seinen Zorn in Zu¬
kunft in angemesseneren Schranken halten wollte. Auf Hilton-Head erwartete
uns Hunger, Nässe und voraussichtlich ein sehr schlechtes Nachtlager; auf dem
Dampfschiff, das jeden Augenblick abfahren konnte, Wärme, Comfort und ein
gutes Abendessen; zudem war der Zeitverlust, welchen wir durch unser Zurück¬
bleiben erleiden konnten, bei der Unregelmäßigkeit der Communication kaum zu
veranschlagen und — wir thaten, was Wohl jeder gethan haben würde, der so
stand, wie wir standen, wir fanden uns mit unserm Gerechtigkeitsgefühl ab
und ließen uns von dem Neger in das Boot tragen, das uns in wenigen
Minuten an Bord des Dampfers brachte. Die Delaware war ein schönes
Schiff, welches früher zwischen Camden-Amboy, der Eisenbahnstation von Phi¬
ladelphia und New-York gefahren war, jetzt aber 1000 Dollars täglich dadurch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/222>, abgerufen am 27.09.2024.