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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Alles geschehen, wozu die Convention ihrem Buchstaben Nach verpflichten könne.
Habe ich es persönlich noch etwas anders gemeint, und würde ich mich durch¬
aus nicht scheuen, eine ganze polnische Brigade aus allen Truppenarten zu
bilden, ja'der Garde einen polnischen Truppentheil einzufügen, so sei dies eine
Folge der Ansicht, daß der König von Preußen nichts nützlicheres und Gerech¬
teres zugleich thun könne, als wenn er völlig sich als Großherzog von Posen
bekunde. Ich habe angenommen, dies sei auch die Ansicht Sr. Majestät.
Habe ich mich darin getäuscht, so sei das Gouvernement durch mich zu nichts
in dieser Richtung verpflichtet. Der Wortlaut der Convention erlaube auch
das gerade Gegentheil davon zu thun und beweise also wohl, daß ich in keiner
Weise eigenmächtig verfahren.

Der König hatte gegen alle diese Aeußerungen so wenig einzuwenden, daß
'er während des Gesprächs das Wappen zeichnete, welches das Großherzogthum
führen sollte': es befanden sich darin der schwarze, und der weiße Adler neben
einander.

Ich, stellte nun noch vor, wie es durchaus nöthig, daß zwischen den Be¬
hörden, welchen die Provinz anvertraut werde, volle Uebereinstimmung herrsche,
daß namentlich der königliche CommiMr zugleich die Oberleitung der Truppen
erhalten müsse, woran ich den Vorschlag knüpfte, für den Fall, daß Herr v. Colomb
dort bleiben solle, einen ältern General statt meiner hinzusenden. Ich nannte
zu ti.chem Zweck Natzmer, Krauseneck und Pfuel. Der König machte auch
hiergegen keine Einwendungen, und die Audienz endete auf eine Weise, daß
ich noch jetzt glaube, derselbe meinte es damals noch nicht unfreundlich, oder
dachte doch noch nicht an einen völligen Bruch mit mir." --

Die Gründe der bald darauf sichtbar werdenden Ungnade waren verschie¬
dener Art. Die Hofpartei haßte den liberalen Offizier, der dafür galt, aufrichtig
eine Verfassung zu wollen, der die Revolution, von 1830 nicht für Teufelswerk
gehalten, den Polen 1831 das Wort geredet, sich offen für die freisinnige Partei
im Vereinigten Landtag erklärt und -- was das Hauptverbrechen war -- sich
jetzt dem revolutionären Ministerium Camphausen angeschlossen hatte. Sie
wendete sich an die empfindlichste Seite im Charakter des Monarchen, indem
sie Willisens Handlungsweise in diesen schweren Tagen so darstellte, als habe
dieser sich einen Eingriff in die heilige gesalbte Macht des Souveräns erlaubt
und die Zeit der geschwächten königlichen Gewalt benutzen wollen, um seine
politischen Ansichten geltend zu machen, von denen er doch gewußt, daß sie denen
des Königs durchaus entgegengesetzt seien. Wie man auch Willisens Ansichten
über Posen und die Polen überhaupt beurtheilen möge*), darin wird man der



-) Wir wiederholen, daß wir dieselben -- sie liefen auf "Wiederherstellung Polens in
gewissen Grenzen, Wiedergutmachen der ungeheuren Fehler von 1793 -- 95, die uns den rus¬
D. Red. sischen Koloß so auf den Hals gerückt" hinaus -- nicht vertreten können.
Grenzliotcn IV- 1862. 25

Alles geschehen, wozu die Convention ihrem Buchstaben Nach verpflichten könne.
Habe ich es persönlich noch etwas anders gemeint, und würde ich mich durch¬
aus nicht scheuen, eine ganze polnische Brigade aus allen Truppenarten zu
bilden, ja'der Garde einen polnischen Truppentheil einzufügen, so sei dies eine
Folge der Ansicht, daß der König von Preußen nichts nützlicheres und Gerech¬
teres zugleich thun könne, als wenn er völlig sich als Großherzog von Posen
bekunde. Ich habe angenommen, dies sei auch die Ansicht Sr. Majestät.
Habe ich mich darin getäuscht, so sei das Gouvernement durch mich zu nichts
in dieser Richtung verpflichtet. Der Wortlaut der Convention erlaube auch
das gerade Gegentheil davon zu thun und beweise also wohl, daß ich in keiner
Weise eigenmächtig verfahren.

Der König hatte gegen alle diese Aeußerungen so wenig einzuwenden, daß
'er während des Gesprächs das Wappen zeichnete, welches das Großherzogthum
führen sollte': es befanden sich darin der schwarze, und der weiße Adler neben
einander.

Ich, stellte nun noch vor, wie es durchaus nöthig, daß zwischen den Be¬
hörden, welchen die Provinz anvertraut werde, volle Uebereinstimmung herrsche,
daß namentlich der königliche CommiMr zugleich die Oberleitung der Truppen
erhalten müsse, woran ich den Vorschlag knüpfte, für den Fall, daß Herr v. Colomb
dort bleiben solle, einen ältern General statt meiner hinzusenden. Ich nannte
zu ti.chem Zweck Natzmer, Krauseneck und Pfuel. Der König machte auch
hiergegen keine Einwendungen, und die Audienz endete auf eine Weise, daß
ich noch jetzt glaube, derselbe meinte es damals noch nicht unfreundlich, oder
dachte doch noch nicht an einen völligen Bruch mit mir." —

Die Gründe der bald darauf sichtbar werdenden Ungnade waren verschie¬
dener Art. Die Hofpartei haßte den liberalen Offizier, der dafür galt, aufrichtig
eine Verfassung zu wollen, der die Revolution, von 1830 nicht für Teufelswerk
gehalten, den Polen 1831 das Wort geredet, sich offen für die freisinnige Partei
im Vereinigten Landtag erklärt und — was das Hauptverbrechen war — sich
jetzt dem revolutionären Ministerium Camphausen angeschlossen hatte. Sie
wendete sich an die empfindlichste Seite im Charakter des Monarchen, indem
sie Willisens Handlungsweise in diesen schweren Tagen so darstellte, als habe
dieser sich einen Eingriff in die heilige gesalbte Macht des Souveräns erlaubt
und die Zeit der geschwächten königlichen Gewalt benutzen wollen, um seine
politischen Ansichten geltend zu machen, von denen er doch gewußt, daß sie denen
des Königs durchaus entgegengesetzt seien. Wie man auch Willisens Ansichten
über Posen und die Polen überhaupt beurtheilen möge*), darin wird man der



-) Wir wiederholen, daß wir dieselben — sie liefen auf „Wiederherstellung Polens in
gewissen Grenzen, Wiedergutmachen der ungeheuren Fehler von 1793 — 95, die uns den rus¬
D. Red. sischen Koloß so auf den Hals gerückt" hinaus — nicht vertreten können.
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[0201] Alles geschehen, wozu die Convention ihrem Buchstaben Nach verpflichten könne. Habe ich es persönlich noch etwas anders gemeint, und würde ich mich durch¬ aus nicht scheuen, eine ganze polnische Brigade aus allen Truppenarten zu bilden, ja'der Garde einen polnischen Truppentheil einzufügen, so sei dies eine Folge der Ansicht, daß der König von Preußen nichts nützlicheres und Gerech¬ teres zugleich thun könne, als wenn er völlig sich als Großherzog von Posen bekunde. Ich habe angenommen, dies sei auch die Ansicht Sr. Majestät. Habe ich mich darin getäuscht, so sei das Gouvernement durch mich zu nichts in dieser Richtung verpflichtet. Der Wortlaut der Convention erlaube auch das gerade Gegentheil davon zu thun und beweise also wohl, daß ich in keiner Weise eigenmächtig verfahren. Der König hatte gegen alle diese Aeußerungen so wenig einzuwenden, daß 'er während des Gesprächs das Wappen zeichnete, welches das Großherzogthum führen sollte': es befanden sich darin der schwarze, und der weiße Adler neben einander. Ich, stellte nun noch vor, wie es durchaus nöthig, daß zwischen den Be¬ hörden, welchen die Provinz anvertraut werde, volle Uebereinstimmung herrsche, daß namentlich der königliche CommiMr zugleich die Oberleitung der Truppen erhalten müsse, woran ich den Vorschlag knüpfte, für den Fall, daß Herr v. Colomb dort bleiben solle, einen ältern General statt meiner hinzusenden. Ich nannte zu ti.chem Zweck Natzmer, Krauseneck und Pfuel. Der König machte auch hiergegen keine Einwendungen, und die Audienz endete auf eine Weise, daß ich noch jetzt glaube, derselbe meinte es damals noch nicht unfreundlich, oder dachte doch noch nicht an einen völligen Bruch mit mir." — Die Gründe der bald darauf sichtbar werdenden Ungnade waren verschie¬ dener Art. Die Hofpartei haßte den liberalen Offizier, der dafür galt, aufrichtig eine Verfassung zu wollen, der die Revolution, von 1830 nicht für Teufelswerk gehalten, den Polen 1831 das Wort geredet, sich offen für die freisinnige Partei im Vereinigten Landtag erklärt und — was das Hauptverbrechen war — sich jetzt dem revolutionären Ministerium Camphausen angeschlossen hatte. Sie wendete sich an die empfindlichste Seite im Charakter des Monarchen, indem sie Willisens Handlungsweise in diesen schweren Tagen so darstellte, als habe dieser sich einen Eingriff in die heilige gesalbte Macht des Souveräns erlaubt und die Zeit der geschwächten königlichen Gewalt benutzen wollen, um seine politischen Ansichten geltend zu machen, von denen er doch gewußt, daß sie denen des Königs durchaus entgegengesetzt seien. Wie man auch Willisens Ansichten über Posen und die Polen überhaupt beurtheilen möge*), darin wird man der -) Wir wiederholen, daß wir dieselben — sie liefen auf „Wiederherstellung Polens in gewissen Grenzen, Wiedergutmachen der ungeheuren Fehler von 1793 — 95, die uns den rus¬ D. Red. sischen Koloß so auf den Hals gerückt" hinaus — nicht vertreten können. Grenzliotcn IV- 1862. 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/201>, abgerufen am 27.09.2024.