Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ein leeres Spiel geworden. Es ist bekannt genug, wie in der großen Mehr¬
zahl der Fälle bei den Studentenduellen entweder gar kein persönlicher Con¬
flict zu lösen, oder ein solcher nur als Mittel zum Zwecke herbeigeführt
vorhergegangen ist und dies gemeine, der Studentenwelt allein noch eigene
unverhohlene Gaukelspiel der Raufereien als alltäglicher Unterhaltung ist
noch immer der Abgrund, der die meiste Zeit und Kraft der studirenden
Jugend verschlingt. Sie findet ihre Ehre und den Gebrauch ihrer Freiheit
mit Lust verwirklicht in dem elendesten Kitzel der Ergötzung an Scheingefechten,
zu der die blasirteste Zeit des Alterthums doch nur Sklaven mißbrauchte.
Man glaubt es nicht, wenn man es nicht Jahre hindurch täglich vor Augen
hat. wie viele kräftige Jünglinge in dieser Erbärmlichkeit fast ganz aufgehen,
wie durch den Zwang daran Theil zu nehmen die Faulheit (und durch den
dafür erforderlichen Aufwand die demoralisirende Gewohnheit der leichtsinnigen
Schulden) genährt wird. Es ist sehr leicht gesagt, daß wenn dieser Anlaß
nicht wäre, andere Zerstreuungen mehr die leichtsinnig heitere Jugend beschäf¬
tigen würden. Fast jede andere Zerstreuung und Spielerei nutzt sich leichter
ab und hat mehr den Charakter der Erholung. Der Duellschwindel steigert
sich, da er eine stets neue Aufregung gibt und Anstrengungen veranlaßt, je
mehr Einer hineinkommt, und absorbirt nicht nur die Ruhezustände der Er¬
holung, sondern die lebendigste Anspannung der Kraft und der Aufmerksamkeit.
Vor allen Dingen aber führt er, wie bereits oben bei der Kritik des Begriffes
der ausschließlich studentischen Ehre angedeutet, zu einer Vermischung des
heiligsten Gefühls der werdenden Männerwürde mit der frivolen Gewohnheit
eines sinnlosen Spiels, die ihn zum gefährlichsten Gift des sich bildenden
Charakters macht. Diese Spielerei ist, wie die Dinge sich nun einmal gemacht
haben, und wie die eifrigsten Vertheidiger des ganzen Instituts am wenigsten
läugnen, von den Resten wahrer Bedeutung des Duells im Studentenleben
nicht mehr zu trennen.

Der Cultus dieser Doppelmißgeburt ist nun das Lebenselement der Corps.
Die innige Verschmelzung des niedrigen Vergnügens, das sie darin finden, mit
dem Bedürfniß, das die akademische Rechtseigenthümlichkeit oder Rechtlosigkeit
für den Gebrauch des Duells bestehen läßt, macht ihre Rohheit zur begünstig¬
ten Hauptlebensäußerung der studentischen Jugendkraft. Die besseren Bestre¬
bungen aber, die burschenschaftlichen Verbindungen scheitern meist an der
Unmöglichkeit, sich der Nothwendigkeit des Duells als Auskunftsmittel bei
Streitigkeiten in Ermangelung besserer zu entziehen, weil sie mit dieser dem
ganzen daran hängenden Unwesen Thür und Thor zu öffnen nicht umhin
können.

Wie die Sachen einmal stehen, kann man einer Burschenschaft, wenn man
ihr wohl will, nicht anders rathen, als daß sie sich der alten Gewohnheit im


ein leeres Spiel geworden. Es ist bekannt genug, wie in der großen Mehr¬
zahl der Fälle bei den Studentenduellen entweder gar kein persönlicher Con¬
flict zu lösen, oder ein solcher nur als Mittel zum Zwecke herbeigeführt
vorhergegangen ist und dies gemeine, der Studentenwelt allein noch eigene
unverhohlene Gaukelspiel der Raufereien als alltäglicher Unterhaltung ist
noch immer der Abgrund, der die meiste Zeit und Kraft der studirenden
Jugend verschlingt. Sie findet ihre Ehre und den Gebrauch ihrer Freiheit
mit Lust verwirklicht in dem elendesten Kitzel der Ergötzung an Scheingefechten,
zu der die blasirteste Zeit des Alterthums doch nur Sklaven mißbrauchte.
Man glaubt es nicht, wenn man es nicht Jahre hindurch täglich vor Augen
hat. wie viele kräftige Jünglinge in dieser Erbärmlichkeit fast ganz aufgehen,
wie durch den Zwang daran Theil zu nehmen die Faulheit (und durch den
dafür erforderlichen Aufwand die demoralisirende Gewohnheit der leichtsinnigen
Schulden) genährt wird. Es ist sehr leicht gesagt, daß wenn dieser Anlaß
nicht wäre, andere Zerstreuungen mehr die leichtsinnig heitere Jugend beschäf¬
tigen würden. Fast jede andere Zerstreuung und Spielerei nutzt sich leichter
ab und hat mehr den Charakter der Erholung. Der Duellschwindel steigert
sich, da er eine stets neue Aufregung gibt und Anstrengungen veranlaßt, je
mehr Einer hineinkommt, und absorbirt nicht nur die Ruhezustände der Er¬
holung, sondern die lebendigste Anspannung der Kraft und der Aufmerksamkeit.
Vor allen Dingen aber führt er, wie bereits oben bei der Kritik des Begriffes
der ausschließlich studentischen Ehre angedeutet, zu einer Vermischung des
heiligsten Gefühls der werdenden Männerwürde mit der frivolen Gewohnheit
eines sinnlosen Spiels, die ihn zum gefährlichsten Gift des sich bildenden
Charakters macht. Diese Spielerei ist, wie die Dinge sich nun einmal gemacht
haben, und wie die eifrigsten Vertheidiger des ganzen Instituts am wenigsten
läugnen, von den Resten wahrer Bedeutung des Duells im Studentenleben
nicht mehr zu trennen.

Der Cultus dieser Doppelmißgeburt ist nun das Lebenselement der Corps.
Die innige Verschmelzung des niedrigen Vergnügens, das sie darin finden, mit
dem Bedürfniß, das die akademische Rechtseigenthümlichkeit oder Rechtlosigkeit
für den Gebrauch des Duells bestehen läßt, macht ihre Rohheit zur begünstig¬
ten Hauptlebensäußerung der studentischen Jugendkraft. Die besseren Bestre¬
bungen aber, die burschenschaftlichen Verbindungen scheitern meist an der
Unmöglichkeit, sich der Nothwendigkeit des Duells als Auskunftsmittel bei
Streitigkeiten in Ermangelung besserer zu entziehen, weil sie mit dieser dem
ganzen daran hängenden Unwesen Thür und Thor zu öffnen nicht umhin
können.

Wie die Sachen einmal stehen, kann man einer Burschenschaft, wenn man
ihr wohl will, nicht anders rathen, als daß sie sich der alten Gewohnheit im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0190" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115042"/>
            <p xml:id="ID_585" prev="#ID_584"> ein leeres Spiel geworden. Es ist bekannt genug, wie in der großen Mehr¬<lb/>
zahl der Fälle bei den Studentenduellen entweder gar kein persönlicher Con¬<lb/>
flict zu lösen, oder ein solcher nur als Mittel zum Zwecke herbeigeführt<lb/>
vorhergegangen ist und dies gemeine, der Studentenwelt allein noch eigene<lb/>
unverhohlene Gaukelspiel der Raufereien als alltäglicher Unterhaltung ist<lb/>
noch immer der Abgrund, der die meiste Zeit und Kraft der studirenden<lb/>
Jugend verschlingt.  Sie findet ihre Ehre und den Gebrauch ihrer Freiheit<lb/>
mit Lust verwirklicht in dem elendesten Kitzel der Ergötzung an Scheingefechten,<lb/>
zu der die blasirteste Zeit des Alterthums doch nur Sklaven mißbrauchte.<lb/>
Man glaubt es nicht, wenn man es nicht Jahre hindurch täglich vor Augen<lb/>
hat. wie viele kräftige Jünglinge in dieser Erbärmlichkeit fast ganz aufgehen,<lb/>
wie durch den Zwang daran Theil zu nehmen die Faulheit (und durch den<lb/>
dafür erforderlichen Aufwand die demoralisirende Gewohnheit der leichtsinnigen<lb/>
Schulden) genährt wird.  Es ist sehr leicht gesagt, daß wenn dieser Anlaß<lb/>
nicht wäre, andere Zerstreuungen mehr die leichtsinnig heitere Jugend beschäf¬<lb/>
tigen würden.  Fast jede andere Zerstreuung und Spielerei nutzt sich leichter<lb/>
ab und hat mehr den Charakter der Erholung.  Der Duellschwindel steigert<lb/>
sich, da er eine stets neue Aufregung gibt und Anstrengungen veranlaßt, je<lb/>
mehr Einer hineinkommt, und absorbirt nicht nur die Ruhezustände der Er¬<lb/>
holung, sondern die lebendigste Anspannung der Kraft und der Aufmerksamkeit.<lb/>
Vor allen Dingen aber führt er, wie bereits oben bei der Kritik des Begriffes<lb/>
der ausschließlich studentischen Ehre angedeutet, zu einer Vermischung des<lb/>
heiligsten Gefühls der werdenden Männerwürde mit der frivolen Gewohnheit<lb/>
eines sinnlosen Spiels, die ihn zum gefährlichsten Gift des sich bildenden<lb/>
Charakters macht.  Diese Spielerei ist, wie die Dinge sich nun einmal gemacht<lb/>
haben, und wie die eifrigsten Vertheidiger des ganzen Instituts am wenigsten<lb/>
läugnen, von den Resten wahrer Bedeutung des Duells im Studentenleben<lb/>
nicht mehr zu trennen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_586"> Der Cultus dieser Doppelmißgeburt ist nun das Lebenselement der Corps.<lb/>
Die innige Verschmelzung des niedrigen Vergnügens, das sie darin finden, mit<lb/>
dem Bedürfniß, das die akademische Rechtseigenthümlichkeit oder Rechtlosigkeit<lb/>
für den Gebrauch des Duells bestehen läßt, macht ihre Rohheit zur begünstig¬<lb/>
ten Hauptlebensäußerung der studentischen Jugendkraft. Die besseren Bestre¬<lb/>
bungen aber, die burschenschaftlichen Verbindungen scheitern meist an der<lb/>
Unmöglichkeit, sich der Nothwendigkeit des Duells als Auskunftsmittel bei<lb/>
Streitigkeiten in Ermangelung besserer zu entziehen, weil sie mit dieser dem<lb/>
ganzen daran hängenden Unwesen Thür und Thor zu öffnen nicht umhin<lb/>
können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_587" next="#ID_588"> Wie die Sachen einmal stehen, kann man einer Burschenschaft, wenn man<lb/>
ihr wohl will, nicht anders rathen, als daß sie sich der alten Gewohnheit im</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0190] ein leeres Spiel geworden. Es ist bekannt genug, wie in der großen Mehr¬ zahl der Fälle bei den Studentenduellen entweder gar kein persönlicher Con¬ flict zu lösen, oder ein solcher nur als Mittel zum Zwecke herbeigeführt vorhergegangen ist und dies gemeine, der Studentenwelt allein noch eigene unverhohlene Gaukelspiel der Raufereien als alltäglicher Unterhaltung ist noch immer der Abgrund, der die meiste Zeit und Kraft der studirenden Jugend verschlingt. Sie findet ihre Ehre und den Gebrauch ihrer Freiheit mit Lust verwirklicht in dem elendesten Kitzel der Ergötzung an Scheingefechten, zu der die blasirteste Zeit des Alterthums doch nur Sklaven mißbrauchte. Man glaubt es nicht, wenn man es nicht Jahre hindurch täglich vor Augen hat. wie viele kräftige Jünglinge in dieser Erbärmlichkeit fast ganz aufgehen, wie durch den Zwang daran Theil zu nehmen die Faulheit (und durch den dafür erforderlichen Aufwand die demoralisirende Gewohnheit der leichtsinnigen Schulden) genährt wird. Es ist sehr leicht gesagt, daß wenn dieser Anlaß nicht wäre, andere Zerstreuungen mehr die leichtsinnig heitere Jugend beschäf¬ tigen würden. Fast jede andere Zerstreuung und Spielerei nutzt sich leichter ab und hat mehr den Charakter der Erholung. Der Duellschwindel steigert sich, da er eine stets neue Aufregung gibt und Anstrengungen veranlaßt, je mehr Einer hineinkommt, und absorbirt nicht nur die Ruhezustände der Er¬ holung, sondern die lebendigste Anspannung der Kraft und der Aufmerksamkeit. Vor allen Dingen aber führt er, wie bereits oben bei der Kritik des Begriffes der ausschließlich studentischen Ehre angedeutet, zu einer Vermischung des heiligsten Gefühls der werdenden Männerwürde mit der frivolen Gewohnheit eines sinnlosen Spiels, die ihn zum gefährlichsten Gift des sich bildenden Charakters macht. Diese Spielerei ist, wie die Dinge sich nun einmal gemacht haben, und wie die eifrigsten Vertheidiger des ganzen Instituts am wenigsten läugnen, von den Resten wahrer Bedeutung des Duells im Studentenleben nicht mehr zu trennen. Der Cultus dieser Doppelmißgeburt ist nun das Lebenselement der Corps. Die innige Verschmelzung des niedrigen Vergnügens, das sie darin finden, mit dem Bedürfniß, das die akademische Rechtseigenthümlichkeit oder Rechtlosigkeit für den Gebrauch des Duells bestehen läßt, macht ihre Rohheit zur begünstig¬ ten Hauptlebensäußerung der studentischen Jugendkraft. Die besseren Bestre¬ bungen aber, die burschenschaftlichen Verbindungen scheitern meist an der Unmöglichkeit, sich der Nothwendigkeit des Duells als Auskunftsmittel bei Streitigkeiten in Ermangelung besserer zu entziehen, weil sie mit dieser dem ganzen daran hängenden Unwesen Thür und Thor zu öffnen nicht umhin können. Wie die Sachen einmal stehen, kann man einer Burschenschaft, wenn man ihr wohl will, nicht anders rathen, als daß sie sich der alten Gewohnheit im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/190
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/190>, abgerufen am 20.10.2024.