Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einen gelinden Hieb mit dem Tauende bekamen, und grinsten als sie wieder
ans Land ruderten. Einen richtigen Nigger mit dicken Backenknochen, platter
Nase, breitem Munde, flachem Kinn und recht wolligem Kopfe grinsen oder
gar lachen zu sehn, muß selbst den Melancholiker, wenn er nicht an den An¬
blick gewöhnt ist, in eine heitre Stimmung versetzen, und auch auf uns ver¬
fehlte derselbe seinen Eindruck keineswegs; aber unsre Heiterkeit wurde einiger¬
maßen durch die Frage gestört, ob wir ans Land gesetzt sein wollten. Ans Land,
wollten wir allerdings; jedoch bei einem Blick auf das desolate Stück Erde,
welches vor uns lag, drängte sich uns unwillkürlich die Frage aus: "Was
werden wir essen, was werden wir trinken, und vor allen Dingen, wo werden
wir schlafen?" Wir antworteten daher nach einem nochmaligen Ueberblick der
Verhältnisse mit einem kleinlauten Nein und beschlossen, die Nacht über noch an
Bord zu bleiben und wenigstens mit dem vollen Tage den Boden unsrer Abenteuer
zu betreten. Wir fanden später, daß dies Arrangement sehr gerechtfertigt war und
hatten noch oft Gelegenheit, uns nach den Fleischtöpfen Aegyptens zurückzusehnen.
Am andern Morgen hatte die Sonne sich wieder hinter einem dichten Wolken-
schleier verborgen und ein dem Klima und der Jahreszeit angemessener
Regentag stand in Aussicht. Der opake Schein vom Horizont, der düstere
Himmel über uns ließen das vor uns liegende Land noch düstrer und trostloser
erscheinen, besonders wenn von Zeit zu Zeit der Sturm, welcher selbst in der
sichern Bucht einen nicht unbedeutenden Wellenschlag verursachte, eine Sand¬
säule in die Höhe wirbelte, die Alles mit sich fortzureißen drohte. Wir durf¬
ten jedoch nicht länger warten und traten unsre Irrfahrten in einem kleinen
Boote an, gegen dessen nautische Tüchtigkeit mein College, ein Advocat aus
New-Aork, mit Recht seine Bedenken äußerte. Wir kamen indeß ans Land
und standen nach einer halben Stunde wohlbehalten auf dem Dock, welches,
da die Einrichtungen der englischen Admiralität längst verschwunden, zum Lan¬
den erbaut worden war. Ungastlich blies uns der mit feinem Staub geschwängerte
Wind entgegen und wir mühten uns erst eine Zeit lang die Augen wischen,
ehe wir einigermaßen um uns schauen und uns unter den verschiedenen Bau¬
lichkeiten orientiren konnten, welche wir bereits von der Rhede aus beobachtet
hatten. Nach vielem Hin- und Herirren gelang es uns, das Quartiermeister¬
amt aufzufinden, wo wir die sicherste Auskunft über alle Verhältnisse und die
beste Anleitung für unsre zukünftigen Bewegungen zu bekommen hoffen durften.
Capitain Saxton von der regulären Armee, jetzt Brigadegeneral der Volon¬
täre, versah das Amt eines I'lLg.ä-(jut>it<zi-ing.se<zik> für die ganze Shermansche
Division ,und hatte sein Bureau in dem einzigen Hause aufgeschlagen, welches
auf der Insel vorgefunden wurde. -- Es.lag in der Natur unsrer Mission,
uns erst an Ort und Stelle genau über alle Verhältnisse zu orientiren, ehe wir
etwas thun konnten/ und besonders die höheren Offiziere kennen zu lernen.


einen gelinden Hieb mit dem Tauende bekamen, und grinsten als sie wieder
ans Land ruderten. Einen richtigen Nigger mit dicken Backenknochen, platter
Nase, breitem Munde, flachem Kinn und recht wolligem Kopfe grinsen oder
gar lachen zu sehn, muß selbst den Melancholiker, wenn er nicht an den An¬
blick gewöhnt ist, in eine heitre Stimmung versetzen, und auch auf uns ver¬
fehlte derselbe seinen Eindruck keineswegs; aber unsre Heiterkeit wurde einiger¬
maßen durch die Frage gestört, ob wir ans Land gesetzt sein wollten. Ans Land,
wollten wir allerdings; jedoch bei einem Blick auf das desolate Stück Erde,
welches vor uns lag, drängte sich uns unwillkürlich die Frage aus: „Was
werden wir essen, was werden wir trinken, und vor allen Dingen, wo werden
wir schlafen?" Wir antworteten daher nach einem nochmaligen Ueberblick der
Verhältnisse mit einem kleinlauten Nein und beschlossen, die Nacht über noch an
Bord zu bleiben und wenigstens mit dem vollen Tage den Boden unsrer Abenteuer
zu betreten. Wir fanden später, daß dies Arrangement sehr gerechtfertigt war und
hatten noch oft Gelegenheit, uns nach den Fleischtöpfen Aegyptens zurückzusehnen.
Am andern Morgen hatte die Sonne sich wieder hinter einem dichten Wolken-
schleier verborgen und ein dem Klima und der Jahreszeit angemessener
Regentag stand in Aussicht. Der opake Schein vom Horizont, der düstere
Himmel über uns ließen das vor uns liegende Land noch düstrer und trostloser
erscheinen, besonders wenn von Zeit zu Zeit der Sturm, welcher selbst in der
sichern Bucht einen nicht unbedeutenden Wellenschlag verursachte, eine Sand¬
säule in die Höhe wirbelte, die Alles mit sich fortzureißen drohte. Wir durf¬
ten jedoch nicht länger warten und traten unsre Irrfahrten in einem kleinen
Boote an, gegen dessen nautische Tüchtigkeit mein College, ein Advocat aus
New-Aork, mit Recht seine Bedenken äußerte. Wir kamen indeß ans Land
und standen nach einer halben Stunde wohlbehalten auf dem Dock, welches,
da die Einrichtungen der englischen Admiralität längst verschwunden, zum Lan¬
den erbaut worden war. Ungastlich blies uns der mit feinem Staub geschwängerte
Wind entgegen und wir mühten uns erst eine Zeit lang die Augen wischen,
ehe wir einigermaßen um uns schauen und uns unter den verschiedenen Bau¬
lichkeiten orientiren konnten, welche wir bereits von der Rhede aus beobachtet
hatten. Nach vielem Hin- und Herirren gelang es uns, das Quartiermeister¬
amt aufzufinden, wo wir die sicherste Auskunft über alle Verhältnisse und die
beste Anleitung für unsre zukünftigen Bewegungen zu bekommen hoffen durften.
Capitain Saxton von der regulären Armee, jetzt Brigadegeneral der Volon¬
täre, versah das Amt eines I'lLg.ä-(jut>it<zi-ing.se<zik> für die ganze Shermansche
Division ,und hatte sein Bureau in dem einzigen Hause aufgeschlagen, welches
auf der Insel vorgefunden wurde. — Es.lag in der Natur unsrer Mission,
uns erst an Ort und Stelle genau über alle Verhältnisse zu orientiren, ehe wir
etwas thun konnten/ und besonders die höheren Offiziere kennen zu lernen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115014"/>
          <p xml:id="ID_503" prev="#ID_502" next="#ID_504"> einen gelinden Hieb mit dem Tauende bekamen, und grinsten als sie wieder<lb/>
ans Land ruderten.  Einen richtigen Nigger mit dicken Backenknochen, platter<lb/>
Nase, breitem Munde, flachem Kinn und recht wolligem Kopfe grinsen oder<lb/>
gar lachen zu sehn, muß selbst den Melancholiker, wenn er nicht an den An¬<lb/>
blick gewöhnt ist, in eine heitre Stimmung versetzen, und auch auf uns ver¬<lb/>
fehlte derselbe seinen Eindruck keineswegs; aber unsre Heiterkeit wurde einiger¬<lb/>
maßen durch die Frage gestört, ob wir ans Land gesetzt sein wollten. Ans Land,<lb/>
wollten wir allerdings; jedoch bei einem Blick auf das desolate Stück Erde,<lb/>
welches vor uns lag, drängte sich uns unwillkürlich die Frage aus: &#x201E;Was<lb/>
werden wir essen, was werden wir trinken, und vor allen Dingen, wo werden<lb/>
wir schlafen?" Wir antworteten daher nach einem nochmaligen Ueberblick der<lb/>
Verhältnisse mit einem kleinlauten Nein und beschlossen, die Nacht über noch an<lb/>
Bord zu bleiben und wenigstens mit dem vollen Tage den Boden unsrer Abenteuer<lb/>
zu betreten. Wir fanden später, daß dies Arrangement sehr gerechtfertigt war und<lb/>
hatten noch oft Gelegenheit, uns nach den Fleischtöpfen Aegyptens zurückzusehnen.<lb/>
Am andern Morgen hatte die Sonne sich wieder hinter einem dichten Wolken-<lb/>
schleier verborgen und  ein dem Klima und der Jahreszeit angemessener<lb/>
Regentag stand in Aussicht.  Der opake Schein vom Horizont, der düstere<lb/>
Himmel über uns ließen das vor uns liegende Land noch düstrer und trostloser<lb/>
erscheinen, besonders wenn von Zeit zu Zeit der Sturm, welcher selbst in der<lb/>
sichern Bucht einen nicht unbedeutenden Wellenschlag verursachte, eine Sand¬<lb/>
säule in die Höhe wirbelte, die Alles mit sich fortzureißen drohte.  Wir durf¬<lb/>
ten jedoch nicht länger warten und traten unsre Irrfahrten in einem kleinen<lb/>
Boote an, gegen dessen nautische Tüchtigkeit mein College, ein Advocat aus<lb/>
New-Aork, mit Recht seine Bedenken äußerte.  Wir kamen indeß ans Land<lb/>
und standen nach einer halben Stunde wohlbehalten auf dem Dock, welches,<lb/>
da die Einrichtungen der englischen Admiralität längst verschwunden, zum Lan¬<lb/>
den erbaut worden war. Ungastlich blies uns der mit feinem Staub geschwängerte<lb/>
Wind entgegen und wir mühten uns erst eine Zeit lang die Augen wischen,<lb/>
ehe wir einigermaßen um uns schauen und uns unter den verschiedenen Bau¬<lb/>
lichkeiten orientiren konnten, welche wir bereits von der Rhede aus beobachtet<lb/>
hatten.  Nach vielem Hin- und Herirren gelang es uns, das Quartiermeister¬<lb/>
amt aufzufinden, wo wir die sicherste Auskunft über alle Verhältnisse und die<lb/>
beste Anleitung für unsre zukünftigen Bewegungen zu bekommen hoffen durften.<lb/>
Capitain Saxton von der regulären Armee, jetzt Brigadegeneral der Volon¬<lb/>
täre, versah das Amt eines I'lLg.ä-(jut&gt;it&lt;zi-ing.se&lt;zik&gt; für die ganze Shermansche<lb/>
Division ,und hatte sein Bureau in dem einzigen Hause aufgeschlagen, welches<lb/>
auf der Insel vorgefunden wurde. &#x2014; Es.lag in der Natur unsrer Mission,<lb/>
uns erst an Ort und Stelle genau über alle Verhältnisse zu orientiren, ehe wir<lb/>
etwas thun konnten/ und besonders die höheren Offiziere kennen zu lernen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0158] einen gelinden Hieb mit dem Tauende bekamen, und grinsten als sie wieder ans Land ruderten. Einen richtigen Nigger mit dicken Backenknochen, platter Nase, breitem Munde, flachem Kinn und recht wolligem Kopfe grinsen oder gar lachen zu sehn, muß selbst den Melancholiker, wenn er nicht an den An¬ blick gewöhnt ist, in eine heitre Stimmung versetzen, und auch auf uns ver¬ fehlte derselbe seinen Eindruck keineswegs; aber unsre Heiterkeit wurde einiger¬ maßen durch die Frage gestört, ob wir ans Land gesetzt sein wollten. Ans Land, wollten wir allerdings; jedoch bei einem Blick auf das desolate Stück Erde, welches vor uns lag, drängte sich uns unwillkürlich die Frage aus: „Was werden wir essen, was werden wir trinken, und vor allen Dingen, wo werden wir schlafen?" Wir antworteten daher nach einem nochmaligen Ueberblick der Verhältnisse mit einem kleinlauten Nein und beschlossen, die Nacht über noch an Bord zu bleiben und wenigstens mit dem vollen Tage den Boden unsrer Abenteuer zu betreten. Wir fanden später, daß dies Arrangement sehr gerechtfertigt war und hatten noch oft Gelegenheit, uns nach den Fleischtöpfen Aegyptens zurückzusehnen. Am andern Morgen hatte die Sonne sich wieder hinter einem dichten Wolken- schleier verborgen und ein dem Klima und der Jahreszeit angemessener Regentag stand in Aussicht. Der opake Schein vom Horizont, der düstere Himmel über uns ließen das vor uns liegende Land noch düstrer und trostloser erscheinen, besonders wenn von Zeit zu Zeit der Sturm, welcher selbst in der sichern Bucht einen nicht unbedeutenden Wellenschlag verursachte, eine Sand¬ säule in die Höhe wirbelte, die Alles mit sich fortzureißen drohte. Wir durf¬ ten jedoch nicht länger warten und traten unsre Irrfahrten in einem kleinen Boote an, gegen dessen nautische Tüchtigkeit mein College, ein Advocat aus New-Aork, mit Recht seine Bedenken äußerte. Wir kamen indeß ans Land und standen nach einer halben Stunde wohlbehalten auf dem Dock, welches, da die Einrichtungen der englischen Admiralität längst verschwunden, zum Lan¬ den erbaut worden war. Ungastlich blies uns der mit feinem Staub geschwängerte Wind entgegen und wir mühten uns erst eine Zeit lang die Augen wischen, ehe wir einigermaßen um uns schauen und uns unter den verschiedenen Bau¬ lichkeiten orientiren konnten, welche wir bereits von der Rhede aus beobachtet hatten. Nach vielem Hin- und Herirren gelang es uns, das Quartiermeister¬ amt aufzufinden, wo wir die sicherste Auskunft über alle Verhältnisse und die beste Anleitung für unsre zukünftigen Bewegungen zu bekommen hoffen durften. Capitain Saxton von der regulären Armee, jetzt Brigadegeneral der Volon¬ täre, versah das Amt eines I'lLg.ä-(jut>it<zi-ing.se<zik> für die ganze Shermansche Division ,und hatte sein Bureau in dem einzigen Hause aufgeschlagen, welches auf der Insel vorgefunden wurde. — Es.lag in der Natur unsrer Mission, uns erst an Ort und Stelle genau über alle Verhältnisse zu orientiren, ehe wir etwas thun konnten/ und besonders die höheren Offiziere kennen zu lernen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/158
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/158>, abgerufen am 27.09.2024.