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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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und Kamerad"*) und überhäuft ihn mit Schmeicheleien; aber im Grunde
seines Herzens betrachtet er doch den Andern als Fremden und flucht und
spottet hinterher über "den Schwaben", den "ungarischen Hundsfott", oder
den "wälschen Spitzbuben".

Aber eben der beständige Aufenthalt in der Heimath, die frühzeitige Schlie¬
ßung der Ehen, das vertrauliche Verhältniß zwischen den Unteroffizieren und
ihren Untergebenen, die eigenthümliche Stellung der Offiziere und manche an¬
dere Umstände legen den Grund zu den außer Landes so oft vorkommenden
Pflichtverletzungen der Grenztruppen.

Der Offizier ist der bürgerliche und militärische Vorgesetzte des Grenzers;
er ist sein Anführer im .Kriege und sein Bürgermeister, sein Richter und der
Verwalter seines Gemeindcvcnnögens. Was Wunder also, wenn der Grenzer
seinem Obern so begegnet, wie es der Bauer seinem Amtmanne gegenüber zu
thun pflegt. Daher geschieht es bäufig, daß der Grenzer, wenn er bei dem
Rapport (woselbst die minder wichtigen dienstlichen und rechtlichen Angelegen¬
heiten entschieden werden) eine Bitte vorzubringen oder sich wegen eines Ver¬
gehens zu verantworten hat. mit einem Körbchen Gemüse, einer Henne oder
Ente unter dem Arme, auch wohl mit einem Lamm oder Schwein erscheint
und diese Spende a!e einen triftigen Beweisgrund seines Rechtes der Küche
des gestrengen "Gospvojue" (Herrn) offerirt und --- der Vorgesetzte dieses Ge¬
schenk auch huldvoll annimmt.

Man findet dieses Vorgehen ganz schicklich, und selten wird ein eingeborner
Offizier etwas Unziemliches darin finden. Dadurch aber wird begreiflich weder
die dem Obern gebührende wahre Achtung, noch die Moralität der Untergebenen
erhöht, und letzterer gewohnt sich, den dem Beispiele seiner nationalen Vorge¬
setzten entnommenen Maßstab an alle andere Offiziere zu legen und betrachtet
endlich den Unbestechlicben wohl gar als einen Verächter der heimischen Sitten
und als einen Uebermüthigen. welcher mit dein gemeinen Manne nichts zu
thun hoben wolle.

In den Grenzhäusern wohnen gewöhnlich mehre Familien, als deren
gemeinsamer Vorstand der "Hausvater", gewöhnlich der vom Militärdienst be¬
freite Aelteste des Hauses fungirt. So schön diese echt patriarchalische Ein¬
richtung an und für sich ist. so nachtheilig wirkt sie doch auf den wahre"
militärischen Geist der Grenzer ein, Der Hausvater gebietet über alle Be¬
wohner des Hauses, welchen Grad sie auch in der Truppe bekleiden mögen.
Freilich soll sich diese Herrschaft nur auf die häuslichen und Privatangelegen¬
heiten erstrecken; c>ber man braucht eben nicbt besonders scharfsichtig zu sein,



") Von daher habe" auch die Grenzer den in der östreichischen Armee allgemein
Spottnamen "Bratky" (Brüderchen) erhalten.

und Kamerad"*) und überhäuft ihn mit Schmeicheleien; aber im Grunde
seines Herzens betrachtet er doch den Andern als Fremden und flucht und
spottet hinterher über „den Schwaben", den „ungarischen Hundsfott", oder
den „wälschen Spitzbuben".

Aber eben der beständige Aufenthalt in der Heimath, die frühzeitige Schlie¬
ßung der Ehen, das vertrauliche Verhältniß zwischen den Unteroffizieren und
ihren Untergebenen, die eigenthümliche Stellung der Offiziere und manche an¬
dere Umstände legen den Grund zu den außer Landes so oft vorkommenden
Pflichtverletzungen der Grenztruppen.

Der Offizier ist der bürgerliche und militärische Vorgesetzte des Grenzers;
er ist sein Anführer im .Kriege und sein Bürgermeister, sein Richter und der
Verwalter seines Gemeindcvcnnögens. Was Wunder also, wenn der Grenzer
seinem Obern so begegnet, wie es der Bauer seinem Amtmanne gegenüber zu
thun pflegt. Daher geschieht es bäufig, daß der Grenzer, wenn er bei dem
Rapport (woselbst die minder wichtigen dienstlichen und rechtlichen Angelegen¬
heiten entschieden werden) eine Bitte vorzubringen oder sich wegen eines Ver¬
gehens zu verantworten hat. mit einem Körbchen Gemüse, einer Henne oder
Ente unter dem Arme, auch wohl mit einem Lamm oder Schwein erscheint
und diese Spende a!e einen triftigen Beweisgrund seines Rechtes der Küche
des gestrengen „Gospvojue" (Herrn) offerirt und —- der Vorgesetzte dieses Ge¬
schenk auch huldvoll annimmt.

Man findet dieses Vorgehen ganz schicklich, und selten wird ein eingeborner
Offizier etwas Unziemliches darin finden. Dadurch aber wird begreiflich weder
die dem Obern gebührende wahre Achtung, noch die Moralität der Untergebenen
erhöht, und letzterer gewohnt sich, den dem Beispiele seiner nationalen Vorge¬
setzten entnommenen Maßstab an alle andere Offiziere zu legen und betrachtet
endlich den Unbestechlicben wohl gar als einen Verächter der heimischen Sitten
und als einen Uebermüthigen. welcher mit dein gemeinen Manne nichts zu
thun hoben wolle.

In den Grenzhäusern wohnen gewöhnlich mehre Familien, als deren
gemeinsamer Vorstand der „Hausvater", gewöhnlich der vom Militärdienst be¬
freite Aelteste des Hauses fungirt. So schön diese echt patriarchalische Ein¬
richtung an und für sich ist. so nachtheilig wirkt sie doch auf den wahre»
militärischen Geist der Grenzer ein, Der Hausvater gebietet über alle Be¬
wohner des Hauses, welchen Grad sie auch in der Truppe bekleiden mögen.
Freilich soll sich diese Herrschaft nur auf die häuslichen und Privatangelegen¬
heiten erstrecken; c>ber man braucht eben nicbt besonders scharfsichtig zu sein,



") Von daher habe» auch die Grenzer den in der östreichischen Armee allgemein
Spottnamen „Bratky" (Brüderchen) erhalten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/75>, abgerufen am 06.02.2025.