Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Dienstsprache zu gelten", lautete der siebente Artikel, wodurch alle andern Be¬
günstigungen, als freie Gemeindeverfassung, Wahrung der Nationalität u, s. w.
illusorisch wurden.

Bei der Reorgaiiisirung der Armee im Jahre 1852 wurde auch die Grenze
nicht vergessen, und.es konnte dieses Statut wirklich als besonders günstig be¬
trachtet werden. Jedes Regiment sollte fortan aus zwei Fcldbataillonen und
einem Reservebataillon, zwei Seressanercvmpagnien oder zwei Schwadronen
irregulärer Reiterei und 50 Artilleristen bestehen. Im Allgemeinen sollten nur
die Feldtruppen. und erst im höchsten Nothfälle auch die dritten Bataillone
aufmarschiren, im Frieden aber höchstens die ersten Bataillone einiger Regi¬
menter außer Landes behalten werden.

Wirklich rückten während des orientalischen und während des letzten fran¬
zösisch-italienischen Krieges nur die Feldbataillone aus dem Lande und wurden
nacb Beendigung des Krieges sogleich zurückgeschickt, sowie sich überhaupt die
Regierung bestrebte, den Grenztruppen hinsichtlich des Dienstes und ihrer mi¬
litärischen Leistungen überhaupt die möglichste Erleichterung und Begünstigung
zukommen zu lassen, um sie in guter Stimmung zu erhalten und ihnen das
anderweitige Unangenehme in Vergessenheit zu bringen.

Bei allen diesen Reformen betrachtete man die Grenzer indessen noch
immer ale- kochte Truppen und achtete auf die möglichste Erhaltung, Ausbil¬
dung und Benutzung jener Eigenschaften, welche ihnen von jeder den Ruf
einer guten leichten Infanterie verschafft hatten. So galt es als Grundsatz,
daß eine Jnfanteriebrigade aus vier bis fünf Jnfanteriebataillonen, einer Batterie
und einem Jäger- oder Grcnzerbataillon zu bestehen habe. Auch wendete man
dem Scheibenschießen besondere Aufmerksamkeit zu, versah die Grenztruppen
gleich Anfangs mit den neuen Präzisionsgewehren und verwendete bei den
Streifzügen gegen die italienischen und dalmatinischen Räuber und Schmuggler,
sowie bei verschiedenen Expeditionen gegen die Montenegriner und Bosnier vor¬
zugsweise Grenzer und Jäger.

Durch die in den letzten zwei Jahren erlassenen Bestimmungen aber wur¬
den die Grenztruppen auch in taktischer Beziehung der Linieninfanterie ganz
gleichgestellt, während die politische Verfassung des Landes ungeändert blieb.
Die Grenzregimcnter sollen künftig ungetrennt mit Linien- oder andern Grenz-
regimentern vereint in Brigaden zusammengestellt und nur in Ausnahmsfällrn
zum Jägerdienst verwendet werden.

Seither erhoben sich indessen viele Stimmen, welche die Aufhebung des
Grenzinstitutes verlangten. Unter den hochgestellten Militärs selbst gab es
Viele, welche diesem Verlangen beipflichteten, -- aber nur Wenige derselben
gehörten der Militärgrenze an. Man schilderte die trostlosen Zustände des
Landes und andererseits die geringen Vortheile, welche in militärischer Hinsicht


Dienstsprache zu gelten", lautete der siebente Artikel, wodurch alle andern Be¬
günstigungen, als freie Gemeindeverfassung, Wahrung der Nationalität u, s. w.
illusorisch wurden.

Bei der Reorgaiiisirung der Armee im Jahre 1852 wurde auch die Grenze
nicht vergessen, und.es konnte dieses Statut wirklich als besonders günstig be¬
trachtet werden. Jedes Regiment sollte fortan aus zwei Fcldbataillonen und
einem Reservebataillon, zwei Seressanercvmpagnien oder zwei Schwadronen
irregulärer Reiterei und 50 Artilleristen bestehen. Im Allgemeinen sollten nur
die Feldtruppen. und erst im höchsten Nothfälle auch die dritten Bataillone
aufmarschiren, im Frieden aber höchstens die ersten Bataillone einiger Regi¬
menter außer Landes behalten werden.

Wirklich rückten während des orientalischen und während des letzten fran¬
zösisch-italienischen Krieges nur die Feldbataillone aus dem Lande und wurden
nacb Beendigung des Krieges sogleich zurückgeschickt, sowie sich überhaupt die
Regierung bestrebte, den Grenztruppen hinsichtlich des Dienstes und ihrer mi¬
litärischen Leistungen überhaupt die möglichste Erleichterung und Begünstigung
zukommen zu lassen, um sie in guter Stimmung zu erhalten und ihnen das
anderweitige Unangenehme in Vergessenheit zu bringen.

Bei allen diesen Reformen betrachtete man die Grenzer indessen noch
immer ale- kochte Truppen und achtete auf die möglichste Erhaltung, Ausbil¬
dung und Benutzung jener Eigenschaften, welche ihnen von jeder den Ruf
einer guten leichten Infanterie verschafft hatten. So galt es als Grundsatz,
daß eine Jnfanteriebrigade aus vier bis fünf Jnfanteriebataillonen, einer Batterie
und einem Jäger- oder Grcnzerbataillon zu bestehen habe. Auch wendete man
dem Scheibenschießen besondere Aufmerksamkeit zu, versah die Grenztruppen
gleich Anfangs mit den neuen Präzisionsgewehren und verwendete bei den
Streifzügen gegen die italienischen und dalmatinischen Räuber und Schmuggler,
sowie bei verschiedenen Expeditionen gegen die Montenegriner und Bosnier vor¬
zugsweise Grenzer und Jäger.

Durch die in den letzten zwei Jahren erlassenen Bestimmungen aber wur¬
den die Grenztruppen auch in taktischer Beziehung der Linieninfanterie ganz
gleichgestellt, während die politische Verfassung des Landes ungeändert blieb.
Die Grenzregimcnter sollen künftig ungetrennt mit Linien- oder andern Grenz-
regimentern vereint in Brigaden zusammengestellt und nur in Ausnahmsfällrn
zum Jägerdienst verwendet werden.

Seither erhoben sich indessen viele Stimmen, welche die Aufhebung des
Grenzinstitutes verlangten. Unter den hochgestellten Militärs selbst gab es
Viele, welche diesem Verlangen beipflichteten, — aber nur Wenige derselben
gehörten der Militärgrenze an. Man schilderte die trostlosen Zustände des
Landes und andererseits die geringen Vortheile, welche in militärischer Hinsicht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114386"/>
            <p xml:id="ID_238" prev="#ID_237"> Dienstsprache zu gelten", lautete der siebente Artikel, wodurch alle andern Be¬<lb/>
günstigungen, als freie Gemeindeverfassung, Wahrung der Nationalität u, s. w.<lb/>
illusorisch wurden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_239"> Bei der Reorgaiiisirung der Armee im Jahre 1852 wurde auch die Grenze<lb/>
nicht vergessen, und.es konnte dieses Statut wirklich als besonders günstig be¬<lb/>
trachtet werden. Jedes Regiment sollte fortan aus zwei Fcldbataillonen und<lb/>
einem Reservebataillon, zwei Seressanercvmpagnien oder zwei Schwadronen<lb/>
irregulärer Reiterei und 50 Artilleristen bestehen. Im Allgemeinen sollten nur<lb/>
die Feldtruppen. und erst im höchsten Nothfälle auch die dritten Bataillone<lb/>
aufmarschiren, im Frieden aber höchstens die ersten Bataillone einiger Regi¬<lb/>
menter außer Landes behalten werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_240"> Wirklich rückten während des orientalischen und während des letzten fran¬<lb/>
zösisch-italienischen Krieges nur die Feldbataillone aus dem Lande und wurden<lb/>
nacb Beendigung des Krieges sogleich zurückgeschickt, sowie sich überhaupt die<lb/>
Regierung bestrebte, den Grenztruppen hinsichtlich des Dienstes und ihrer mi¬<lb/>
litärischen Leistungen überhaupt die möglichste Erleichterung und Begünstigung<lb/>
zukommen zu lassen, um sie in guter Stimmung zu erhalten und ihnen das<lb/>
anderweitige Unangenehme in Vergessenheit zu bringen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_241"> Bei allen diesen Reformen betrachtete man die Grenzer indessen noch<lb/>
immer ale- kochte Truppen und achtete auf die möglichste Erhaltung, Ausbil¬<lb/>
dung und Benutzung jener Eigenschaften, welche ihnen von jeder den Ruf<lb/>
einer guten leichten Infanterie verschafft hatten. So galt es als Grundsatz,<lb/>
daß eine Jnfanteriebrigade aus vier bis fünf Jnfanteriebataillonen, einer Batterie<lb/>
und einem Jäger- oder Grcnzerbataillon zu bestehen habe. Auch wendete man<lb/>
dem Scheibenschießen besondere Aufmerksamkeit zu, versah die Grenztruppen<lb/>
gleich Anfangs mit den neuen Präzisionsgewehren und verwendete bei den<lb/>
Streifzügen gegen die italienischen und dalmatinischen Räuber und Schmuggler,<lb/>
sowie bei verschiedenen Expeditionen gegen die Montenegriner und Bosnier vor¬<lb/>
zugsweise Grenzer und Jäger.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_242"> Durch die in den letzten zwei Jahren erlassenen Bestimmungen aber wur¬<lb/>
den die Grenztruppen auch in taktischer Beziehung der Linieninfanterie ganz<lb/>
gleichgestellt, während die politische Verfassung des Landes ungeändert blieb.<lb/>
Die Grenzregimcnter sollen künftig ungetrennt mit Linien- oder andern Grenz-<lb/>
regimentern vereint in Brigaden zusammengestellt und nur in Ausnahmsfällrn<lb/>
zum Jägerdienst verwendet werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_243" next="#ID_244"> Seither erhoben sich indessen viele Stimmen, welche die Aufhebung des<lb/>
Grenzinstitutes verlangten. Unter den hochgestellten Militärs selbst gab es<lb/>
Viele, welche diesem Verlangen beipflichteten, &#x2014; aber nur Wenige derselben<lb/>
gehörten der Militärgrenze an. Man schilderte die trostlosen Zustände des<lb/>
Landes und andererseits die geringen Vortheile, welche in militärischer Hinsicht</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0072] Dienstsprache zu gelten", lautete der siebente Artikel, wodurch alle andern Be¬ günstigungen, als freie Gemeindeverfassung, Wahrung der Nationalität u, s. w. illusorisch wurden. Bei der Reorgaiiisirung der Armee im Jahre 1852 wurde auch die Grenze nicht vergessen, und.es konnte dieses Statut wirklich als besonders günstig be¬ trachtet werden. Jedes Regiment sollte fortan aus zwei Fcldbataillonen und einem Reservebataillon, zwei Seressanercvmpagnien oder zwei Schwadronen irregulärer Reiterei und 50 Artilleristen bestehen. Im Allgemeinen sollten nur die Feldtruppen. und erst im höchsten Nothfälle auch die dritten Bataillone aufmarschiren, im Frieden aber höchstens die ersten Bataillone einiger Regi¬ menter außer Landes behalten werden. Wirklich rückten während des orientalischen und während des letzten fran¬ zösisch-italienischen Krieges nur die Feldbataillone aus dem Lande und wurden nacb Beendigung des Krieges sogleich zurückgeschickt, sowie sich überhaupt die Regierung bestrebte, den Grenztruppen hinsichtlich des Dienstes und ihrer mi¬ litärischen Leistungen überhaupt die möglichste Erleichterung und Begünstigung zukommen zu lassen, um sie in guter Stimmung zu erhalten und ihnen das anderweitige Unangenehme in Vergessenheit zu bringen. Bei allen diesen Reformen betrachtete man die Grenzer indessen noch immer ale- kochte Truppen und achtete auf die möglichste Erhaltung, Ausbil¬ dung und Benutzung jener Eigenschaften, welche ihnen von jeder den Ruf einer guten leichten Infanterie verschafft hatten. So galt es als Grundsatz, daß eine Jnfanteriebrigade aus vier bis fünf Jnfanteriebataillonen, einer Batterie und einem Jäger- oder Grcnzerbataillon zu bestehen habe. Auch wendete man dem Scheibenschießen besondere Aufmerksamkeit zu, versah die Grenztruppen gleich Anfangs mit den neuen Präzisionsgewehren und verwendete bei den Streifzügen gegen die italienischen und dalmatinischen Räuber und Schmuggler, sowie bei verschiedenen Expeditionen gegen die Montenegriner und Bosnier vor¬ zugsweise Grenzer und Jäger. Durch die in den letzten zwei Jahren erlassenen Bestimmungen aber wur¬ den die Grenztruppen auch in taktischer Beziehung der Linieninfanterie ganz gleichgestellt, während die politische Verfassung des Landes ungeändert blieb. Die Grenzregimcnter sollen künftig ungetrennt mit Linien- oder andern Grenz- regimentern vereint in Brigaden zusammengestellt und nur in Ausnahmsfällrn zum Jägerdienst verwendet werden. Seither erhoben sich indessen viele Stimmen, welche die Aufhebung des Grenzinstitutes verlangten. Unter den hochgestellten Militärs selbst gab es Viele, welche diesem Verlangen beipflichteten, — aber nur Wenige derselben gehörten der Militärgrenze an. Man schilderte die trostlosen Zustände des Landes und andererseits die geringen Vortheile, welche in militärischer Hinsicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/72
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/72>, abgerufen am 05.02.2025.