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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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der zu predigen haben, und in denen die Altargeräthe aus schadhaftem Zinn, ja
bisweilen aus Blech bestehen, Auch hier gibt es Gegenden, wo Hunderte von
evangelischen Kindern aus Mangel an einer Schule ihres Bekenntnisses die
katholische besuchen müssen und dort ihrem Glauben völlig entfremdet werden.

Ein Beispiel ist Smazin bei Neustadt in Westpreußen. - Hier und in der
Nachbarschaft leben eine große Anzahl Protestanten, die ncxh der fünf Stunden
entfernten Kirche zu Dzincelitz in Pommern eingepfarrt sind Dies, verbunden
mit den schlechten Wegen hat zur Folge, daß die Evangelischen in und um
Smazin factisch ohne Kirchenverband und kirchliche Versorgung leben. Bei der
großen Thätigkeit der katholischen Geistlichkeit dieser vorwiegend katholischen
Gegend sind deshalb zahlreiche Uebertritte von Protestanten zu beklagen gewesen,
namentlich wurden viele Kinder dem Katholicismus zugeführt. Seit Jahren
schon hat man sich bemüht, die Evangelischen zu einer eignen Gemeinde zu¬
sammenzuschließen, doch gerieth dieser Versuch immer wieder ins Stocken.
Neuerdings haben einige protestantische Gutsbesitzer, die sich in letzter Zeit
dort angekauft, die Sache ernstlicher angegriffen und eine Kirche sammt Pfarr¬
haus erbaut. Die weiteren Mittel aber fehlen und werden von auswärts
ersehnt. Ein anderes Beispiel war bis vor Kurzem Gruppe an der Weichsel,
welches seit 1854 als eignes Kirchspiel besteht. Bis dahin gehörten die 4ki
Ortschaften, mit 6000 Evangelischen, die jetzt das Kirchspiel ausmachen, theils
zu Graudenz, theils zu Schwetz, theils zu Neuenburg, und bis dahin gab es
zwischen den beiden letztgenannten Orten, auf einer Strecke von 5 Meilen
Länge und 3 Meilen Breite keine evangelische Kirche, wohl aber 4 katholische,
obwohl drei Viertheile der Bewohner dieses Landstrichs Protestanten waren.
1854 wurde ein altes Posthaus in einen Betsaal umgewandelt. Dasselbe lag
aber sehr ungünstig am Nordende des Kirchspiels, faßte nur 40v Personen und war
überdies so baufällig, daß Gemeinde und Pfarrer bei starkem Regenwetter ge¬
nöthigt waren, sich während des Gottesdienstes des Regenschirmes zu bedienen.
Durch einen namhaften Beitrag des Gustav-Adolf-Vereins rst die Gemeinde
jetzt in den Stand gesetzt, diesem Mangel abzuhelfen, und schon im nächsten
Jahre wird Gruppe eine passende Kirche besitzen.

Von ganz besonderer Vedcutung i se d le cvange iisch e Diaspora
in der Provinz Posen, und zwar nicht allein weil hier die Noth der 54
Unterstützung bedürfenden Gemeinden groß ist, sondern weil der dortigen prote¬
stantischen Bevölkerung Beistand leisten zugleich zur Ausbreitung und Befe¬
stigung des deutschen Elements unter feindlichen Slaven beitragen heißt.

Der Gustav-Adolf-Verein darf, da politische Zwecke ihm fern liegen, dies
nicht betonen. Wohl aber ziemt es der Presse darauf hinzuweisen, daß hier
mit dem Bestreben des Vereins das deutsch-nationale Interesse mehr wie irgendwo
anders Hand in Hand geht, und so fordern wir unsre Freunde und Gesinnungs-


der zu predigen haben, und in denen die Altargeräthe aus schadhaftem Zinn, ja
bisweilen aus Blech bestehen, Auch hier gibt es Gegenden, wo Hunderte von
evangelischen Kindern aus Mangel an einer Schule ihres Bekenntnisses die
katholische besuchen müssen und dort ihrem Glauben völlig entfremdet werden.

Ein Beispiel ist Smazin bei Neustadt in Westpreußen. - Hier und in der
Nachbarschaft leben eine große Anzahl Protestanten, die ncxh der fünf Stunden
entfernten Kirche zu Dzincelitz in Pommern eingepfarrt sind Dies, verbunden
mit den schlechten Wegen hat zur Folge, daß die Evangelischen in und um
Smazin factisch ohne Kirchenverband und kirchliche Versorgung leben. Bei der
großen Thätigkeit der katholischen Geistlichkeit dieser vorwiegend katholischen
Gegend sind deshalb zahlreiche Uebertritte von Protestanten zu beklagen gewesen,
namentlich wurden viele Kinder dem Katholicismus zugeführt. Seit Jahren
schon hat man sich bemüht, die Evangelischen zu einer eignen Gemeinde zu¬
sammenzuschließen, doch gerieth dieser Versuch immer wieder ins Stocken.
Neuerdings haben einige protestantische Gutsbesitzer, die sich in letzter Zeit
dort angekauft, die Sache ernstlicher angegriffen und eine Kirche sammt Pfarr¬
haus erbaut. Die weiteren Mittel aber fehlen und werden von auswärts
ersehnt. Ein anderes Beispiel war bis vor Kurzem Gruppe an der Weichsel,
welches seit 1854 als eignes Kirchspiel besteht. Bis dahin gehörten die 4ki
Ortschaften, mit 6000 Evangelischen, die jetzt das Kirchspiel ausmachen, theils
zu Graudenz, theils zu Schwetz, theils zu Neuenburg, und bis dahin gab es
zwischen den beiden letztgenannten Orten, auf einer Strecke von 5 Meilen
Länge und 3 Meilen Breite keine evangelische Kirche, wohl aber 4 katholische,
obwohl drei Viertheile der Bewohner dieses Landstrichs Protestanten waren.
1854 wurde ein altes Posthaus in einen Betsaal umgewandelt. Dasselbe lag
aber sehr ungünstig am Nordende des Kirchspiels, faßte nur 40v Personen und war
überdies so baufällig, daß Gemeinde und Pfarrer bei starkem Regenwetter ge¬
nöthigt waren, sich während des Gottesdienstes des Regenschirmes zu bedienen.
Durch einen namhaften Beitrag des Gustav-Adolf-Vereins rst die Gemeinde
jetzt in den Stand gesetzt, diesem Mangel abzuhelfen, und schon im nächsten
Jahre wird Gruppe eine passende Kirche besitzen.

Von ganz besonderer Vedcutung i se d le cvange iisch e Diaspora
in der Provinz Posen, und zwar nicht allein weil hier die Noth der 54
Unterstützung bedürfenden Gemeinden groß ist, sondern weil der dortigen prote¬
stantischen Bevölkerung Beistand leisten zugleich zur Ausbreitung und Befe¬
stigung des deutschen Elements unter feindlichen Slaven beitragen heißt.

Der Gustav-Adolf-Verein darf, da politische Zwecke ihm fern liegen, dies
nicht betonen. Wohl aber ziemt es der Presse darauf hinzuweisen, daß hier
mit dem Bestreben des Vereins das deutsch-nationale Interesse mehr wie irgendwo
anders Hand in Hand geht, und so fordern wir unsre Freunde und Gesinnungs-


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[0061] der zu predigen haben, und in denen die Altargeräthe aus schadhaftem Zinn, ja bisweilen aus Blech bestehen, Auch hier gibt es Gegenden, wo Hunderte von evangelischen Kindern aus Mangel an einer Schule ihres Bekenntnisses die katholische besuchen müssen und dort ihrem Glauben völlig entfremdet werden. Ein Beispiel ist Smazin bei Neustadt in Westpreußen. - Hier und in der Nachbarschaft leben eine große Anzahl Protestanten, die ncxh der fünf Stunden entfernten Kirche zu Dzincelitz in Pommern eingepfarrt sind Dies, verbunden mit den schlechten Wegen hat zur Folge, daß die Evangelischen in und um Smazin factisch ohne Kirchenverband und kirchliche Versorgung leben. Bei der großen Thätigkeit der katholischen Geistlichkeit dieser vorwiegend katholischen Gegend sind deshalb zahlreiche Uebertritte von Protestanten zu beklagen gewesen, namentlich wurden viele Kinder dem Katholicismus zugeführt. Seit Jahren schon hat man sich bemüht, die Evangelischen zu einer eignen Gemeinde zu¬ sammenzuschließen, doch gerieth dieser Versuch immer wieder ins Stocken. Neuerdings haben einige protestantische Gutsbesitzer, die sich in letzter Zeit dort angekauft, die Sache ernstlicher angegriffen und eine Kirche sammt Pfarr¬ haus erbaut. Die weiteren Mittel aber fehlen und werden von auswärts ersehnt. Ein anderes Beispiel war bis vor Kurzem Gruppe an der Weichsel, welches seit 1854 als eignes Kirchspiel besteht. Bis dahin gehörten die 4ki Ortschaften, mit 6000 Evangelischen, die jetzt das Kirchspiel ausmachen, theils zu Graudenz, theils zu Schwetz, theils zu Neuenburg, und bis dahin gab es zwischen den beiden letztgenannten Orten, auf einer Strecke von 5 Meilen Länge und 3 Meilen Breite keine evangelische Kirche, wohl aber 4 katholische, obwohl drei Viertheile der Bewohner dieses Landstrichs Protestanten waren. 1854 wurde ein altes Posthaus in einen Betsaal umgewandelt. Dasselbe lag aber sehr ungünstig am Nordende des Kirchspiels, faßte nur 40v Personen und war überdies so baufällig, daß Gemeinde und Pfarrer bei starkem Regenwetter ge¬ nöthigt waren, sich während des Gottesdienstes des Regenschirmes zu bedienen. Durch einen namhaften Beitrag des Gustav-Adolf-Vereins rst die Gemeinde jetzt in den Stand gesetzt, diesem Mangel abzuhelfen, und schon im nächsten Jahre wird Gruppe eine passende Kirche besitzen. Von ganz besonderer Vedcutung i se d le cvange iisch e Diaspora in der Provinz Posen, und zwar nicht allein weil hier die Noth der 54 Unterstützung bedürfenden Gemeinden groß ist, sondern weil der dortigen prote¬ stantischen Bevölkerung Beistand leisten zugleich zur Ausbreitung und Befe¬ stigung des deutschen Elements unter feindlichen Slaven beitragen heißt. Der Gustav-Adolf-Verein darf, da politische Zwecke ihm fern liegen, dies nicht betonen. Wohl aber ziemt es der Presse darauf hinzuweisen, daß hier mit dem Bestreben des Vereins das deutsch-nationale Interesse mehr wie irgendwo anders Hand in Hand geht, und so fordern wir unsre Freunde und Gesinnungs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/61>, abgerufen am 05.02.2025.