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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Kirche bekenne und die Ketzer verfluche. Die große Mehrzahl der Salzburger
leistete den Eid, nur die Tefferegger verweigerten ihn und wurden in Folge
dessen zur Auswanderung gezwungen. Die übrigen heimlichen Protestanten
blieben trotz des Eides bei ihrem Glauben. Wie in Böhmen erbauten sie sich
in der Familie aus evangelischen Büchern, lasen sich aus der Bibel vor und
hielten dann und wann in der Verborgenheit von Wäldern und Schluchten
gemeinsamen Gottesdienst, während sie sonst als der katholischen Kirche zuge¬
than galten.

Da bestieg 1727 Graf Firmian den erzbischöflichen Stuhl, ein Freund
der Tafel und der Jagd und ein Feind des Protestantismus, und jetzt änderte
sich die Lage der Dinge sofort. Der neue Landesherr begnügte sich nicht mit
dem äußern Schein, er wollte sein Gebiet wirklich von aller Ketzerei, offner und
verborgener, gesäubert wissen. Von Jahr zu Jahr trat er mit größerer Strenge
auf. Die Vorstellungen der protestantischen Fürsten gegen seinen Glaubens¬
eifer fruchteten nichts, ja die Verfolgung wurde darauf hin nur ärger. Man
durchsuchte die Häuser und verhängte harte Strafen über die, bei denen prote¬
stantische Schriften oder Bibeln entdeckt wurden. Man warf die Evangelischen
ins Gefängniß, gab ihnen Stockstreiche, confiscirte ihr Vermögen, erklärte ihre
Ehen für ungiltig und verweigerte ihnen das christliche Begräbniß. Der Er¬
folg war. daß. als der Erzbischof im Jahr 1730 eine Zählung der "Ketzer"
anordnete, von den 250,000 Bewohnern des Landes über 20,000 sich zum
evangelischen Glauben bekannten. Vergebens war rhre jetzt erfolgende feier¬
liche Excommunication, umsonst alle Anstrengung der katholischen Priester, alle
List der Jesuiten, sie in die katholische Kirche zurückzuführen. Um ein gemein¬
sames Handeln in so schwerer Bedrängnis) festzustellen, beschickten sich die ein¬
zelnen Gemeinden, und über hundert ihrer Führer hielten am 5. August 1731
zu Schwarzach eine Versammlung, in welcher sie in feierlicher Weise um einen
Tisch tretend und gemeinsam Salz essend schwuren, eher Leib und Seele als
den Glauben zu lassen.

Durch Decret vom 31. October befahl jetzt der Erzbischof die Austreibung
aller Protestanten, und eine große Anzahl derselben wurde unverzüglich mitten
im Winter aus ihren Gehöften verjagt und von Soldaten über die Grenze ge¬
schafft. Die Uebrigen folgten im Frühjahr in langen Zügen nacb. König
Friedrich Wilhelm von Preußen siedelte die Mehrzahl in den östlichen Provin¬
zen seines Reiches an, andere gingen nach Hannover, wieder andere nach Hol¬
land, einige nach Amerika. Das salzburger Land schien gründlich von aller
Ketzerei gereinigt. Aber auch hier war das Werk römischer Unduldsamkeit in
Wirklichkeit nicht völlig gelungen. Wieder hat sich in der ehemaligen Haupt¬
stadt des Erzbisthums, in Salzburg selbst, eine kleine Protestantengemeinde
gebildet. Dieselbe ließ seit einigen Jahren jährlich einmal von dem evcmge-


Kirche bekenne und die Ketzer verfluche. Die große Mehrzahl der Salzburger
leistete den Eid, nur die Tefferegger verweigerten ihn und wurden in Folge
dessen zur Auswanderung gezwungen. Die übrigen heimlichen Protestanten
blieben trotz des Eides bei ihrem Glauben. Wie in Böhmen erbauten sie sich
in der Familie aus evangelischen Büchern, lasen sich aus der Bibel vor und
hielten dann und wann in der Verborgenheit von Wäldern und Schluchten
gemeinsamen Gottesdienst, während sie sonst als der katholischen Kirche zuge¬
than galten.

Da bestieg 1727 Graf Firmian den erzbischöflichen Stuhl, ein Freund
der Tafel und der Jagd und ein Feind des Protestantismus, und jetzt änderte
sich die Lage der Dinge sofort. Der neue Landesherr begnügte sich nicht mit
dem äußern Schein, er wollte sein Gebiet wirklich von aller Ketzerei, offner und
verborgener, gesäubert wissen. Von Jahr zu Jahr trat er mit größerer Strenge
auf. Die Vorstellungen der protestantischen Fürsten gegen seinen Glaubens¬
eifer fruchteten nichts, ja die Verfolgung wurde darauf hin nur ärger. Man
durchsuchte die Häuser und verhängte harte Strafen über die, bei denen prote¬
stantische Schriften oder Bibeln entdeckt wurden. Man warf die Evangelischen
ins Gefängniß, gab ihnen Stockstreiche, confiscirte ihr Vermögen, erklärte ihre
Ehen für ungiltig und verweigerte ihnen das christliche Begräbniß. Der Er¬
folg war. daß. als der Erzbischof im Jahr 1730 eine Zählung der „Ketzer"
anordnete, von den 250,000 Bewohnern des Landes über 20,000 sich zum
evangelischen Glauben bekannten. Vergebens war rhre jetzt erfolgende feier¬
liche Excommunication, umsonst alle Anstrengung der katholischen Priester, alle
List der Jesuiten, sie in die katholische Kirche zurückzuführen. Um ein gemein¬
sames Handeln in so schwerer Bedrängnis) festzustellen, beschickten sich die ein¬
zelnen Gemeinden, und über hundert ihrer Führer hielten am 5. August 1731
zu Schwarzach eine Versammlung, in welcher sie in feierlicher Weise um einen
Tisch tretend und gemeinsam Salz essend schwuren, eher Leib und Seele als
den Glauben zu lassen.

Durch Decret vom 31. October befahl jetzt der Erzbischof die Austreibung
aller Protestanten, und eine große Anzahl derselben wurde unverzüglich mitten
im Winter aus ihren Gehöften verjagt und von Soldaten über die Grenze ge¬
schafft. Die Uebrigen folgten im Frühjahr in langen Zügen nacb. König
Friedrich Wilhelm von Preußen siedelte die Mehrzahl in den östlichen Provin¬
zen seines Reiches an, andere gingen nach Hannover, wieder andere nach Hol¬
land, einige nach Amerika. Das salzburger Land schien gründlich von aller
Ketzerei gereinigt. Aber auch hier war das Werk römischer Unduldsamkeit in
Wirklichkeit nicht völlig gelungen. Wieder hat sich in der ehemaligen Haupt¬
stadt des Erzbisthums, in Salzburg selbst, eine kleine Protestantengemeinde
gebildet. Dieselbe ließ seit einigen Jahren jährlich einmal von dem evcmge-


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[0055] Kirche bekenne und die Ketzer verfluche. Die große Mehrzahl der Salzburger leistete den Eid, nur die Tefferegger verweigerten ihn und wurden in Folge dessen zur Auswanderung gezwungen. Die übrigen heimlichen Protestanten blieben trotz des Eides bei ihrem Glauben. Wie in Böhmen erbauten sie sich in der Familie aus evangelischen Büchern, lasen sich aus der Bibel vor und hielten dann und wann in der Verborgenheit von Wäldern und Schluchten gemeinsamen Gottesdienst, während sie sonst als der katholischen Kirche zuge¬ than galten. Da bestieg 1727 Graf Firmian den erzbischöflichen Stuhl, ein Freund der Tafel und der Jagd und ein Feind des Protestantismus, und jetzt änderte sich die Lage der Dinge sofort. Der neue Landesherr begnügte sich nicht mit dem äußern Schein, er wollte sein Gebiet wirklich von aller Ketzerei, offner und verborgener, gesäubert wissen. Von Jahr zu Jahr trat er mit größerer Strenge auf. Die Vorstellungen der protestantischen Fürsten gegen seinen Glaubens¬ eifer fruchteten nichts, ja die Verfolgung wurde darauf hin nur ärger. Man durchsuchte die Häuser und verhängte harte Strafen über die, bei denen prote¬ stantische Schriften oder Bibeln entdeckt wurden. Man warf die Evangelischen ins Gefängniß, gab ihnen Stockstreiche, confiscirte ihr Vermögen, erklärte ihre Ehen für ungiltig und verweigerte ihnen das christliche Begräbniß. Der Er¬ folg war. daß. als der Erzbischof im Jahr 1730 eine Zählung der „Ketzer" anordnete, von den 250,000 Bewohnern des Landes über 20,000 sich zum evangelischen Glauben bekannten. Vergebens war rhre jetzt erfolgende feier¬ liche Excommunication, umsonst alle Anstrengung der katholischen Priester, alle List der Jesuiten, sie in die katholische Kirche zurückzuführen. Um ein gemein¬ sames Handeln in so schwerer Bedrängnis) festzustellen, beschickten sich die ein¬ zelnen Gemeinden, und über hundert ihrer Führer hielten am 5. August 1731 zu Schwarzach eine Versammlung, in welcher sie in feierlicher Weise um einen Tisch tretend und gemeinsam Salz essend schwuren, eher Leib und Seele als den Glauben zu lassen. Durch Decret vom 31. October befahl jetzt der Erzbischof die Austreibung aller Protestanten, und eine große Anzahl derselben wurde unverzüglich mitten im Winter aus ihren Gehöften verjagt und von Soldaten über die Grenze ge¬ schafft. Die Uebrigen folgten im Frühjahr in langen Zügen nacb. König Friedrich Wilhelm von Preußen siedelte die Mehrzahl in den östlichen Provin¬ zen seines Reiches an, andere gingen nach Hannover, wieder andere nach Hol¬ land, einige nach Amerika. Das salzburger Land schien gründlich von aller Ketzerei gereinigt. Aber auch hier war das Werk römischer Unduldsamkeit in Wirklichkeit nicht völlig gelungen. Wieder hat sich in der ehemaligen Haupt¬ stadt des Erzbisthums, in Salzburg selbst, eine kleine Protestantengemeinde gebildet. Dieselbe ließ seit einigen Jahren jährlich einmal von dem evcmge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/55>, abgerufen am 12.02.2025.